Theodor Schreiner, ein Üdersdorfer

Reminiszenzen aus dem Leben seiner Familie   

August Meyer, Daun

 

Am 28. April 1755 heiratete die 25jährige Anna Katharina Clausen aus Üdersdorf den aus Gemünden stammenden Theodor Schreiner. Die Hochzeit verlief still und einfach. Eine frohe Stimmung konnte gar nicht erst aufkommen. Schuld daran waren nicht die beiden Brautleute oder deren Verwandte - nein, alle sahen diese Verbindung gerne. Schuld daran war der schlimme Tod, der drei Tage zuvor den Vater der Braut, den Schultheißen Christian Clausen aus diesem Leben abberufen hatte. Vorgestern hatten sie ihn zu Grabe getragen. Mit der Mutter hatten sie überlegt, ob sie die Vermählung verschieben sollten, aber diese hatte gesagt:« Du, Katharina, und Deine drei jüngeren Schwestern und ich - wir können all die Arbeit, die in unserm Bauernhaushalt anfällt, nicht alleine erledigen. Dein Bruder Peter kann seine Frau und den Betrieb in Laufeld nicht liegen lassen.

Es muß ein Mann ins Haus und Theodor ist der Richtige. Es war ja auch alles schon ausgemacht und festgelegt. Dein Vater wäre der Letzte, der wollte, daß jetzt davon abgegangen würde. Es bleibt bei der Hochzeit.«

Und so fand die Hochzeit statt. Als sich das erste Kind einstellte, erhielt es den Namen der Üdersdorfer Oma: Anna Margareta. Gutem Brauch folgend, hatte das junge Paar die überlebenden Großeltern als Paten gebeten. Der Gemündener Opa Johann Adam mußte sich allerdings von einem seiner Söhne, Hubert, vertreten lassen.

Noch vier weitere Kinder gebar Anna Katharina und alle gediehen prächtig. Ein Onkel der Mutter, Pastor in Dollendorf, war einmal Pate, vertreten durch den Dauner Kaplan Faymonville. Ein ander Mal vertrat Hubert Schreiner den Matthias Herebrand aus Hillesheim. Der Onkel Johann Georg Burggraf kam aus Dorf um ein Kind aus der Taufe zu heben. Als Patinnen gesellten sich jeweils die jüngeren Schwestern Clausen oder eine Schreiner aus Gemünden dazu. Im Februar 1766 vermerkte das Taufbuch, daß der jüngste Sproß Johann Matthias in der Kapelle zu Üdersdorf »solenniter« - also festlich - getauft worden sei. Ein solcher Eintrag findet sich sehr selten, so daß man davon ausgehen darf, daß Familie Schreiner von einem besonderen Anlaß bewegt wurde. Sei es, daß sie Dankbarkeit zeigen wollte für das bisherige Wohlergehen - sei es, daß sie der Geburt des 4. Sohnes besondere Bedeutung beimaßen - oder daß sie sich im Dorf hervortun, also angeben wollten.

Zwei Jahre später starb Anna Katharina Schreiner geborene Clausen. Man kann annehmen, daß sie eine erneut bevorstehende Geburt nicht überlebte, obwohl weder Sterbe-noch Taufregister darüber Auskunft geben. Doch wurde nach damaligem Brauch nur das geborene und getaufte Kind in diese Register eingetragen, dagegen blieb eine Totgeburt meist unerwähnt. Beim Ehepaar Schreiner hatte sich alle zwei Jahre in der Zeit von 55 bis 1766 ein Kind eingestellt, so daß obige Vermutung nahe liegt.

Theodor Schreiner blieb nicht lange Witwer. Er heiratete eine Tochter des hochangesehenen Hilarius Willems, der sich für die Belange der Gemeinde als Vorsteher - wie man damals die Gemeinderäte nannte - eingesetzt hatte und noch einsetzte. Die Heirat mit der 35jährigen Anna Maria hat interessanterweise keinen Eingang in das Heiratsregister gefunden, obwohl doch beide aus der Pfarrei Daun, zu der Üdersdorf gehörte, stammten. Ob sie sich auswärts trauen ließen? Auch das hätte ins Register gehört! Wahrscheinlich ist der Eintrag ganz simpel vergessen worden.

Aus dieser neuen Ehe gingen neun Kinder hervor, so daß Theodor Schreiner der Vater von 14 Kindern wurde. Aber so gesund und kräftig die Kinder aus der ersten Ehe waren, so kränklich und schwächlich waren die aus der zweiten. Als 1786 das letzte Kind Susanne geboren wurde, lebten nur insgesamt drei von den neun. Die anderen hatten allesamt kein Alter von sechs Lebensjahren erreicht.

Die Mutter Anna Maria Willems überlebte die kleine Susanne nur um ein Vierteljahr. Dann war Theodor Schreiner erneut Witwer und blieb es bis zum Tode.

Die Paten der Kinder kamen naturgemäß aus der großen Familie Willems, aber auch M. Anna Clausen, die mit im Hause lebte, gab gerne ihren Namen einer Tochter der neuen Hausfrau.

1775 ließen sie einen Sohn mit Freude auf den Namen Johann Adam taufen. Der Pate war ein Neffe des Vaters und stammte aus Boverath. Jetzt war er als junger Geistlicher Kaplan in Daun und zuständig für die Betreuung der Üdersdorfer. Auf ihn war die Familie Schreiner besonders stolz. Er wurde der erste Vikar und 1803 der erste Pfarrer der neu errichteten Pfarrei Üdersdorf. 1779 war der Brokscheider Pastor Hubert Pflimpen bereit, seinen Namen einem Sohn der Eheleute Schreiner zu geben. - Hier sei zwischenbemerkt, daß damals alle Kinder bei der Taufe den Namen der Patin oder des Paten erhielten, so sicher wie sie bei der Geburt den Namen der Familie empfingen.

Die Schultheißen von Daun, J. Heinrich Bersin und Steinborn, Christian Müller, wurden vom Schultheißen Schreiner als Pate gebeten und erfüllten den Wunsch. Zwei Paten aber müssen besonders erwähnt werden, weil sie im Leben der Familie eine besondere Rolle spielen: Johann Adam Willems und Nikolaus Klasen. Wil-lems hatte mit der zweiten Frau Schreiner kein engeres Verwandtschaftsverhältnis, wie der Familienname nahelegen könnte. Er hatte um 1771 die jüngste Schwester der ersten Frau Schreiner, Anna Margaretha Clausen, geheiratet. Die Heirat findet sich ebenfalls nicht im Register. Diese brachte dem Willems das Recht auf einen Teil des Erbvermögens der Familie Clausen. Die Mutter A. Margareta war im Jahre 1769 verstorben. Die ledige Schwester Maria verließ später das elterliche Haus und zog zu Willems - anscheinend ging sie im Streit von Schreiner und seiner zweiten Frau. Nikolaus Klasen stand 1786 bei der kleinen Susanne Pate. Er stammte aus Hörschhausen und war auch jetzt dort zu Hause. Er war »Geometer«, also Landmesser, und als solcher längere Zeit in Üdersdorf tätig. Schreiner nahm ihn währenddessen in sein Haus auf, wo er eine Schlafstätte und Verpflegung hatte.

Ein böser Streit

Im Sommer des Jahres 1785 kam der 10jähri-ge Hans Adam aufgeregt nach Hause. Er berichtete seiner Mutter, was er Schlimmes gesehen hatte. Auf einem ihrer Roggenfelder fehlte ein Kasten Korn! Ein ganzer Kasten - oder, wie man anderwärts sagte: ein Hausten. Die Mutter wollte und konnte das nicht recht glauben, aber Hans-Adam ließ sich nicht davon abbringen, zu sagen, was er ganz genau gesehen hatte. Er könne sich auch denken, wer den Kasten Korn genommen habe, sagt er.

Als der Vater heimkam und davon hörte, ging er der Sache gleich auf den Grund. Er fand die Angaben seines Sohnes bestätigt und begab sich direkt zu seinem Schwager Johan Adam Willems. Er fragte ihn, ob er wisse, wo der fehlende Kasten Korn geblieben sei? Der sagte, klar, wisse er das, den habe er aufgeladen und heimgefahren und eingescheuert mit seinen anderen Korngarben, denn das Korn gehöre ja ihm!

Theodor Schreiner widersprach und forderte den Willems auf, den Kasten Korn wieder herauszugeben. Aber der stellte sich stur und seine Frau und deren Schwester sagten, das käme nicht in Frage und sie schimpften und schrien, was das Zeug hielt, so daß Schreiner es vorzog, mit seinem Jungen heimzugehen. Seine Frau meinte, das sei ja eine schlimme Sache, aber vielleicht sollte man, um des lieben Friedens willen, auf das Korn verzichten.

Aber Theodor war anderer Meinung. Gerade um des lieben Friedens willen dürfe man solche Ungerechtigkeiten nicht durchgehen lassen, sondern müsse den Streit durchstehen, auch wenn es Zank und Stank und Schimpf und Hader gebe. Das Unrecht dürfe nicht obsiegen, weil man zu behäbig sei, sich zu wehren.

Theodor Schreiner setzte sich hin und schrieb dem Dauner Gericht einen Brief, in dem er den Tatbestand schilderte und den Willems verklagte. Damaligem Rechtsbrauch entsprechend, erhielt Willems eine Abschrift davon zugesandt mit der Aufforderung, sich dazu zu äußern. Der betonte sein Recht, das Feld habe er gedüngt, gepflügt und besät und es gehöre ihm. Darauf schrieb Schreiner, daß die Grenzen unklar gewesen seien und deshalb mit Einverständnis des Willems neu vermessen und festgelegt worden seien. Willems sagte, ohne sein Einverständnis sei das geschehen. Daraufhin verfügte das Gericht einen Außentermin, zu dem der Landmesser Nikolaus Klasen erscheinen sollte sowie zwei alte Üdersdorfer Bürger: Peter Schneider, 67, und Martin Hieronymus, 60. Außerdem sollte das alte und das neue »Landmaß« vorgelegt werden - so wurde das Grundbuch genannt, das beim Bürgermeister aufbewahrt wurde.

Willems lehnte den Klasen als Zeugen ab. Er meinte, der wohne beim Schreiner und würde doch für den sprechen. Er behauptete, der habe so vermessen, wie der Schreiner das wollte. Da schickte das Gericht den Notar Strasfeld, damit er rechtschaffene Bewohner Üdersdorfs über die Vorgänge bei der Landmesserei befrage, die unter der verantwortlichen Leitung des Schultheißen Theodor Schreiner stattgefunden hatte. Der 70jährige Christoph Hein, Paul Michels, der 45 Jahre zählte, und der 34 Jahre junge Hubert Johanns wurden befragt und gaben ein Stimmungsbild. Sie berichteten, daß es oft lauthals hergegangen sei bei den Festlegungen der Grenzmarken. Johanns maß dem keinerlei Bedeutung bei.

Theodor Schreiner, dem das Ergebnis vorgelegt wurde, gab eine klassische Antwort, die uns eine Vorstellung über sein Selbstbewußtsein gibt. Er fragte, wo denn geschrieben stehe, daß ein lautes Geschrei ein Beweis für eine Ungerechtigkeit sei. Jeder wisse doch, wie schwer es gerade bei Grenzfestsetzungen sei, die richtige Entscheidung zu treffen und durchzusetzen.

Im Februar 1786 forderte das Gericht die beiden Kontrahenten auf, sich zu vergleichen, andernfalls müsse es einen »Augenschein« (Lokaltermin) verfügen und der brächte doch nur zusätzliche Kosten. Willems ging nicht darauf ein. Er sagte immer nur dasselbe: das Feld ist mein. Das Korn gehört mir. Ich habe keine Angst vor einem Urteil. Ich will einen Rechtsentscheid.

Da kam es im Juli 1787 zu einem Augenschein. Das Ergebnis dieser Überprüfung vor Ort war die Aufforderung an Willems, das Korn zurückzugeben. Willems weigerte sich. Da wurde das Oberhofgericht zu Trier bemüht. Es verurteilte den Willems am 23. 9. 1787. Er mußte Ersatz leisten und die Gerichtskosten von 10 Reichstalern tragen.

Die Amtsverwaltung in Daun scheint Mitleid mit dem sturen Hansadam gehabt zu haben. Am 21. 12., also kurz vor Weihnachten schrieb der Amtsverwalter Keiffenheim, er möge binnen 14 Tagen den Schaden ersetzen, dann würden ihm die Kosten ermäßigt. Die überstiegen bei weitem den Wert des Korns. Ob damit der Streit beendet war, geht aus den Unterlagen im Landeshauptarchiv Koblenz 1c Nr 3143 leider nicht hervor.

Zur Ehre des Johann Adam Willems, der in diesem Bericht schlecht wegkommt, muß gesagt werden, daß er in späterer Zeit als Gemeinde-Deputierter tätig war und als solcher auch mit Theodor Schreiner zusammen gearbeitet hat.

Aus dem Schultheiß wird der Maire

Theodor erbte von seinem Schwiegervater nicht nur Haus und Hof, sondern auch dessen Amt. Zwar hatte Christian Clausen nicht lange Schultheiß von Üdersdorf und Weiersbach sein können. Seinem Schwiegervater, Johann Burggraf, war ein langes Leben beschieden. Dieser starb 1748. Und damit war das Amt frei. Das ging natürlich nicht in einfacher Erbfolge an den nächsten über. Die Amtverwaltung in Daun bemühte sich um geeignete Männer, schlug sie der Regierung in Koblenz vor und ernannte schließlich feierlich den Auserwählten und vereidigte ihn. Der neue Mann gab ein Essen, lieferte jedes Jahr zu Sylvester ein Schwein und stellte sein Vermögen in Kaution, denn eine seiner wichtigen Aufgaben war die Eintreibung aller Abgaben für die Kellnerei in Daun - außer Steuern.

Theodor Schreiner war 40 Jahre als Schultheiß der erste Mann in Üdersdorf und Weiersbach, die jahrhundertelang eine gemeinsame Zente-nei im Amt Daun bildeten. 1795 kamen die Franzosen und blieben bis 1814. Sie stützten sich auf die alte Verwaltung, besonders in den unteren Ebenen. So blieb Th. Schreiner Schultheiß. Die Abgaben, welche die Franzosen inden ersten Jahren verlangten, waren so immens hoch, daß die Gemeinden diese gar nicht aufbringen konnten. Diese waren daher gezwungen, ihre wohlhabenderen Mitbürger zu veranlassen, ihnen Gelder zu leihen. Dazu war auch Th. Schreiner in der Lage und lieh der Gemeinde 650 Taler. Die Rückzahlung erlebte er nicht mehr, die wurde erst nach 1810 in Angriff genommen.

Bei der Neufestlegung der Verwaltungseinheiten wurde Th. Schreiner der erste »Maire« (Bürgermeister) der Mairie Üdersdorf. 1798 wurden die Standesämter eingeführt. Als erster Standesbeamter füllte Th. Schreiner die in französischer Sprache abgefaßten Formulare aus und unterschrieb mit: »Jean Thierry Schreiner«.

Seine Tätigkeit für die französische Verwaltung hielt ihn aber nicht ab, einen Mann bei sich aufzunehmen, der von eben diesen Revolutionskräften vertrieben worden war. Anton Neumann aus Gemünden war in jungen Jahren in ein Kloster eingetreten und hatte sein langes Leben als Eremit in Bliesbrücken verbracht. Nach der Aufhebung der Klöster war er heimatlos. Fast 70jährig kehrte er in die Eifel zurück. Th. Schreiner nahm ihn bei sich auf und ließ ihn bei sich versorgen bis zu seinem Tode 1798.

Wo sind die Schreiner heute?

Heute - 1985 - gibt es in Üdersdorf keine Familie mit dem Namen Schreiner. »Das ist kein Üdersdorfer Name«, sagen die alten Leute, die sich nicht erinnern können, einen »Schreiner« gekannt oder von einem gehört zu haben. Wo sind die Schreiner geblieben?

Wahrscheinlich bauten sie die Üdersdorfer Mühle. Im ersten preußischen Hausbesitzerverzeichnis von 1825 erscheint als Inhaber der Mühle »Georg Schreiner und Consorten«. Es ist anzunehmen, daß sein Vater Theodor diesen Bau durchgesetzt hat gegen starke Bedenken und Widersprüche des Weiersbacher Müllers Nikolaus Bell. Georg hatte nur eine Tochter. Diese heiratete 1720 Simon Walscheid, einen Verwandten des damaligen Pastors von Üdersdorf. Die Initialen SW auf der Einfassung der Tür zur Mühle, könnten seinen Namen bedeuten. Die Buchstaben MW bezeichnen den Mann der jüngsten Tochter des Theodor, Susanna. Sie ehelichte 1810 Matthias Weber aus Schutz. Dieser Weber wurde der Nachfolger des Theodor im Amt als Maire und blieb in preußischer Zeit der Bürgermeister der beiden Bürgermeistereien Üdersdorf und Weidenbach. Er »regierte« Üdersdorf ebenso lange wie sein Schwiegervater.

Hans Adam Schreiner, jener, dessen Pate der Kaplan Schreiner gewesen war, der den Kastendiebstahl entdeckt hatte, heiratete Agnes Schenk aus Trittscheid und lebte als »Ackerer« mit seiner Familie in Üdersdorf. Im Beschlußbuch der Gemeinde, das seit 1846 geführt wurde, ist ein Hans Adam Schreiner einer jener Gemeinderäte, die den ersten Beschluß unterschrieben haben. Bei der Niederschrift der 2. Sitzung findet sich der Vermerk: »Es fehlt H. Ad. Schreiner - ist nach Amerika«. Da glaubt dann der Chronist, den Sohn des Theodor gefunden zu haben. Aber - es handelt sich um einen Namensvetter, denn »unser« Hans-Adam war bereits 1830 gestorben. Obwohl zwei seiner Söhne um 1835 in Üdersdorf heirateten und Kinder hatten, verschwand der Name Schreiner aus dem Ort.

Von den anderen Kindern des Theodor Schreiner blieb der schon erwähnte Georg mit seiner ihm seit 1796 angetrauten Frau Kath. Pasch im Ort und wahrscheinlich im väterlichen Hause. Die älteste Tochter A. Marg. lebte seit 1782 bei ihrem Mann Matth. Otten zu Gillenfeld.

Johann Matthias hatte in Brockscheid mit Magdalena Croneysen eine Familie gegründet, deren Nachkommen unter den Namen »Ackermann«, »Diedrichs«, »Schneider« und »Krae-mer« weiterlebten, ein Sohn verzog nach Rengen, damit verschwand der Name.

Nach Lutzerath heiratete A. Maria, eine der überlebenden Töchter der zweiten Frau des Theodor.

Schlußbemerkung

Die Betrachtung der Familie des Theodor Schreiner läßt zweierlei deutlich werden. Einmal zeigt sie die weitverzweigte Verflechtung der Beziehungen damaliger Familien. Das wird erkennbar an der Wahl der Taufpaten und der Ehepartner. Theodor Schreiner nahm dank seines Amtes eine besondere Stellung ein und pflegte den Umgang mit seinen Kollegen. Doch war es bei anderen, einfachen Familien nicht anders. So kamen Menschen von außen nach Üdersdorf und umgekehrt heirateten auch wieder Bewohner Üdersdorfs in Nachbarorte, wie die Kinder des Theodor beweisen.

Ein zweites ist die interessante Tatsache, daß sich auf den unteren Verwaltungsebenen gewisse Dynastien aufbauten. Hier in Üdersdorf ließ sie sich über 4 Stationen verfolgen: 1. Johann Burggraf, +1748. Wahrscheinlich war auch dessen gleichnamiger Vater, der 1716 starb, Schultheiß von Üdersdorf. 2. Christian Clausen, + 1755, Schwiegersohn von 1. Er kam wahrscheinlich aus Rockeskyll. 3. Theodor Schreiner, + um 1806, Schwiegersohn von 2. 4. J. Matthias Weber,+ um 1860, Schwiegersohn von 3. Die Übergänge verliefen nicht nahtlos. Zwischen Theodor Schreiner und J. Matth. Weber waren einige Jahre lang andere als kommissarische Maire tätig: Irmen, Sprinker und Hennen.

Es ist nicht verwunderlich, daß sich in Händen dieser »Dynastien« ein gewisser Wohlstand ansammelte, der zu eigenem Nutzen, aber auch zum Wohle der Mitmenschen angelegt wurde. Das zeigt sich besonders in der Anlage einer Pottaschsiederei, eines Backhauses, einer Schmiede und eines Gasthauses, die von Walscheid und Weber betrieben wurden. Aber auch der Mühlenbau und die Anleihe an die Gemeinde zur Franzosenzeit belegen dieses.