Was die Glocken erzählen .

Seltsamer Wechsel im Turm von St. Peter im Berndorf

Hans-Gregor Adrian, Berndorf

 

Glocken spielen im kirchlichen wie im weltlichen Leben einer Pfarrei eine bedeutende Rolle. Das bestätigte auch die am 4. November 1984 in der Pfarrkirche St. Peter in Berndorf vollzogenen Weihe einer neuen Glocke aus der Bronze-Gießerei Mark in Brockscheid. Die damit erfolgte Vervollständigung des Geläutes erlaubt es, die wechselvolle Geschichte der Glokken von Berndorf lebendig werden zu lassen. Die erste schriftliche Erwähnung unserer Glokken stammt aus dem Jahre 1748. Damals schlug der Blitz in den Turm der alten Pfarrkirche, tötete den Küster und beschädigte den Turmhelm schwer. Eine Glocke zerschmolz, die andere wurde schwer beschädigt. Noch im gleichen Jahr goß der Trierer Glockengießer Joh. M. Heintz an Ort und Stelle zwei neue Glocken. Die kleinere Glocke trug die Inschrift; S. MARIAE, S. LEONARDE, S. HVBERTE, S. BARBARA ORATE PRO NOBIS VT A FVLMINE ET TEMPESTATE LIBEREMVR. IN BER-RENDORF J. M. HEINTZ GOSS MICH ANNO 1748. Diese Glocke mußte 1917 an eine Kriegsmetallsammelstelle abgeliefert werden. Die größere, etwa 360 kg schwere Glocke erhielt am Glockenhals die zweizeilige Inschrift: S. PETRVS, S. IOANNES, S. ANTONIVS, S. DONATVS, IN QVORVM S (ANCTIS) S (IMO) RVM HONOREM ME REFVNDI AC BENEDICI CVRAVIT COMMVNITAS PAROCHIAE IN BERRENDORF SVB A. R. D. J. JACOBO HOFFMANN PASTORE IBIDEM ZEL (O) SIS-SIMO 1748. »Am Mantel ist über einem Puttenkopf ein 18 cm hohes Ornamentkreuz, flankiert von einem hl. Bischof und St. Petrus, angebracht« (Schaeben 1970, S. 3). Für die kleine Glocke, die im ersten Weltkrieg abgegeben werden mußte, wurde 1922 eine neue beschafft. Doch diese wurde im 2. Weltkrieg beschlagnahmt und umgeschmolzen. Auch die größere Glocke wurde beschlagnahmt und abtransportiert, doch deren Geschichte ist damit nicht zu Ende und des Erzählens wert:

Josefsglocke, gegossen 1663

Mit der Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 15. 3. 1940 wurden alle Bronzeglocken im Deutschen Reich beschlagnahmt. Die Pfarrer wurden aufgefordert Art, Anzahl, Gewicht und Gießer aller Glocken den zuständigen Behörden zu melden. Am 3. 6. 1942 erhält auch der Pfarrer von Berndorf eine Mitteilung von der mit der Beschlagnahme beauftragten Kreishandwerkerschaft über die bevorstehende Abnahme der beiden Bronzeglokken. Laut vorläufiger Empfangsbestätigung wird die größere Glocke am 9. 7. 1942 im Auftrag der Reichsstelle für Metalle abgenommen und weggeschafft. Ihr folgt am 27. 2. 1943 die kleinere Glocke aus dem Jahre 1922. Da dann aber sehr schnell nicht nur Bronze sondern aus Eisen knapp wird, werden im April 1943 auch die eisernen Klöppel, die man der Kirche zunächst« ... für eine etwaige spätere Wiederverwendung belassen . . . « hatte, im Rahmen eine Schrottaktion vom Reichsminister für Bewaffnung und Munition beschlagnahmt.

Die beiden Bronzeglocken werden später durch drei kleine Glocken aus Graueisenguß ersetzt, von denen weder der Glockengießer noch das jeweilige Gußjahr bekannt sind. Die alten Glocken glaubt man für immer verloren! In den Wirren der Nachkriegsjahre erreicht Pfarrer Martiny dann Anfang Oktober 1947 eine Postkarte vom damaligen Provinzialkonservator der Rheinprovinz, in der von einer für »Berrendorf« gegossenen Glocke die Rede ist. Nachforschungen bringen rasch Gewißheit: Wie durch ein Wunder hatte die größere der Heintz-Glocken von 1748 den Krieg unbeschadet auf einem Hamburger Glockenlager überstanden. Aufgrund der altertümlichen Schreibweise des Ortnamens war unsere Glocke zunächst in Düsseldorf gelandet, da man vermuten mußte, sie gehöre nach Berrendorf (Kreis Bergheim). Zum Glück aber war unsere Glocke in Ernst Wackenroders Band Daun der 'Kunstdenkmäler der Rheinprovinz' genau beschrieben, so daß der Anspruch auf die Glocke auch von daher belegt werden konnte. So gibt der Glockenbeauftragte Rheinland die Glocke am 9. 10. 1947 zum Abtransport frei. Doch die Glocke lag im Düsseldorfer Hafen. Viele Verkehrswege waren durch Kreigseinwirkungen zerstört, das Land in Besatzungszonen aufgeteilt, niemand hatte Geld, um den Rücktransport der gut 7 Zentner schweren Glocke zu bezahlen. Guter Rat war also teuer.

Die Glocke vom Jahre 1748

Nach einigem Hin und Her veranstaltete man im Dorf eine Sammlung an den damals gültigen »Zahlungsmitteln«, nämlich an Butter, Eiern und Speck. Mit diesen Naturalien wurde dann der Rücktransport der Glocke am 13. November 1947 bezahlt. Wir haben es also der Opferbereitschaft der Berndorfer Bevölkerung zu verdanken, die trotz schlechtester Zeiten von ihren knappen Lebensmitteln spendete, wenn die alte Glocke heute wieder in gewohnter Weise vom Kirchturm ertönt.

Bis zum Jahre 1970 hing die alte Bronzeglocke zusammen mit den drei kleinen Stahlglocken im Glockenturm und selbst ein Laie konnte feststellen, daß die vier Glocken nicht unbedingt ein harmonisches Geläute ergaben. In diesem Jahr erwägt die Kirchengemeinde den Ankauf einer elektrischen Läuteanlage und die Instandsetzung des gesamten Geläutes. Da die Glockengießerei ohne die Stellungnahme eines Glockensachverständigen nicht tätig werden darf, läßt man die gesamte Anlage von einem Sachverständigen untersuchen. Der Stadt. Musikdirektor (Euskirchen) und Amtl. Glockensachverständige der Erzdiözese Köln und des Bistums Trier, Jakob Schaeben, kommt in seiner Gutachtlichen Stellungnahme vom 20. 3. 1970 zu einem vernichtenden Ergebnis: «Aus dem Gesagten resultiert, daß die verbogene Schlagtonstimmungslinie im Zusammenwirken mit den den Einzeltönen anhaftenden Dissonanzen und der ganz uneinheitlichen Klangsprache eine Gesamtkomposition von außergewöhnlicher Verworrenheit ergibt, die keinerlei Anspruch darauf erheben kann, als kirchenwürdiges Geläut gewertet zu werden« (Schaeben 1970, S. 2).

In seinen Empfehlungen betont der Sachverständige, daß man langfristig nicht um die Anschaffung von 2 - 3 Bronzeglocken herumkommen werde und empfiehlt u. a. die Anschaffung einer normalen Molloktavglocke in Bronze auf des "- 3/16 Ht. Auf der Grundlage dieses Gutachtens entscheidet der Kirchenvorstand am 16. 4. 1970 die Umstellung des Geläudes auf Bronzeglocken.

Schon im März hatte die Eifeler Glockengießerei in Brockscheid der Pfarrgemeinde eine passende Bronzeglocke auf des "- 6 (also 6 Sechszehntel des temperierten Halbtones unter Normalstimmung a' = 435 Hz) angeboten. Die Glocke stammt aus dem Jahre 1663, steht unter Denkmalschutz und harmoniert im Klang mit der alten Heintz-Glocke von 1748. Sie hat einen Durchmesser von 665 mm und wiegt etwa 160 kg; über den Glockengießer ist nichts bekannt. Laut Inschrift dürfte die Glocke ursprünglich aus der Gemeinde Macken (Hunsrück, Nähe Moselkern) stammen, in deren Bestandsverzeichnissen sie 1847 und 1869 aufgeführt ist.

Die Inschrift lautet: 1. Zeile: PATRONUS HU-IUS CAMPANAE S. CASTOR ET BEATA V. MARIA; 2. Zeile: SUB PASTORE ADMODUM REVERENDO D. JOANA MELCHIORE Pl-STORIO COCHEMIENSE.

Da die Glocke außerdem zum Metallwert (+ etwa 1.500 DM Reparaturkosten) zu haben ist, entschließt sich der Kirchenvorstand rasch zum Kauf.

Die neue Glocke 1984

Außerdem erwirbt man eine weitere Bronzeglocke auf es"-7 (Durchmesser 652 mm, Gewicht etwa 160 kg, Gußjahr: vielleicht 1921, Glockengießer: Mabilon (?)) zum Preise von etwa 1.600 DM. Diese Glocke trägt die Inschrift: GLORIA IN EXELSIS DEO ET IN TERRA PAX HOMINIBUS (Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden). Die Finanzierung erweist sich als schwierig: Als erstes stellt die Zivilgemeinde Berndorf 2.000 DM zur Verfügung, weitere 1.000 DM der Kreis Daun. Nach längerem Hin und Her stellt auch das Konservatoramt im Bischöflichen Generalvikariat 1.000 DM aus seinem Denkmalschutzfond zur Verfügung. Weit über die Hälfte der Kosten muß die Pfarrgemeinde über Kollekten, Spenden und Grundstücksverkauf beisteuern. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Die Pfarrkirche besitzt nun anstelle des kirchenunwürdigen Geläutes der Nachkriegszeit drei im Klang zueinander passende Bronzeglocken. Trotz dieser Verbesserung ist der Amtl. Glockensachverständige noch nicht zufrieden. Zwar begrüßt er, daß die Kirche durch die Reparatur der alten Heintz-Glocke und den Erwerb der unter Denkmalschutz stehenden Glocke von 1663 einen Beitrag zum Denkmalschutz geleistet hat, bedauert aber gleichzeitig, daß damit klangliche Mängel in Kauf genommen werden mußten. Immerhin sei "... die Schlagtonstimmungslinie... noch mit hinlänglicher Sicherheit als Te-Deum-Motiv " zu erkennen (Schaeben 1974, S. 2).

Die Pfarrkirche St. Peter in Berndorf mit Glockenturm Fotos: Rosenkranz, Hillesheim

Doch an die Anschaffung neuer Glocken ist nicht zu denken, und die Gemeinde hätte sich wohl noch lange mit dem Geläute zufrieden geben müssen, hätte nicht vor wenigen Jahren ein Berndorfer Bürger das Angebot gemacht, eine neue Glocke zu stiften. Nach Annahme des Angebotes durch den Pfarrgemeinderat macht die Eifeler Glockengießerei wiederum ein recht günstiges Angebot: Die Gießerei nimmt die 160 kg schwere, es" - 7/16 Ht-Glocke für fast den doppelten Kaufpreis in Zahlung und liefert dafür eine 500 kg schwere, ges" - 4-Glocke mit einem Durchmesser von 950 mm. Nach Auftragserteilung lädt die Eifeler Glockengießerei die Gemeinde Berndort am 15. Sept. 1984 zum Glockenguß nach Brockscheid ein. Die neue Glocke erhält die Inschrift auf der Vorderseite: »HEILIGER JOSEF, SCHUTZPATRON DER STERBENDEN, BITTE FÜR UNS«! Auf der Rückseite steht: »GEGOSSEN FÜR BERNDORF V. D. EIFELER GLOCKENGIESSEREI H. A. MARK BROCKSCHEID 1984«.

Mit dem Erwerb dieser neuen Glocke rundet sich das Bild unseres Geläutes ab. Es läuten nun drei Bronzeglocken, eine auf des "- 6 von 1663, eine auf b" - 4 von 1748 und eine auf ges" - 4 von 1984, die zusammen ein SALVEREGINA-MOTIV ergeben. Man möchte vor allem der neuen Glocke ein ruhigeres und würdigeres Dasein wünschen, als es etwa der alten Heintz-Glocke vergönnt war.

Vielleicht sind es aber gerade dieses bewegte Leben und die damit verbundene Erinnerung auch an die unrühmlicheren Epochen unserer Geschichte, die diese altehrwürdigen Glocken für uns so wertvoll machen.

 

Literaturverzeichnis

- Akten, Pfarrarchiv Berndorf

- Eich, Heinz (Pater): Predigtmanuskript, Berndorf 1984.

- Schaeben, Jakob: Gutachtliche Stellungnahme, Euskirchen 1970.

- ders. Gutachten, Berndorf St. Peter, Geläute 1974.

- Wackenroder, Ernst: Die Kunstdenkmäler des Kreises Daun. (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 12,111). Düsseldorf 1928.