Kultstätte Gerolsteins saniert

Der keltisch-römische Tempelbezirk »Judenkirchhof«

Wilhelm Sprute, Gerolstein

 

Im 9. - 6. Jahrhundert vor Christus strömten die Kelten, aus dem nordöstlichen Europa kommend, über den süddeutschen Raum nach West- und Mitteleuropa. Sie siedelten auch in unserem Gebiet, bildeten nur lose zusammenhängende Stämme, vertrugen sich gut mit den Urbewohnern und vermischten sich rasch mit ihnen und auch später mit den neuen Besetzern, den Römern und Franken. Da sie das hiesige Gebiet nicht verlassen haben, können sie als Vorfahren der Eifelbevölkerung angesehen werden.

Geistig und künstlerisch hochbegabt zeichneten sie sich besonders aus durch ihr ernstes, stilles, konservatives, tief religiöses und besinnliches Wesen, aber auch durch ihre plötzliche hervorbrechende Erregbarkeit und Härte. Caesar berichtet auch, daß die Kelten keine Sklaven und keine Todesstrafe kannten.

Die Sieldungsanlagen lassen sich heute nur noch schwer nachweisen, da die Bauweise der Kelten in einer Holzkonstruktion bestand. Im Raum Gerolstein kennen wir den Keltenring auf der 617m hohen Dietzenley. Es war eine Fliehburg mit den Ausmaßen von rd. 240 m Länge und 80 m Breite auf einem steilen Basaltfelsen. Die Römer, die unseren Raum um 50 vor Christus eroberten, bezeichneten die Kelten als Gallier. Von den Römern übernahmen die Kelten den Steinbau, das Kalkbrennen und die Mörtelbereitung. In dieser Steinbauweise finden wir auf der rechten Talseite der Kyll, oberhalb der Hustleyfelsen die keltisch-römische Tempelanlage, genannt »Judenkirchhof«. Der Römer Marcus Victorius Pollentinus ließ hier im Jahre 124 nach Christus eine Tempelanlage zu Ehren der keltischen Göttin »Caiva« errichten. Die Kelten verehrten Schutzpatroninnen - Heilige Mütter -, denen sie die Gesundheit der Familie, ihren Besitz, Haus, Vieh, Acker und Ernte zum überirdischen Schutz anvertrauten. Die Verehrungsstätten umgaben sie mit Schutzhecken, dem Heiligen Haag - später auch mit einer Steinmauer.

Um 500 nach Christus fielen fränkische Stämme in unser Gebiet ein. Sie zerstörten die Heidnischen Tempel, stahlen die Tempelschätze und zerstreuten die geopferten Münzen.

Ein 1833 aufgefundener Einweihungsstein, der im Landesmuseum Trier aufbewahrt wird, gibt Auskunft über die Gründung dieser gallo-römischen Kultstätte. Daraufhin erfolgten 1833 und 1854 die ersten Ausgrabungen, die sich zunächst nur auf Teilabschnitte und vorhandene Schuttkegel beschränkten und auf die Erfassung der noch vorhandenen Mauern. Von 1926 -1929 legte das Landesmuseum in Trier durch Oberflächenschürfungen die vorhandenen Mauerzüge in ihrem Verlauf fest und begann mit der Freilegung der Tempelbezirke C, D und F. Nach den »Trierer Berichten« von 1926 -1929 wurden erfaßt: eine Umfassungsmauer und im ummauerten Bezirk der Umgangstempel der Göttin Caiva (F), das Hauptgebäude (A) und nordöstlich davon ein stark zerstörtes Tempelchen (E), in der Südecke ein quadratischer Bau (C) und daran anschließend ein Bau (D) - siehe Skizze.

Gefunden wurden 1927 = 34 Münzen von Augustus bis Gratian, 1928 = 20 Münzen von Gallienus bis Gratian, eine Mercurstatuette aus weißem Ton, mehrere Fibeln, Armbänder und viele Scherben.

Im Jahresbericht von 1928 heißt es weiter: »Man verspürt sehr deutlich die abräumende Tätigkeit der Püppchensucher (Püppchen = geopferte Tonfiguren 10 cm hoch), welche die Sommerfrischler mit Altertümern versorgten.1930 sollen die Ausgrabungsarbeiten eingestellt worden sein. Im »Trierer Bericht« von 1933 heißt es; »die lange Unterbrechung, die die Ausgrabung auf dem sogenannten Judenkirchhof bei Gerolstein hat erfahren müssen, hat sich insofern ungünstig ausgewirkt, als in der Zwischenzeit das Grabungsgelände von den Altertumsfreunden der Gegend durch Absuchen nach Fundstücken weitgehend ausgebeutet worden ist.« Der Judenkirchhof fand dann kaum noch Beachtung, außer von einigen Raubgräbern, die das Gelände wild durchwühlten.

Eine Teilfläche wurde auf Wunsch des Landesmuseums vor ca. 25 Jahren mit Kiefern aufgeforstet, um die Grabungen zu verhüten. Leider dauerte der Erfolg nur wenige Jahre; nachdem aber die Pflanzen Sichtschutz boten, fing das wilde Graben wieder an.

Der Gerolsteiner Eifelverein befürchtete die völlige Zerstörung der Anlage. Daher führte der Eifelvereinsvorsitzende 1971 mit dem damaligen Leiter des Landesmuseums, Dr. Schindler, Gespräche über den Schutz der Anlage. Der Wille zur Erhaltung der Tempelanlage bestand, jedoch konnte nichts unternommen werden, da zu dieser Zeit viele dringlichere Arbeiten in der Stadt Trier anstanden.

Der Eifelverein wollte schon damals das Altmauerwerk freilegen, instandsetzen, ca. 1 m hochmauern und die Mauerkronen witterungsfest absichern. Im Februar 1985 fand eine erneute Besprechung mit dem jetzigen Leiter des Landesmuseums in Trier, Ltd. Museums-Direk-tor Dr. Cüppers statt, die folgende Lösung brachte:

Der Eifelverein führt auf eigene Kosten eine Einfriedung und anschließend die Grabungsund Sicherungsarbeiten aus, das Landesmuseum behält die fachliche Leitung, der Eifelverein legt alle Fundstücke dem Landesmuseum zur Begutachtung vor und stellt sie dann dem Altertumsmuseum in Gerolstein zur Verfügung. Damit soll ein sinnvoller Schutz des Ruinen-Baubestandes erwirkt werden. Die rekonstruierten Grundmauern sollen dem interessierten Besucher eine möglichst genaue Vorstellung einer gallo-römischen Tempelanlage vermitteln.

Lageplan des Judenfriedhofes Gerolstein

Der Judenfriedhof Gerolstein

Foto: Sprute

Ende Mai 1985 zäunte der Eifelverein das Gelände ein und begann mit den Ausgrabungen am Umgangstempel der Keltengöttin Caiva (F). Die Bodenoberfläche, die keinen Anhalt für den Verlauf der Mauern erkennen ließ, bedeckte das Fundament 30 bis 50 cm. Das Mauerwerk war teilweise durch wilde Grabungen vollkommen zerstört. Die freigelegten Grundmauern wurden vom Landesmuseum aufgenommen und anschließend auf ca. 1 m hochgemauert und witterungsbeständig abgedeckt. Freiwillige Helfer des Eifelvereins leisteten im Jahr 1985 rund 1 000 Arbeitsstunden ab. Die Kreisverwaltung unterstützte durch die Gestellung aller Materialien für den Zaun.

Für das kommende Jahr ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) geplant, um die Bauten A, D und C freizulegen und zu sanieren. Ferner soll das ganze Gelände nach vermutlich weiteren Bauten abgesucht werden.

Die gallo-(keltisch)-römische Kultstätte wird viele Besucher anziehen. Ihre besondere Bedeutung erhält sie durch ihre Lage an einem Hauptwanderweg des Eifelvereins, dem Vulkanweg, der in Gerolstein endet. Sein letztes Stück stellt eine sowohl siedlungs- als auch erdgeschichtlich interessante Wanderstrecke dar. Beginnend in Pelm mit einem fränkischen Gräberfeld aus dem 5. Jahrhundert nach Christus, führt sie vorbei an der Kasselburg aus dem 12. Jahrundert, zur gallo-römischen Kult-Stätte »Judenkirchhof« aus dem 2. Jh. n. Chr., zum Papenkaulkrater und zur Hagelskaule aus der Zeit um 10 000 v. Chr., weiter zur Wohnhöhle »Buchenloch« aus der Zeit um 30 000 v. Chr. und über das Dolomit-Korallenriff (Munterley) mit seiner versteinerten Flora und Fauna-ca. 300 Millionen Jahre alt - nach Gerolstein. Die Eifelvereinsortsgruppe Gerolstein glaubt durch die Restaurierung der gallo-römischen Kultstätte »Judenkirchhof« die Anlage künftig gesichert und einen erfreulichen Beitrag zur Hebung des Fremdenverkehrs geleistet zu haben.

Eine klare Herleitung für den Namen »Judenkirchhof« gibt es nicht. Eine Deutung geht davon aus, daß das Wort »Juden« auf mundartlich »Jodden« und hochdeutsch auf »Gote« = Taufpatin, Schutzpatronin, zurückgeht. Eine andere Deutung geht dahin, daß im 5./6. Jahrhundert alle Bewohner unseres Raumes, die nicht Christen waren, mit »Heiden« bzw. »Juden« bezeichnet wurden.

Die christlichen Kirchen waren in früheren Zeiten meist vom Kirchhof umgeben. So übertrug man diese Bezeichnung auch auf den Bereich des keltisch-römischen Heiligtumes.

Literatur: Dr. Dohm: Gerolstein in der Vulkaneifel, 3. Auflage 1975 Dr. P. Steiner: Berichte über den Judenkirchhof in den Trierer Berichten 1926- 1929 und 1933

Dr. Robert Pfaff-Giesberg: Keltische Renaissance (Trierischen Volksfreund 5. 11. 1978).