Das Mutterherz

 

Es gibt auf Erden eine Stätte,

Wo du vergessen kannst dein Herzeleid;

Und wenn das Unglück auch gleich einer Kette

Heimtückisch an dein Leben sich gereiht.

An diesem Ort verstummen alle Leiden,

An diesem Ort verstummt der größte Schmerz.

Kennst du den Ort so vieler tausend Freuden?

Es ist das treue Mutterherz.

O glücklich! Wenn du noch zu diesem Orte

Im Leben deine Zuflucht nehmen kannst;

Du findest auf getan hier eine Pforte,

Wie nirgens du auf Erden sie sonst fandst.

Hier lege deine Sorgen nieder,

Dein Leid, das du empfunden allerorts,

Denn nichts kann dich so sehr beglücken wieder,

Als nur ein treues Mutterherz.

Denk nur, wie viele Sorgen du bereitest

Der Mutter schon von Jugend auf,

Und wie sie immerdar so treu geleitet

Mit ihrer Liebe deinen Lebenslauf.

Wie vielmal bist du undankbar gewesen,

Wie oft triebst du mit ihrer Liebe Scherz,

Doch längst schon war's vergeben und vergessen,

Noch eh du batest dieses Mutterherz.

Denk nur, wie sie in sorgenschweren Tagen

Dich keinen einz'gen Augenblick vergaß;

Wie sie dich stets im Herzen still getragen

Als höchstes Kleinod, das sie je besaß.

Und bötest du der Mutter Millionen

Für ihre Lieb' und Freud' und Schmerz,

Du könntest nimmer so belohnen

Ihr liebereiches Mutterherz.

Und kannst du nicht mehr zu der Mutter eilen,

Weil sie schon längst im Grabe ruht,

Dann mag der Himmel deine Wunden heilen,

Du hast verloren dann das größte Gut.

Gehst du zum Grabe hin mit deinen Schmerzen,

Weinst sie dort aus und blickest himmelwärts,

Wirst fühlen du: Das liebste aller Herzen

War doch das Mutterherz.

                              Karl Gustav Hammes (+), Pelm