Stephan Dohm zum Gedenken

Verdienter Pädagoge und Geologe der Heimat

Peter Horsch, Gerolstein

 

Der Eifelverein Gerolstein hat seine Mitglieder und die Bürger eingeladen, um dem großen Eifelsohn und berühmten Geologen Stephan Dohm, der vor 60 Jahren verstorben ist, ein ehrendes Gedenken zu widmen. Nur wenige der Anwesenden haben ihn noch persönlich in seinem reichhaltigen Arbeitsgebiet gekannt, wodurch seine Verdienste um sein Heimatstädtchen Gerolstein leicht geschmälert oder gar vergessen werden könnten.

Ich habe aus diesem Anlaß im Album der Vergangenheit geblättert und einiges aus seinem Leben aufgezeichnet, - alte Erinnerungen aufgefrischt und persönliche Erlebnisse mit ihm festgehalten. Er war vier Jahre lang - von 1913 bis 1917 - mein Lehrer. Oft hatte ich Gelegenheit, in Freizeiten und Ferien mit ihm seine Fossilien-Fundstellen aufzusuchen. Dabei habe ich manches aus seinem Forscherleben erfahren und mein Wissen in der Gesteinskunde bereichert.

Stephan Dohm stammte aus einer Duppacher Lehrerfamilie und wurde 1862 geboren. Nach dem Besuch von Volksschule, Gymnasium und des Lehrerseminars in Wittlich fand er 1884 Anstellung als Junglehrer in dem Eifelort Salm. In seiner Verbundenheit mit Heimat und Natur strebte er Gerolstein als neues Wirkungsziel und Wahlheimat an. Sein oft gesprochener Satz: »Im weiten deutschen Vaterland gibt es keinen Ort, wo auf so eng begrenztem Raum soviele Gesteins- und Bodenarten vorkommen, wie in Gerolstein«, hat ihn wohl dazu veranlaßt. Er hatte die Vorstellung, in dem für seine Begriffe »geologischen und botanischen Paradies« seine Kenntnisse wissenschaftlich zu vertiefen und ein zusätzliches Wirkungsfeld zu entfalten.

Seinem Wunsche entsprechend, erhielt er die Versetzung an die damals zweiklassige Gerolsteiner Schule. Hier übte er seinen pädagogischen Beruf von 1890 bis 1923, dem Tage seiner Ausweisung durch die französische Besatzungsmacht, mit großem Erfolg aus. Er wurde Hauptlehrer, Schulleiter und später Rektor dieser damals größten Schule des Kreises Daun.

In seiner Tätigkeit bemühte er sich zusätzlich, neben dem vorliegenden Lehrplan, seinen Schülern auch das Rüstzeug für das spätere Leben, zur Gründung von Beruf und Familie zu geben. Er war es auch, der hier die Fortbildungsschule - die Vorstufe der heutigen Berufsschule - gründete, um damit in seiner väterlichen Art jungen Menschen beim Aufbau einer Existenz behilflich zu sein. Der Weiterbildungslehrgang bestand aus einem freiwilligen und kostenfreien Abendunterricht von zwei mal zwei Stunden in der Woche.

Auch Kurse zur Lehrerweiterbildung wurden von ihm ins Leben gerufen und geleitet. Er war Mitglied von pädagogischen Prüfungsausschüssen. Weiter leitete er überörtlich noch den Lehrerchor des Kreises Daun.

In der hiesigen Pfarrkirche war er Leiter des Kirchenchores Cäcilia und zugleich Organtet. Im kommunalen Leben war Stephan Dohm vielfach arrangiert. Er war Mitglied des Gemeinderates und verschiedener Gremien. Verschiedenen gemeinnützigen Vereinen stand er beratend und leitend vor. Im Eifelverein pflegte er überwiegend die Heimatkunde. Stephan Dohm genoß wegen seines unermüdlichen Schaffens auf vielen Gebieten und wegen seiner pädagogischen Fähigkeiten Ruf und Ansehen. Er war durch sein bescheidenes, stets frohes Wesen bei seinen Schülern beliebt, von seinen Lehrerkollegen geschätzt und geachtet und galt allgemein als liebevoller Freund und Berater.

Neben dem angeführten pädagogischen Aufgabenkreis und den sozialen Nebentätigkeiten widmete er sich dem wissenschaftlichen Gebiet der Geologie. In schwierigem Selbststudium suchte er die vorzeitliche Lebewelt von Jahrmillionen zu ergründen.

Die Beschaffung des erforderlichen Lehrmaterials hierzu forderten von dem jungen Lehrer zusätzlich hohe finanzielle Aufwendungen. Gleichzeitig mit dem Studium nahm er die Forschung nach Fossilien im hiesigen Raum auf und ließ ihn auch bald die wichtigsten Fundstellen ausfindig machen. Nach und nach brachte er eine beachtliche Sammlung, zum Teil wertvoller und seltener Versteinerungen zu Tage. Bald stellten sich auch Interessenten ein - Professoren und Studierende, die ihr geologisches Wissen erweitern wollten.

Um diesen Kreisen einen vollständigeren Einblick in die Materie zu bieten, richtete er im Jahre 1902 in Zusammenarbeit mit dem Hotelier Matthias Heck in dessen Räumen das geognostische Eifelmuseum ein. Hier waren seine Funde in Gruppen und Klassen unterteilt und in Vitrinen übersichtlich eingeordnet. Das Museum war das einzige dieser Art in Westdeutschland, und es blieb einmalig über Jahrzehnte hinaus. Es gab den immer häufiger eintreffenden Fachwissenschaftlern und Studiengruppen eine vollständige Übersicht über die Fülle der Versteinerungen des Gerolsteiner Raumes. Später richtete er in seinem Hause eine Präparierwerkstatt ein, in der von ihm ausgebildete Fachkräfte den vorweltlichen versteinerten Lebewesen mehr Erhabenheit und Aussehen verliehen - und außerdem kleinere Reparaturen ausführten.

Der Name des Fossilienvaters ließ die Fachwissenschaft aufhorchen. Er genoß den Ruf eines profilierten, anerkannten Geologen. Seinen erstaunlichen und hervorragenden Leistungen im geologischen Sektor war eine Ausstrahlung verliehen, die ihren Urheber überdauerte. Viele Fachwissenschaftler, die Gerolstein aufsuchten, wollten die neuesten Forschungsergebnisse aus dem geologischen Paradies Gerolstein, wie unser Ort vielfach in diesen Kreisen bezeichnet wurde, aus dem berufenen Munde des erfahrenen Meisters hören.

Von den vielen Besuchern von deutschen und ausländischen Universitäten sind mir zwei Namen noch in Erinnerung: Professor Rauf aus Berlin und Professor Richter aus Frankfurt. Durch den Namen Dohm wurde Gerolstein in aller Welt berühmt. Beide Namen sind in der Fachwelt zu Begriffen geworden. Die besten Trilobitenpräparate der Welt stammen aus Gerolstein und präsentieren in Museen aller Erdteile diesen Namen. Eine Reihe von ihnen, wie auch Seelilien und einmalige Funde wurden nach dem Namen Dohm benannt. Diesen Weltruf verdankt Gerolstein den Verdiensten dieses einmaligen Heimatsohnes - dem Vorbild an Heimatliebe -, woraus auch heute noch viele Nutzen ziehen. Es gilt heute vielfach als selbstverständlich, daß Geologen aus aller Welt den Gerolsteiner Raum aufsuchen, ohne zu wissen, daß dieses in der Hauptsache dem Forsehen und Wirken von Stephan Dohm zu verdanken ist.

Jäh und tragisch endete das Leben und Wirken Dohms in Erfüllung seiner Vaterlandspflicht. Als Mitglied des Gemeinderates widersetzte er sich einer Forderung der Besatzungsbehörde. Er und sechs andere Ratsmitglieder wurden in der Gemeinderatssitzung verhaftet und ausgewiesen. Am nächsten Tag folgten die Familien ebenfalls. In seinem Verbannungsort Eiershausen verspürte er am eigenen Leibe den oft von ihm zitierten Satz: »Es gibt gar viel, was Herz und Äug ergötzte, doch nichts, was meine Heimat mir ersetzte.« Durch die Trennung von Heimat und Wirkungskreis wurde der stets starke Mann von Heimweh befallen, was sehr an seiner Gesundheit zehrte. Er wurde ein gebrochener Mann, der nur mehr einen Wunsch hatte -seine Heimat noch einmal zu sehen. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Zwei ehemalige Schüler brachten den schwerkranken Mann am 11. Februar 1924 nach Hause. Er sah seine Heimat und ging wenige Stunden später - am 12. Februar - für immer von uns. Seine Ruhestätte fand er auf dem Sarresdorfer Friedhof, am Fuße der von ihm so geliebten Dolomiten.

Der Schriftleiter des Eifelvereins, Rektor Zender, schrieb im Eifelkalender 1926: »Mit Stephan Dohm ist am 12. Februar 1924 ein verdienter Schulmann und Eifelforscher aus dem Leben geschieden, dessen Andenken im Eifellande nicht schwinden darf. Schule und Gemeinde verloren in ihm einen wackeren Erzieher und Berater, und die Lehrerschaft einen treuen selbstlosen Freund.:

Studiendirektor Rahm würdigte ihm ein 14 Strophen langes Gedicht, »Stephan Dohm zum Gedächtnis«, wovon ich drei Strophen anführe:

Du konntest fern nicht sterben

und ruhn in fernem Grab,

wenn auch die Todesschatten,

sich senkten schon herab,

Solange mußte weilen

Dein Geist, solange schlug

Dein Herz, bis man Dich wieder

. in Deine Heimat trug.

Wer seine Heimat liebte,

so deutsch und treu wie Du,

dem drückt auch nur die Heimat

die müden Augen zu.

Die Gerolsteiner Bevölkerung beklagte den schmerzlichen Verlust der verehrten und markanten Persönlichkeit. Die Stadt Gerolstein und der Eifelverein haben seine Verdienste nicht vergessen und errichten ihm jetzt im Gedenkjahr ein schlichtes aber würdiges Denkmal, als Symbol seiner Tätigkeit, was wegen Krieg und politisch beunruhigter Jahrzehnte erst jetzt möglich war. Das Andenken an Stephan Dohm darf nicht in Vergessenheit geraten.