Als Kölner in der Eifel

Wie man dazu kommt, die Eifel auch im Alter zu lieben

Hans Wilden, Köln

 

»Mich kriegt keiner mehr in die Eifel«. Das war so ein Spruch damals. Damals, das war im Winter 1939/40. Ich war Infanterist. Nur alte Leute wissen noch, das ist ein nicht motorisierter Soldat, der zur Fortbewegung nur seine Gehwerkzeuge hat. Als solcher war ich mit meiner Einheit in der Eifel, südlich der Vulkaneifel (eine mir damals unbekannte Bezeichnung).

Zu dem angeführten Ausspruch kam es, weil wir jede zweite Nacht eine Übung hatten. Vielleicht waren manchmal ein paar Tage mehr dazwischen, aber die Erinnerung ist so, als ob jede zweite Nacht marschiert wurde. Nachts über Eifelhöhen und durch Eifelniederungen. Nicht in der besten Jahreszeit.

Und der Wind pfeift und pfeift. Erst viel später begriff ich, warum man in der Vulkaneifel »Luft« dazu sagt. Nun, es ging damals viel hin und her. Südeifel, Nordeifel, an die Qur, an die Sauer. Immer rings um die Vulkaneifel. Und Pfingsten 1940 durch Trier nach Westen. Wenn man überlebt, ist alles mal Schnee von gestern. »Die Menschheit ist eine zähe Katze«, hat Thomas Mann gesagt. Nach der Geldreform begann die Motorisierung. Der Großstädter wollte heraus aus der Steinwüste, die nach dem Kriege wirklich eine Steinwüste war. Für uns begann es 1950 mit einem alten DKW (Holzkarosserie) Baujahr 1939. Wir fanden ein schönes Waldstück hinter Rheinbach, grobe Richtung Effelsberg (immer noch nicht Vulkaneifel), wo wir allsonntäglich hinfuhren und picknickten. Inzwischen waren zwei Söhne da und eine Oma. Dann kamen Freunde und es begann, wenn auch nahe der Straße, ein munteres Waldleben.

Die Motorisierung wurde immer stärker und das Wald- und Wiesenleben immer lebhafter. Die Jäger wurden wach. Und eines Tages hing ein Schild in unserem schönen Waldstück, das ein Betreten untersagte. Die Jagdherren kamen sogar persönlich und erklärten die furchtbaren Gefahren, die dem Wild drohten, durch unser unwaidmännisches Verhalten. Na, ja.

Langsam wurden uns auch die anderen Pkw etwas zuviel. Alle Wiesen und Wege besetzt. Ich sagte: »Wenn das so weiter geht, können wir auch im Kölner Stadtwald spazieren gehen«. Also verließen wir unser geliebtes Waldstück und fuhren etwas weiter. Etwas und etwas mehr. Erst hatten wir eine knappe Stunde für die Strecke Haus - Wald. Nun wurde die Strecke immer länger — auf der Suche nach der Waldeinsamkeit.

Michael Fietzek, Schützenstraße 5, Leudersdorf (Zeichenwettbewerb 14-18 Jahre) »Oberehe/Eifel«

Eines Tages kommt ein früherer Mitarbeiter und sagt: »Kommt doch zu uns«. Er hatte in einen kleinen Ort der Vulkaneifel geheiratet. »Das ist mir zu weit«, sagte ich. Mir schienen hundert Kilometer sehr viel zu sein. Damals waren das fast zwei Stunden Fahrt. Erst im Laufe vieler Jahre reduzierte sich die Zeit nach und nach auf eine Stunde.

Trotzdem kommt im April 1960 eine Karte, er habe etwas für uns. Wir rafften uns auf und fuhren am 1. Mai 1960 zum ersten Mal in den Ort, der dann für 24 Jahre unser Wochenend-, Ferien- und Dauerziel wurde.

Wir entschlossen uns schnell und fingen ganz einfach an. In einem sehr alten Haus (18. Jhd.) zwei Zimmer mit Nebenräumen. Alles krumm, schief und bucklig. Wände wie aus dem Lehm-Lehrbuch. Kleine Fenster, von Freunden als Schießscharten bezeichnet. Aber alles sehr strapazierfähig, vor allem für Kinder. Ich sagte:

»Müssen wir alles hell streichen«. Erste eigene Tapezierversuche. Sehr intelligent: Streifentapete ausgesucht. Wäre einfacher zu tapezieren, meinte ich. Man hört die Hühner lachen. Aber es wurde hell und gemütlich dazu.

Winters fror das Wasser ein und was einmal eingefroren war, taute erst im Frühjahr wieder auf. Bis dahin gabs Wasser nur im Keller über Hühnerleiter. Es war alles etwas provisorisch und Provisorien dauern bekanntlich ziemlich lange.

Bei uns wurden elf Jahre daraus. Dann war der erste Umzug fällig. Nach weiteren sieben Jahren folgte ein zweiter Umzug. Immer im gleichen Ort. Jedes Mal erhöhten sich Komfort und Miete. Bis alles so ideal war, daß wir es uns im Alter nicht mehr leisten können.

Aber die Verbindungen bleiben und die Erinnerungen an schöne, meist durchsonnte Jahre. Mit Klima und Temperatur wurden wir inzwischen besser fertig als die Einheimischen. Abgehärtet wie wir uns hatten.