Kirchen des 19. Jahrhunderts

Berühmte Architekten bauten im »preußischen«

Kreis Daun Dr. Edith Neubeiser, Immerath

 

Jahrzehntelang schwieg man sich aus über die Architektur des 19. Jahrhunderts. Der Name Karl-Friedrich Schinkel (1781 bis 1841) war noch ein Begriff. Nach dem Anschluß des Rheinlandes an Preußen hat er auch hier gebaut. Er verband in seinen Bauten Romantik und Klassizismus zu einem selbständigen Stil. Aber über die Zeit danach spricht man kaum. Doch was hat das 19. Jahrhundert sonst hervorgebracht? nicht so wenig und nicht so wenig Gutes wie wir auf Grund der spärlichen Literatur glauben. So hat gerade im Kreis Daun der Kommunalkreisbaumeister Barthels - seine näheren Daten sind nicht einmal bekannt 1 - zahlreiche Kirchenbauten von Qualität entworfen und beaufsichtigt.

Doch es soll chronologisch vorgegangen werden. Während nämlich vor allem die Eifel in Jahrhunderten Aufmarschgebiet und Heerlager zahlreicher Kriegszüge 2 gewesen und in weiten Teilen arm, ja ausgepovert war, nachdem ab 1792 die französischen Revolutionstruppen nochmals »verheerend« im wahrsten Sinne des Wortes gewirkt hatten, die Verbündeten im übrigen nicht weniger3, waren es die Preußen, die ab 1815 ihre Herrschaft über das Rheinland ernst nahmen.4.

Die Filialkirche in Oberstadtfeld, umgeben vom alten Friedhof.auch die Bautätigkeit. Napoleons Truppen zerstörten oder profanisierten Kirchen und Klöster

Parallel mit den politischen Verhältnissen lief - man denke nur an Himmerod. Zwanzig Jahre französischer Herrschaft haben so gut wie keine künstlerischen Spuren im Rheinland hinterlassen 5. Es wurde kaum gebaut. Aber sobald man wieder Atem geschöpft, begann man auch mutig, Kirchenbauten zu errichten und zu renovieren. Ab 1820 zog die Kirchenbautätigkeit in der gesamten Diözese Trier an 6. Die katholischen Gemeinden besannen sich und suchten Gelder für ihre Kirchen aufzubringen. Eine beachtliche Leistung angesichts der schweren wirtschaftlichen Verhältnisse der Eifeldörfer. Wie wenig jedoch gerade diese Kirchenbauten, die unter mißlichsten äußeren Umständen heranwuchsen, beachtet wurden und werden, das zeigt der Blick in die Literatur. Vielleicht noch die Entstehungsdaten erfahren wir aus manchem Kunstführer, Kunstgeschichtlichen Werk, Visitationsprotokoll. Über die Entstehung, die Gestalt, stilistische Elemente, zumeist kein Wort. Und doch ist gerade die Entstehungsgeschichte dieser Kirchen jeweils einen Bericht wert.

Bereits 1811, also noch vor der preußischen Zeit, wurde in Gerolstein die Pfarrkirche St. Anna erbaut. Nur ein alter Stich von 1834 7 läßt die ursprüngliche Form des Gotteshauses erkennen; denn 1884 und 1948 wurde es jeweils umgebaut bzw. erweitert.

Eine eigenartige Geschichte führte zu diesem Kirchenbau.8. Wie man in den Kunstdenkmälern der Rheinprovinz - Kreis Daun - nachlesen kann, war der Ort Sarresdorf ehemals bedeutender als Gerolstein. Sarresdorf hatte seine Pfarrkirche, an die allerdings heute nur noch der Renaissancebau des alten Pfarrhauses - jetzt Kreisheimatmuseum - (erbaut 1545) -erinnert. Man war dem, gegenüber an der Kyll gelegenen Gerolstein, überlegen. Aber wie es mit der Freiheit so geht, der Herr von Blankenheim gewährte seinen Einwohnern in Gerolstein die größeren Freiheiten. Und deshalb begannen die Sarresdorfer ab 1336 nach und nach ins freie Gerolstein überzusiedeln. Um 1760 klagt der Pfarrer in Sarresdorf, »Kirch', Pfarrhaus und Hoff samt dem Custerhauss« seien »allein geblieben«. So verfiel die Kirche, 1812 wurde sie für baufällig erklärt, 1813 aufgegeben, 1844 sind nur noch Reste vorhanden. Letztendlich dadurch aber war ein Neubau in Gerolstein überfällig geworden. Denn es gab nur eine Kapelle auf halber Höhe des Burgberges, die 1694 renoviert worden war. 1713 erklärt ein Visitationsprotokoll, im Winter - von Allerheiligen bis Palmsonntag - werde an anderer Stelle Gottesdienst gehalten. Nach dem Stadtbrand von 1784 heißt es, in einem »gemeinen Hause« sei eine Kapelle eingerichtet. Kein Wunder also, daß hier Anfang des 19. Jahrhunderts ein Neubau nötig war. Es wurde eine Kirche »mit gerade geschlossenem Schiff in vier Achsen, der Chor am Westende durch ein Mittelfenster erleuchtet, der Turm östlich vorgelegt« 8, errichtet. Die heutige Gestalt zeigt einen Choranbau und ein weiteres Schiff seit dem Erweiterungsbau von 1884 und einen nochmaligen Umbau 1948. Die Kirchenbauten 1811 und 1884, also zwei Mal während des 19. Jahrhunderts erklären sich durch die rasch anwachsende Gemeinde, 1818 betrug die Bevölkerungszahl von Gerolstein 1876 Seelen, im Jahre 1887 aber bereits 2196.

So hat auch der Kirchenbau in Stadtkyll seine Geschichte. Barsch 9, damals Landrat des Kreises Prüm, zu dem Stadtkyll einst gehörte, schildert den Vorgang »am 30. Juli 1814, als sich eben preußische Truppen zu Stadtkyll befanden, brach plötzlich Feuer in einem Haus aus und der ganze Ort wurde dadurch eingeäschert. Nur die Mühle und ein mit Schiefer gedecktes Haus blieben von den Flammen verschont, welche 57 Gebäude verzehrten. Von der Kirche blieb nur der Turm und einiges Mauerwerk stehen....

In der Kirche konnte kein Gottesdienst gehalten werden, die Einwohner waren durch den Brand so verarmt, daß sie sich außer Stand befanden, die Kirche aus eigenen Mitteln wieder herzustellen. ...Als damaliger Landrat der Kreises Prüm beantragte ich im Jahre 1821 bei der königlichen Regierung zu Trier, eine allgemeine Haus- und Kirchenkollekte zur Wiederherstellung der Kirche. Zur Unterstützung dieser Kollekte schrieb ich eine kleine Schrift und ließ solche 1821 zu Köln auf meine Kosten drucken«. Barsch schildert weiter, daß der damalige Kronprinz, der preußische König und viele andere die Schrift erwarben und enorme Summen Geld stifteten. Ausdrücklich erwähnt er, daß den Plan zum Bau der Kirche der geheime Oberbaurat Schinkel ausgearbeitet hat. Der Grundstein wurde am 12. Mai 1823 gelegt, die Kirche bis 1824 fertiggestellt und dem heiligen Joseph gewidmet. Sie war nach Ronig 10 ein einfacher Saalbau mit 5 Achsen rundbogiger Fenster und halbrundem Chor, flachgedeckt.

Pfarrkirche Schalkenmehren — eingerüstet zur Renovierung

Pfarrkirche Hillesheim

Ein Zeitgenosse von Schinkel, der Landrat von Prüm, Dr. Barsch, der selbst den Bau ermöglichte, hat also hier die Urheberschaft des Bauplans von Schinkel bestätigt. Die von Ronig (a.a.O.) geäußerten Zweifel werden danach wohl kaum Bestand haben. Auch der Schluß der dort zitieren Brues, es fehlten Plan und Archivalien als Hinweis auf Schinkel, scheint wenig einleuchtend. Denn der Brand von 1854, dem diese Kirche nach nur 30 Jahren zum Opfer fiel, dürfte bereits als Grund in Frage kommen.

Aber noch einmal im selben Jahrhundert rafften die Stadtkyller sich auf und erstellten die Kirche neu - noch um die Tiefe des Turmes nach Westen verlängert.

Die katholische Pfarrkirche St. Mariae Himmelfahrt in Üxheim entstand 1836/38 als vollständiger Neubau an anderer Stelle als die alte Kirche, von der lediglich ein gotischer Chor in der Dorfmitte stehengeblieben war. Diese als Saalbau errichtete Kirche wird dem Kommunalkreisbaumeister Barthels zugeschrieben, der im Kreis Daun um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Reihe beachtlicher Kirchenbauten entworfen hat, teilweise zusammen mit Regierungsinspektor Wolff, Trier11. Diese Saalkirchen einfacher Bauart, wahrscheinlich wegen der wenig aufwendigen Bauweise gewählt, und noch klassizistischen Formen verhaftet,11zeigten ein eigenständiges Gesicht. Ihre Einfachheit fügt sich harmonisch in das Dorfbild der Eifel ein. Lange fehlte uns der Blick für diese Architekturform. Aber wir beginnen nach genügendem zeitlichen Abstand, ihnen Kunstwert abzugewinnen. Die stützenlosen Saalkirchen, die seit Jahrhunderten im Trierer Raum gebaut wurden, und die es oft schwer machen, einen Bau zeitlich genau einzuordnen, haben im 19. Jahrhundert noch einmal reichlich Verwirklichung gefunden. Und Barthels verstand es, ihnen ein Gesicht zu geben. Ein weiteres Beispiel klassizistischer Bauweise wurde 1837 wiederum von Kommunalkreisbaumeister Barthels in Oberstadtfeld geschaffen. Die Filialkirche St. Brigitta mußte wegen Gewölbeeinsturzes neu erbaut werden. Lediglich der Turm der alten Kirche des 15. oder 16. Jahrhunderts blieb erhalten. Die neue Kirche wurde daran gebaut. 1841 erhielt der Turm zusätzlich ein neuen Portal12.

Ein Werk von Barthels ist ebenfalls St. Martin in Schalkenmehren, 1840/41 (44?) erbaut. Erst 1803 wurde Schalkenmehren zur Pfarrei erhoben. Bis dahin war es Filiale von Weinfeld, wenn dieser Ort auch bereits seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr bestand 13. Nur die heute noch vorhandene Kirche am Totenmaar, wohl aus dem 14. Jahrhundert  14, überdauerte und blieb Pfarrkirche von Schalkenmehren, bis zum Neubau.

Dehio14 erwähnt in dem Kunstführer Rheinland-Pfalz-Saarland ebenfalls den »Landbaumeister Barthels« aus Daun als Kirchenbaumeister von St. Martin. Was Barthels nun wirklich war und wie er sich schrieb, bleibt danach unklar. Leider ist er jedenfalls viel zu wenig bekannt geworden. Denn Dehio erwähnt ihn lediglich bei Schalkenmehren. Alle anderen von ihm errichteten Kirchen sind ohne Zuschreibung an einen bestimmten Erbauer beschrieben.

Nicht einmal die Pfarrkirche St. Martin in Hillesheim, 1851/52 nach Plänen von Barthels geschaffen, hatte bisher in der Literatur Benennung ihres Baumeisters gefunden. Dabei handelt es sich - wie Ronig zu Recht feststellt 15 -um einen repräsentativen Bau. Er beschreibt die Kirche als einen fünfachsigen Bau von beträchtlicher Breite, dessen Seitenwände ohne Absatz in das Halbrund der Apsis übergehen mit sehr sorgfältig gesetztem Sicht-Mauerwerk des Äußeren. Ronig kommt das Verdienst zu, eine Reihe von Kirchenbauten des Kreises Daun als Werke des Kreisbaumeisters Barthels erkannt und sein Wirken in dem umfassenden Werk »Kunst des 19. Jahrhunderts im Rheinland« 1980 an die Öffentlichkeit gebracht zu haben.

Die Pfarrkirche Gillenfeld mit nebenstehendem Turmbau.

Als letztes bekanntes Werk von Barthels sei auf die Pfarrkirche St. Bartholomäus in Üdersdorf hingewiesen. 1863 wurde hier ein Neubau geschaffen, der vielleicht als die letzte Saalkirche im Kreis Daun zu gelten hat, der aber ebenfalls die Qualitäten eines individuellen Zeugnisses der Baukunst der Mitte des 19. Jahrhunderts besitzt.

Es sei schließlich noch der Neubau der katholischen Pfarrkirche St. Andreae von 1898/99 in Gillenfeld erwähnt. Die Pläne stammen von dem Architekten Hector aus Saarbrücken16. Gillenfeld hatte bis 1794 dem Stift St. Florin in Koblenz gehört. Erst 1780 war auf Kosten des Stifts ein Neubau errichtet worden, den man 1861 noch einmal instandgesetzt hatte. Aber das starke Anwachsen der Bevölkerung -1818 = 537 Bürger, 1880 = 1121 - ließ diese Kirche sehr schnell zu klein werden. Ein Neubau, der natürlich auch für diese Gemeinde ein gewaltiges Vorhaben bedeutete, wurde schließlich nicht zuletzt dadurch möglich, daß der Amtsbürgermeister, ein Junggeselle, starb und der Kirche soviel hinterließ, daß damit und mit reichlich Eigenleistung der Gillenfelder der Rohbau erstellt werden konnte.

Baumeister Hector hat in der Diözese Trier zwischen cirka 1885 und 1907 etwa 40 Kirchenbauten errichtet, die alle große Individualität aufweisen18. Ob aus Passion oder auf Grund der Anordnung von Bischof Korum, der Neogotische Kirchen verordnet hatte, Hector baute vor der Jahrhundertwende in Gillenfeld - wie überall sonst - neogotisch, nach 1900 entwarf er auch neoromanische Kirchenbauten.

Die Gillenfelder Kirche stellt einen vorzüglichen Baukörper dar, für einen Ort dieser Größe ein imponierendes Bauwerk. Es war klug, den Turm aus dem Jahre 1729 isoliert auf dem Friedhof stehenzulassen und die Kirche als eigenen Baukörper zu errichten. Denn das hohe gotische Kirchenschiff hätte in unmittelbarem Anschluß den Turm optisch erdrückt. So aber entstand auf dem Hügel über der Ortschaft eine ausgezeichnete Baugruppe.

Mit dieser Auswahl von Kirchenbauten des 19. Jahrhunderts im Kreis Daun scheint mir hinreichend aufgezeigt, was hervorragende Bauleute mit geringen finanziellen Mitteln geschaffen haben. Es ist an der Zeit, diesem Jahrhundert gerecht zu werden.

Literatur

1 Trier und Weyres »Kunst des 19. Jahrhunderts im Rheinland« Bd. 1, S. 208

2 Schmitz/Munk, Die Eifel, S. 6 ff

3 Rheinischer Antiquarius

4 Schmitz/Munk behauptet zwar, daß sie erst den Ruin endgültig herbeiführten (S. 16). Hier ist jedoch nicht der Ort sich damit auseinanderzusetzen.

5 Geschichte des Rheinlandes, Herausg.: Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 1922, Bd. 2, S. 451

6 Trier/Weyres, Bd. 1, S. 195

7 Abbildung siehe »Kunstdenkmäler der Rheinprovinz« Kreis Daun 1928, S. 76

8 a. a. O. S. 77

9 Schannat-Bärsch, Eiflia illustrata, Bd. 3 Abt. 2, Abschnitt 1, S. 398

10 Ronig in Trier/Weyres, »Kunst des 19. Jahrh.« Bd. 1, S. 207

11 a. a. O. S. 203 und 208

12 Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Kreis Daun, S. 199

13 Philipp de Lorenzi, »Beiträge zur Geschichte sämtlicher Pfarreien der Diözese Trier« Bd. 1, S.206 f

14 Dehio Rheinland-Pfalz-Saarland 1972, S. 794

15 Ronig a. a. O. S. 203

16 Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Kreis Daun, S. 95

17 Monz, Kreisheimatjahrbuch Daun 1985, S. 191 ff

18 Ronig a. a. O. S. 247/48