Das Koppermännchen

Aus dem Sagenschatz der Eifel

Wilhelm Peters (+), Oberstadtfeld

 

Zwischen Neroth und Oberstadtfeld liegen am linken Ufer der Kleinen Kyll zwei mächtige Bergriesen. Zwei Brüder sind es, auf gleiche Weise durch den Kampf zwischen Feuer und Wasser entstanden. Doch sind sie in ihrem Äußeren sehr verschieden. Während der eine kahl dasteht, als habe er sein Käppiein abgezogen aus Ehrfurcht vor dem Bruder, ist der andere der Nerother Kopf, mit schönem Buchenwald bewachsen und trägt auf seinem Haupt eine Burgruine gleich einer zerbrochenen Krone, die Neroburg.

Die Sage erzählt, daß der Kaiser Nero, müde von vielem Blutvergießen, sich in die Einsamkeit zurückgezogen, und um mit seinem bösen Gewissen allein zu sein, auf dem Nerother Kopf ein Jagdschloß erbaut habe. Ein gleiches Schloß legte er dann zwischen Alf und Lieser an, die Altburg, beide verband er mit einem unterirdischen Gang.

Aber Blut mußte der Tyrann noch immer sehen, und er, der sich oft an den Martern der Christen ergötzt hatte, weidete sich jetzt am brechenden Blick der sterbenden Tiere. Nimmer konnte er Ruhe finden, und unter den schrecklichsten Gewissensbissen gab er seinen ruhlosen Geist auf. Im Munde des Volkes aber lebt der Wüterich fort als der wilde Jäger, als das »Koppermännchen«!

»Auf dem Nerother Kopp,

Da sitzt der Teufel drob,

Und fährt unter der Erde durch

Bis in die Altburg.«

Rabenschwarze Winternacht! Kein Sternenschimmer durchdringt die Finsternis. Die Stürme heulen unheimlich um die Burgruinen auf dem Nerother Kopf. Die dürren Äste der Buchen ächzen und stöhnen wie sterbende Menschen. Die Eule läßt ihr unheimliches Geschrei hören. Steine lösen sich von der morschen Mauer und torkeln polternd den Berg hinab. Ängstlich schaut der einsame Wanderer am Kreuzbach den Berg hinauf, denn heute treibt das Koppermännchen gewiß seinen Spuk. Und horch! Geschrei, Winseln, Peitschengeknall und Hundegekläff! Es naht die wilde Jagd. Voran der Wüterich auf achtbeinigem Rosse, bleich das Gesicht, wirr das Haar und feurig die Augen, angetan mit bleischwerem, grauen Mantel, und:

»Grüne Flammen grell sich ranken

Von des Tieres mächtigen Flanken,

Die der Reiter voller Härte

Quält mit blutgefärbter Gerte«.

Hinter ihm eine fürchterliche Schar: Männer, die den Kopf unter dem Arme und die Beine auf den Schultern tragen... Wer sollte da nicht Grausen empfinden? Das schützende Dach eines Hauses kann der Wanderer nicht mehr erreichen. Er wirft sich deshalb zur Erde nieder, und über ihn tost mit wildem Gekrächze und Gejohle die unholde Schar. Schweißtriefend langt er endlich zu Hause an und erzählt seinen Lieben das Abenteuer. Mit offenem Munde lauschen die Kleinen der Erzählung des Vaters und nehmen sich vor, dem strengen Gebot der Mutter, die Ruinen nicht mehr zu betreten, treulich zu folgen. Solange liegen sie dann noch wach in ihren Bettchen, die Decken über den Kopf gezogen, damit sie das Heulen des Windes nicht hören. Aber selbst in ihren Träumen treibt das Koppermännchen noch immer seinen Spuk.

Wilhelm Peters war 1892 - 1928 Lehrer in Oberstadtfeld. Der hier wiedergegebene Artikel stammt aus dem 1925 angelegten »Heimatbuch der Schule zu Oberstadtfeld«. Das Original befindet sich in Familienbesitz. (Prof. Dr. Wilhelm S. Peters, 5205 St. Augustin 1, Am Dachsbau 18).