Landrat Karl-Adolf Orth:

Die Gegenwart meistern!

Gediegene Verhältnisse bieten reelle Chancen für die Zukunft

 

Freunde aus der Heimat hatten der jungen Frau geraten, nach einem siebenjährigen Aufenthalt in den USA nicht nach Hause, in die Eitel, zurückzukehren. Die Stimmung daheim sei schlecht, die Leute seien arbeits- und ratlos und hätten Angst vor der Zukunft. Der Wohlstand sei nicht mehr, was er war und, Zeitungsberichten zufolge, breite sich eine »neue Armut« aus. Als die junge Frau sich von Koblenz her der Heimat näherte, war ihr Erstaunen groß. Der Verkehr auf der Autobahn und auf den Landstraßen war — ihrer Erinnerung nach — noch stärker als früher. Von allen Dächern grüßten Fernsehantennen, die Schaufenster boten reichliche und teure Waren an, die Dörfer ihrer Heimat schienen ihr geputzter und moderner als noch vor sieben Jahren. Nach zwei Wochen stellte sie fest, daß sie manches in den USA vermißt hatte, was die Heimat bot. Ihr schien, es wisse die ganze Welt, daß es uns noch immer gut geht, nur die Bürger unseres Landes wüßten es nicht.

Die Lebenswerte erkennen

Wer draußen — und nicht nur aus Amerika, England oder Frankreich — zu uns in den Landkreis Daun kommt, hat in der Tat den Eindruck von gediegenen und lebenswerten Verhältnissen. Viele von uns haben Verwandte und Bekannte in den Ballungsräumen, welche die Eifel noch aus der Vor- und Nachkriegszeit kennen. Von dieser Zeit trennen uns 40 Jahre. Gab es bis dahin noch viele Familien in unseren landwirtschaftlich strukturierten Dörfern, denen es an Bargeld mangelte, spiegeln unsere Kleinstädte und Dörfer heute einen gesunden Wohlstand wider, der seinesgleichen in der Vergangenheit der Eifel nicht findet. Unsere Fabriken fügen sich allgemein harmonisch in das Ortsbild ein. Viele Dörfer in unserem Landkreis mit ihren restaurierten Fachwerkhäusern oder die Beispielstadt Hillesheim mit ihrem sanierten Ortskern können den Vergleich mit den Dörfern im gesamten europäischen Raum gut aushallen.

Den Wohlstand beherrschen

Machen wir uns aber nichts vor. Der private und der öffentliche Wohlstand mit den modernen Annehmlichkeiten ist teurer geworden. Nehmen Sie nur die Abfallbeseitigung. Wir haben uns ein Konsumverhalten angewöhnt, das ohne Rücksicht auf Verpackung und Abfall unserer eigenen Bequemlichkeit dient. Sie haben sicher in der Presse mit Genugtuung die Mitteilung gelesen, daß neben Glas und Papier im Landkreis Daun nun auch Plastikabfälle der Wiederverwertung zugeführt werden können. Nun liegt es an den Bürgern, diese Angebote anzunehmen. Dadurch kann unsere Müllabfuhr in den Landkreis Euskirchen reduziert werden. Das wirkt sich auch auf Kosten und Gebühren aus.

Die Arbeit schätzen lernen

Wir wollen aber nicht die Augen vor den wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Landkreis Daun verschließen. Es bestürzt uns sehr, daß wir Mitte 1985 noch 17 % Arbeitslose hatten. Die Mehrheit unserer Bürger ist allerdings im Besitz von festen Arbeitsplätzen. Man kann bisweilen den Eindruck haben, daß mancher diesen Reichtum nicht richtig einzuschätzen weiß. Überhöhte Forderungen an den Staat und an die Betriebe bringen unsere Volkswirtschaft immer mehr in Schwierigkeiten. Löhne und Nebenleistungen sind ja nicht nur Einkommen für den Arbeitnehmer, sie müssen von Betrieben auch erwirtschaftet werden. Wir haben in unserem Landkreis gediegene und gesunde Betriebe, aber auch Unternehmen, besonders in der Bauwirtschaft, die unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und wegen Auftragsmangel Arbeitskräfte entlassen mußten. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Unternehmen und Betrieben danken, die sich ihrer Verantwortung für das Ganze bewußt sind, sich der modernen Technologie öffnen und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Bedenken wir auch folgendes: Der öffentliche Reichtum der vergangenen Jahrzehnte schüttet nicht mehr seine Wohltaten über das Volk aus, wie manche es wieder wünschen, nachdem sie selbst vor einigen Jahren riefen: »Es kann so nicht mehr weitergehen«. Unser Staat, und dazu gehören auch die Landkreise, Städte und Gemeinden, haben oft genug über ihre Verhältnisse gelebt. Gewiss, wir haben heute noch ein leistungsfähiges soziales Netz, das man weit und breit suchen kann. Aber ein solches Netz kann auch Löcher bekommen, wenn die Last zu schwer wird.

»Die Gegenwawrt meistern« stand insgeheim über den Anstrengungen zur Erhaltung von Produktionszweigen des Mannesmann-DEMAG Werkes in Jünkerath, nachdem Umschichtungen in der Produktion den Bestand der seit 300 Jahren bestehenden »Eifeler Eisenhütte« gefährdeten. Kurz vor seinem Eintritt in den Ruhestand unterstützte der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Heinrich Holkenbrink die Bemühungen der Werksleitung, der Kreisverwaltung und der Parteien. Es wurden trotz einer schmerzenden Verringerung an Arbeitsplätzen doch zukunftverheißende Kompromisse erreicht. Unser Schnappschuß von den Verhandlungen zeigt von links Direktor Christmann von der DEMAG, CDU-Kreisvorsitzenden Günther Wollscheid, Minister Holkenbrink, Landrat Orth, Werkleiter Spring und Prokurist Josef Decker, der in den Jahren von 1964 bis 1977 als Kreistags- und Kreisausschußmitglied aktiv an den kreiskommunalen Entschlüssen mitwirkte.

Bewußtseinswandel nötig

Arbeiten und Sparen, das war die Devise der vergangenen Jahre und wird es noch weiter bleiben. Und doch ergibt sich die Frage, ob nach einer gewissen Konsolidierung der Staatsfinanzen unsere Städte, Gemeinden und der Kreis wieder mehr investieren sollen, damit mittelfristig unsere Bauwirtschaft gestärkt wird und die Arbeitsplätze in diesem Bereich gesichert werden. Der Landkreis Daun als Bauherr hat in den nächsten Jahren noch große Investitionen vorgesehen und auch die Gemeinden sind sich ihrer Verantwortung auf diesem Gebiet bewußt. Parallel dazu muß die Schaffung von Arbeitsplätzen mit neuer Technologie und im Dienstleistungsbereich laufen. Deutschland war früher einmal das Land des technischen Fortschritts; das deutsche Automobil und die deutsche Fotokamera eroberten die Welt. Bis vor kurzem konnte man die Sorge haben, daß die USA, Japan und neuerdings auch subasiatische Länder uns den Rang auf dem Gebiet der technischen Bewegung ablaufen. Es bahnt sich hier gottlob ein positiver Wandel im Bewußtsein unserer Bürger an.

Die Landschaft behüten

Wir schauen seit einigen Jahren gebannt auf den Natur- und Landschaftsschutz. Das ist gut so. Vergessen wir aber nicht gelegentlich, daß die stete Veränderlichkeit der Umwelt nicht nur negative Züge zeigt? Wir leben nicht nur anders, als in den angeblich »guten alten Zeiten«, als Landschaft und Natur noch, wie man sagt, heil und unverbraucht waren, sondern wir leben besser. Da Leben von solch einer unerbittlichen Veränderlichkeit ist, können wir nicht um jede Landschaft einen Drahtzaun ziehen und sie praktisch zu einem Schutzgebiet erklären. Es muß für uns auch in Zukunft wichtig sein, mit unserer Umwelt als etwas kostbarem behutsam und pfleglich umzugehen. Wir wollen aber in unserer Landschaft auch Arbeitsplätze, Maschinen und Technologien, damit wir die Segnungen des modernen Lebens erfahren und erleben können, auch im kleinsten Eifeldorf.

Mut und Vertäuen stärken

Ob ein Land, ob ein Kreis oder ein Gemeinwesen reich oder arm ist, hängt mit davon ab, ob es seine Zukunft mit Kraft gestalten kann. Dazu braucht es Mut, Ideen und Vertrauen. Mißmut und Pessimismus sind schlechte Ratgeber. Wer aber so tut, als sei der Wohlstand ohne jede Korrektur unserer Lebensart zu halten, ist auf dem Holzweg. Vielleicht zehren wir noch zuviel an den Erfolgen der Vergangenheit. Mit den gewählten Kreisgremien, mit den Unternehmern der Wirtschaft, den gewerblich Tätigen, den Arbeitnehmern, den Vereinen, Verbänden und Bürgern wollen wir die Zukunft gestalten. Die Zukunft des Kreises Daun liegt in unseren Händen. Nur gemeinsame, strebsame und zielbewußte Arbeit kann ihn als liebenswerten Kreis erhalten.

»Unter einem Wust von Dreck und Steinen« lautet der Titel einer Schrift der Eifelvereins-Ortsgruppe Jünkerath, in der die Freilegung und Sanierung der Schloßruine Jünkerath beschrieben ist. In einer vorbildlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wurden die Ruinen stabilisiert und die Restaurierung wird in den kommenden Jahren fortgesetzt. Nach dem ersten Bauabschnitt trafen sich die Initiatoren zu einer Besichtigung, wobei unser Schnappschuß entstand. Von links: Arbeitsamtsleiter Gilles, Bauingenieur Karl-Heinz Böffgen und Landrat Orth (Kreisverwaltung Daun), Bürgermeister Otto Friedrich (VG Obere Kyll) Eifelvereins-Vorsitzender Willi Krings und sitzend Günter Niebel (Feusdorf), Verfasser der vorerwähnten Schrift.