Hausmarken als Familienwappen

Beurkundungen erfolgten früher mit dem »Hausmirk«

Wilhelm Peters +, 1892 - 1928 Lehrer in Oberstadtfeld

 

Die Kunst des Schreibens ist zwar alt, aber die Zeiten, da sie von jedermann erlernt und geübt wurden, liegen noch nicht so ferne. Unsere Heimat befand sich dereinst in dem Bildungsgrade, in dem der Name einer Person noch nicht durch die Schrift von und für jedermann dargestellt werden konnte. Jede Person bedarf aber eines einfachen Zeichens, welches sie vertritt, zu mancherlei Zwecken; denn sie muß sich bald bezeichnen als Vollzieher eines Willensaktes, bald als Urheber eines Werkes, bald als Herr einer Sache. Während wir z. B. unsere Habe mit unserem Namen oder doch wenigstens mit den Anfangsbuchstaben desselben kennzeichen, tat dieses der Ureinwohner von Oberstadtfeld, dem die Kunst, seinen Namen durch die Schrift darzustellen, unbekannt war, durch ein eigenes Zeichen, das kein anderer Mann des Dorfes, ja nicht einmal sein erwachsener Sohn ohne irgend einen Beistrich anwenden durfte. Da nun die Bewohner von Oberstadtfeld streng am Althergebrachten festhalten, so sind diese Zeichen, gleichsam Familienwappen geworden, noch heute in Anwendung.

Wir finden diese Familienwappen, die den Namen »Haus- und Hof marken« führen, an den Grenzen der Felder und Wiesen eingeritzt, auf allen Werkzeugen, auf dem Sacke, der zur Mühle gebracht wird, auf manchen Türen und Toren des Hauses, auf dem Pflaster des Hofes, überhaupt dort, wo man den Namen hinsetzt. Der »Hausmirk« steht auf manchen Urkunden als Unterschrift. Dafür legen die Urkundensammlungen der Pfarrei und der Bürgermeisterei in Niederstadtfeld Zeugnis ab. Eine Schuldurkunde aus dem Jahre 1734, aufbewahrt im Pfarrarchiv in Niederstadtfeld, trägt die Hauszeichen von 30 Bürgern aus Ober- und Niederstadtfeld. Sogar der damalige »Borgemester« Niklas Gitzen ist des »Schreibens unerfahren« und bekennt sich durch Hinmalen seines Haus-mirks als Analphabet. Den Anfertiger der Schuldurkunde hatte man sich von Daun kommen lassen. Am 3. Oktober 1760 erschien der Freiherr Joseph von Zandt von Burg Lissingen zur Einholung landesherrlicher Hoheit in Ne-roth. Der feierliche Vorgang wurde zu Protokoll genommen, in das Schöffenbuch eingetragen und von dem Freiherrn, den Geistlichen und den Schöffen unterschrieben. Von letzteren konnte jedoch nur Joannes Schmitt seinen Namen schreiben. »Die anderen setzen ihr »Hausmirk«:

Vor dem Jahre 1685 wurden die Familienakten nur vom Pfarrer der Gemeinde eingeschrieben. Seit dem Jahre 1685 mußten mit dem Pfarrer auch Zeugen unterschreiben. Eine diesbezügliche Notiz lautet: »Auf königlich-franz. Befehl bei Straf von 250 Gulden ist verordnet worden, daß bei Leichen, Hochzeiten und Kindtaufen die Eltern und Pfettern oder andere an deren Statt als Zeugen selbt unterschreiben oder das Hofzeichen zu ihrem Namen machen sollen, so sie des Schreibens unerfahren«.

Der Gebrauch der Hauszeichen ist ein Merkmal germanischer Abstammung. Die Hofmarken sind bekannt bei den Isländern, in der Schweiz und bei den Engländern. Im Regierungsbezirke Trier finden und fanden sie Anwendung in der Eifel, im Trierischen Hochwald, an der Mosel und selbst in der Stadt Trier. Es sind Hausmarken bekannt von Oberstadtfeld, Niederstadtfeld, Deudesfeld, Wallenborn, Neroth, Uedersdorf, Daun, Mückeln, Niederöfflingen, Oberzerf, Greimerath, Irsch, Serrig, Mastershausen, Schweineschied.

In Oberstadtfeld wurden früher wie an anderen Orten Säckchen mit den Hauszeichen beim Ortsvorsteher aufbewahrt. Beim Verteilen des Losholzes nahm ein Knabe aus dem Säckchen die Stäbchen mit den Hausmarken, während ein anderer Knabe aus einem zweiten Säckchen die Holznummern zog.

Betrachten wir nun die äußere Gestalt der Hauszeichen! Die älteste Herstellung der Zeichen dürfen wir uns als ein Hauen, Schneiden, Ritzen und Reißen in Bäumen, Pfähle, Balken,

Steine, Hörner u. dergl. denken. Das einfachste und zugänglichste Zeichen ist die gerade Linie. Sie kann in den verschiedensten Richtungen einfach und zusammengesetzt, ohne alle Kunst und Mühe durch die primitivsten Werkzeuge einer Sache aufgetragen, eingeritzt und aufgeprägt werden. Der senkrechte Strich geht dem schrägen voran, dieser wieder dem waagerechten. Zuletzt steht wohl die geschwungene Linie oder der Kreis.

 Es liegt klar auf der Hand, daß derjenige, der sich eine Marke suchte, sich gern an ein Vorbild anlehnte. Einen solchen Stützpunkt boten die Runen, falls dieselben bekannt waren. So stand namentlich in Skandinavien die Runenschrift seit dem 8. Jahrhundert auf zahlreichen und ehrwürdigen Denkmälern vor jedermanns Augen. Ihr Gebrauch hat in Schweden bis ins 17. Jahrhundert gedauert und selbst ein im Jahre 1841 für das Volk gedruckter Kalender nimmt noch die Runen mit ihren Namen und ihrer Bedeutung auf. Es ist deshalb auch erklärlich, wenn der größte Teil der Hausmarken, die sich in Schweden finden, Runen sind. Aber auch in unserer Gegend zeigt sich eine große Ähnlichkeit, ja eine vollständige Übereinstimmung der Hauszeichen mit den Runen; denn kaum fände sich in den verschiedenen Runenalphabeten eine Form, die nicht als Hausmarke auftritt. Zur Vergleichung mag hier das gebräuchliche Runenalphabet hingesetzt werden. Wir ziehen den Schluß: Die Runenform hat einzelnen Hausmarken zum Vorbilde gedient. Manche der komplizierten Hausmarken sehen den sogenannten Binderunen ähnlich. Diese letzteren bestehen darin, daß man sämtliche Buchstaben eines Wortes zu einem Zeichen verschlingt. Wollte ich meinen Namen (Peters) durch eine Binderune schreiben, so entstände etwa das Zeichen

Dasselbe könnte manchem Hauszeichen zur Seite stehen.

Die hier gekürzt wiedergegebene Arbeit meines Großvaters ist selbst schon ein Stück (Kultur-) Geschichte des Kreises Daun. Sie liegt in fünf Fassungen vor

1 als Stoffsammlung und Entwurf,

2 als Vortragsausarbeitung (1924),

3 als Kapital 4 im »Heimatbuch der Schule zu Oberstadtfeld« (Herbst 1925),

4 als Manuskript für den Druck und

5 als Artikel im Eifelvereinsblatt Nr. 12/1925

Die hier gegebene Zusammenstellung der Hausmarken aus Oberstadtfeld ist dem »Heimatbuch« entnommen, das Runenalphabet der Vortragsausarbeitung.

Der Vortrag wurde arn 28. 11. 1924 auf der Herbsthauptversammlung der Ortsgruppe Daun des Eifelvereins gehalten. Von dieser Versammlung des »Dauner Verschönerung s Vereins« berichtet die Eifel-Zeitung am 24. 11. 1924 und verspricht, über den Vortrag näheres folgen zu lassen. Das geschieht in der Ausgabe vom 2. Dezember 1924. Mehr als eine Spalte ihres dreispaltigen Formates widmet sie einer detailierten Inhaltsangabe des Vertrages und kündigt an, die Arbeit ungekürzt in der Beilage »Eiflia« zu bringen. Der Artikel erscheint dann jedoch im Eifelvereinsblatt Nr. 12/1925.

Wie der Vortrag scheint dann auch der Artikel auf großes Interesse gestoßen zu sein. So gibt es eine Reihe von Zuschriften von St. Vith (Apotheker Dr. Schütz) über Opladen (Chemiker Jul. Marx) bis Oberbayern (Frau Maria Volmar, geb. Wallenborn (!), »stammend von Kyllburg«) mit Bitten um Hilfestellung bei Aufschlüsselung von Hausund Siegelmarken der Brief seh reibe r.

Alle Fassungen, die erwähnten Briefe und das »Heimatbuch der Schule zu Oberstadtfeld« befinden sich in Familienbesitz. Prof. Dr. Wilhelm S. Peters, 5205 St. Augustin 1, Am Dachsbau 18