Freude des Wiedersehens

Aus dem Schutt geborgen im Nachkriegs jähr 1946

Batti Dohm t, Gerolstein

 

Heute feiere ich ein Wiedersehen. Wir räumen den Schutt aus dem Haus, der stellenweise höher als ein Meter liegt. Wenn ich sage «wir «, so stimmt das nicht ganz, denn ich selbst bin nicht bei der Arbeit, auf die ich mich länger als ein Jahr gefreut habe. Ich gehe nur ab und zu hinauf, um zu sehen, was sie schaffen, die Jungs.

Vor einigen Tagen sagte ich: »Paßt doch mal auf, ob ihr nicht einen Kerzenleuchter findet. Er muß erhalten geblieben sein, denn er ist aus Kupfer getrieben.« Sie nickten mir zu, die Jungen. Und jedes Mal, wenn ich komme, sag ich das mit dem Aufpassen und so. Na ja, ich weiß, blöd, immer dasselbe zu sagen! Aber mir ist jedesmal, wenn ich durch ein's der Fensterlöcher steige - der Hauseingang liegt noch voll Schutt - als riefe mich eine Stimme, als sei da jemand verschüttet, als warte irgend etwas auf mich.

Zwei, drei Tage sage ich meinen Spruch. Und sie nicken mir, wie ich meine, jeden Tag mitleidiger zu. Da sage ich natürlich nichts mehr. Aber mit einem verkohlten Holzscheit kratze ich selbst im Mauerschutt herum oder verfolge jeden Schaufelwurf. Da sagen sie: »von einem Leuchter war noch nichts zu sehen.« Ich aber bleibe hartnäckig: Trotzdem muß er da sein!« Heut nun - ich habe mich gerade durch die Fensterhöhle geschwungen - ruft Plein: »Sehen Sie mal - ist er das?« Und zeigt auf eine Mauernische. Wirklich! Da steht er! Ich nehme ihn in die Hand.

»Wunderbar!« sag' ich, »hab ich's euch nicht gesagt?« Mein Leuchter! Malachitgrün überzieht ihn die Patina und gibt ihm eine Schönheit, die nur von uralten, aztektischen Kultgefäßen übertroffen werden kann. Lang halte ich ihn in der Hand und überlasse mich dem eigenartigen Erleben dieses Wiedersehens. Ausgrabungen und Forschungen waren ehemals mein Tagewerk, mein Beruf. Und wie oft kam ich zu meinen Helfern, und sie zeigten mir, was sie gefunden. - So hielt ich da oben auf der Hustley eine Silbermünze Heliogabals in der Hand, es war während der großen Arbeitslosigkeit nach dem ersten Weltkrieg, und Mein und Jupp schürften damals für mich im Tempelschutt der heiligen Mütter.

Jeden Sommer schenkte mir die heimische Erde Kostbarkeiten, viele Jahre! Aber das alles, es war doch anders, wohl war es auch Freude Sammlergenugtuung und Sammlerstolz...

Aber heut, war es etwas, das ging keine Wissenschaft, keine Sammlung, keine Forschung und keinen Stolz an.

Heut ging es einzig und allein um meine Seele. Ich fand meinen Kameraden aus dem Einst, dessen Licht liebkosend meine Räume durchflutete, der mir Traulichkeit und Helle spendete, wenn die elektrischen Birnen zitternd und zuk-kend erlöschten, mit dem ich in den Keller hinunter lief, wenn der fliegende Tod in der Nacht über uns raste. Ich fand einen Teil meines alten Lebens, einen Einzigen als Überlebenden der vielen Großangriffe, der Brände, der Granaten, die mein Haus zerstört und verwüstet haben.

Alles, was ich früher fand, und war es noch so kostbar und rar, es hatte keine Beziehung zu mir persönlich. Hab ich nicht recht, eine kleine Wiedersehensfeier zu halten, ganz allein mit meinem Leuchter, auch wenn ich noch keine Kerze für ihn habe?

Lieber, lieber Leuchter!

Andreas Luxem, Jünkerath (Zeichenwettbewerb über 18 Jahre) »Bahnhof Jünkerath«