Bilanz eines Dorftheaters

Hinter den Kulissen der Laienspielschar Schüller

Marianne Schönberg, Jünkerath

 

Das Laientheater ist eine alte Kunst. Es wurde im Mittelalter in Form der Mysterienspiele gepflegt, deren Tradition heute noch fortlebt; in Oberammergau, Einsiedeln, Erl. Lokalpotriotischen Hintergrund haben die Teil - Spiele in der Schweiz.

Durch die Jugendbewegung um 1912 wurde das Laienspiel neu befruchtet. Diese Darstellungsform strebt die Entfaltung der Persönlichkeit an, vor allem künstlerischer und gestalterischer Kräfte. Die früher scharfe Frontstellung von Beruftstheater und Vereinsbühne ist einer größeren Toleranz gegenüber der Volkskunst gewichen.

In der Praxis sieht das so aus, daß zum Beispiel die Schüllerer Laienspieler sich Kostüme im Stadttheater Trier ausleihen können. Davon machen sie allerdings nur selten Gebrauch, bei besonderen Figuren auf der Bühne. Wenns irgend möglich ist, wird alles selbst genäht, gekauft oder in Nachbarschaftshilfe ausgeliehen. Das war in der Gründerzeit notwendig und hat sich als positives Markenzeichen dieser Gruppe ins Konsumzeitalter herübergerettet. Es war der 1. Dezember 1960, da kamen Schüllerer Leute zu einer Gründungsversammlung für »ihre« Heimatbühne zusammen. Als der Abend zu Ende war, hatte die neugegründete Laienspielschar 29 Mitglieder. Anton Meyer wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt, Josef Finken zu seinem Stellvertreter und es gab sechs Beisitzer, die den Spielbetrieb überwachen, ihm beratend beistehen sollten. Bereits vier Wochen später hatte die Gruppe Premiere im Jugendheim mit »Vaterunser«, ein Stück in acht Akten und dem Einakter »Schlau muß man sein«. Es gehörte zur Aufführungspraxis der Laienbühne vor zwei Jahrzehnten, nach einem ernsten oder besinnlichen Stück auch etwas Lustiges zum Besten zu geben. Das war nicht nur in Schüller so.

Soufleur Walter Schmitz, er ist seit Bestehen der Laienspielschar »im Kasten«

Im Jugendheim ist die Laienspielschar von Anfang an zu Hause. Das alte Gebäude entspricht zwar keineswegs den Anforderungen eines Hauses, in dem man auch nur mit einem Minimum an Bequemlichkeit arbeiten kann. Alles ist spartanisch, von der Heizung bis zur Umkleideecke. Die Bühne ist mittlerweile fest eingebaut und hier haben die Leute, die »im Hintergrund arbeiten« seit Jahren Besonderes geleistet. Wenn der Vorhang sich hebt, bewundert der Zuschauer zuerst das Bühnenbild. Doch die Leute, die dafür verantwortlich zeichnen, werden nie in den Beifall einbezogen. Ebensowenig die Beleuchter, die Schneiderinnen, der Souffleur. Ihnen soll zum silbernen Jubiläum einmal besonders Danke gesagt werden. In den ersten Jahren waren die Aufführungen der Laienspielschar gut besucht. Es gab Gastspiele in Stadtkyll, Steffeln, Wiesbaum; überallhin haben die Aktiven die Bühne und das ganze Spielzubehör in eigenen Fahrzeugen transportiert. Man tat das gern, für die Sache. Die Kasse wurde nicht prall davon. So weisen die Bücher des Vereins anfang der 60iger Jahre zum Beispiel ein Plus von 30 DM für eine Aufführung im Nachbarort aus. Junge Leute schütteln heute den Kopf, wenn sie das lesen. Es ist ihnen unbegreiflich, wie man für die Sache und ganz ohne Gewinn fröhlich vor sich hin schauspielerte. Davon können die »Alten« ein Lied singen!

Noch sieben Leute aus der Gründerzeit sind heute aktiv dabei. Die Proben leitete anfangs Anton Meyer, dann Josef Finken und seit 1972 Gerda Meyer. Die Spieler nennen sie anerkennend »ihren Regisseur«, aber da winkt sie ab und meint, die anderen müssen genauso da sein wie ich, sonst läuft nichts. Einmal im Jahr gibts eine Vorstellung in Schüller und in sechs Wochen steht das Stück von ungefähr zwei Stunden Aufführungsdauer.

Eine Jugendspielgruppe wurde 1984 ins Leben gerufen und noch im gleichen Jahr stellte sie sich vor. Der Titel: »Die Musterung in Niedertupfenhausen«. Viel Beifall gabs für die jungen Leute. Was sie im Jubiläumsjahr auf die Bühne stellen? Der Vorsitzende Dieter Wergern ist noch auf der Suche nach einem passenden Stück. Erfahrungsgemäß entscheidet sich der Vorstand erst im Spätherbst. Für Freunde der Laienspielschar bleibt die Jubiläumsvorstellung ein kleines Geheimnis. Nur eines steht fest, im Dezember geht sie »über die Bühne«.

Daß sich die jungen Leute sehr für die Gruppe und das Jugendheim engagieren und viele Arbeitsstunden hier investiert haben, möchte der Vorstand dankbar anerkannt wissen. Bescheidenheit ist eine lobenswerte Sache, aber die »Alten« haben sich genau so um ihr Haus und den Verein bemüht; das sei nicht übersehen. Die Laienspielschar hat im Ort den traditionellen Preismaskenball eingeführt, sie ist beim Altentag aktiv, stellt kleine Stücke für die älteren Mitbürger vor, gibt im Rahmen des Mögli-chen Spenden für die Gestaltung des Tages. Und der Nikolaus in Schüller, wo käme er her wenn nicht aus den Reihen der Laienspieler? Es gab schlimme Zeiten für den Verein im vergangenen Vierteljahrhundert. Das war zum Ende der 60iger Jahre, als in jedem Haus ein Fernsehgerät stand und der Blick in die Röhre so zwingend, daß kaum noch jemand eine Aufführung des Theaters im Ort besuchte. Damals hat man sich gefragt, ob der Fortbestand der Gruppe noch einen Sinn hat. Die Meinungen waren zwiespältig, die optimistische gewann schließlich die Oberhand. Man spielte weiter. Nach der Phase der leeren Stühle stellte sich in Schüller wie überall eine Fernsehmüdigkeit ein. Man wollte wieder von Angesicht zu Angesicht Gespieltes erleben. Vor allem junge Leute waren für LIVE-Vorstellungen und so begann die Zeit der Erneuerung für das örtliche Laientheater. Heute kommen Gäste oft 20 und 30 km weit angereist, um eine Aufführung in Schüller zu sehen. Der Kreis hat in den vergangenen Jahren für die Laienspielgruppen verschiedene Kurse in Schminktechnik angeboten, auch die wurden von zwei Aktiven besucht und man brachte so manche Anregung mit nach Hause. Wie es nun weiter geht im Theaterverein? Mit einem lachenden Auge sieht er, daß im Ort ein neues Gemeindehaus in Eigeninitiative der Bewohner erstellt wird, 1986 oder '87 soll es fertig sein. Da gibts natürlich eine Bühne für die Laienspielgruppe, Heizung, Umkleideräume erträumter Komfort.

Trotzdem meint man schon heute — und vor allem in den Reihen der Jugendlichen — daß mit dem Umzug in ein anderes, neues, schönes Haus etwas vom alten Charme verloren geht. Die Aktiven sitzen gefühlsmäßig zwischen den Stühlen und nichts paßt besser zur derzeitigen Einstellung der Mitglieder, als das alte Bild der zwei Masken, der lachenden und der weinenden; sie werden oft als Duo plakatiert und stehen im Grunde für die Aussage auf der Bühne, die Nachdenkliche, die Scherzhafte. - Uns bleibt, Glück zu wünschen, für kommende Jahre aktiven Tuns, für weitere Jahre im Dienste der Volkskunst.