»Hals- und Beinbruch«

Unsere Umgangssprache im Visier

Alois Mayer, Daun-Pützborn

 

Nach der guten Resonanz der Anekdote »Momang: Zackernundidjöh, Musjeh« im Jahrbuch des Kreises Daun 1986, in der zahlreiche aus dem Französischen stammende Ausdrücke unseres Eifler Dialekts aufgeführt wurden, sollen im folgenden ebenfalls häufig angewandte Redewendungen unserer Umgangssprache beschrieben werden, deren Herkunft aber nicht jedem bewußt ist. Die unvollständige und bewußt sparsam gehaltene Auswahl stammt aus dem Jiddischen, einer Sprache, die vor dem letzten Kriege weitaus bekannter und verbreiteter war als heutzutage. Doch sie erfreut sich in jüngster Zeit einer zunehmenden Verbreitung und wachsender Beliebtheit in sämtlichen Medien. (Anatevka nach Tevje der Milchmann; jiddische Literatur und Volkslieder; der jiddische Schriftsteller Isaac Bashevis Singer erhielt 1978 den Nobelpreis für Literatur).

Das Jiddische ist ein deutsches Idiom, das sich aus dem uralten Judendeutsch der Juden, die aus Deutschland ostwärts flohen, im Laufe der Jahrhunderte vom Mittelalter her bis in die Neuzeit in Osteuropa herangebildet hat. Das Jiddische stellt eine eigene, lebendige, bilderreiche Sprache in Text und Wort dar. Dessen Wortschatz - eine Fundgrube für Sprachwissenschaftler - ist heute noch weitgehend mittelalterliches Deutsch, angereichert und vermischt mit vielen sprachlichen Elementen aus dem hebräischen, aramäischen, slawischen sowie romanischen Bereich.

Auf keinen Fall darf das Jiddische mit dem Hebräischen, mit der Sprache der Bibel, verwechselt werden. (Im Kreise Daun sagen viele: »Die Viehhändler handelten [handeln noch heute] auf hebräisch!«) Das Hebräische ist im Schrift- und Wortbild eine völlig andere Sprache, die heute, in der Grammatik vereinfacht und mit einem Wortschatz aus nachbiblischer und modernster Zeit angereichert, in dem nach dem letzten Kriege neugegründeten Staat Israel wieder gesprochen wird.

In der folgenden Auswahl werden nur Ausdrükke und Redewendungen aufgeführt, die in unserem tagtäglichen Sprachgebrauch angewandt werden und die ihre Sprachwurzel im Hebräischen, in der biblischen Sprache, haben. Jiddische Ausdrücke aus Sprachbereichen anderer Nationen, wurden fortgelassen, auch wenn wir sie häufig anwenden. Sie finden - ebenfalls wie viele Begriffe aus dem Rotwelschen (=Gaunersprache) - Aufnahme in einem weiteren Aufsatz im kommenden Jahrbuche.

In Klammern stehen die hebräischen Ausdrük-ke, so wie sie heute in Israel angewandt werden. Die Akzente auf den Wörtern zeigen nur die Betonung an. Das kurze hebräische e wird häufig als Apostroph eingesetzt, z. B. m'schü-ge = meschugge = verrückt.

Hals- und Beinbruch: hazlöche (hebr. hazlachä) = Segen; bejn (hebr. bejn, ben) = Sohn; b'roche (hebr. b'rochä) = Segen; er war also einst ein wirklicher Glück- und Segenswunsch. Red' doch keinen Stuß! schtüss (hebr. schtüh) = Unsinn, sinnloses, albernes Gerede.

Dich werd ich noch Mores lehren! Möjre (hebr. Morä) = Furcht, Angst.

Der sieht aus wie gelackt, wie ein Lackaffe! Gälach (hebr. Galöach) = rasiert, ohne Bart, galt bei orthodoxen Juden als etwas Schimpfliches.

Fluch: »Herr, nundiekass!« Kass (hebr. kä'ass) = Zorn, Wut.

Du bist vielleicht behämmert und belämmert! Behejme (hebr. b'hejmä) = dumm, Rindvieh, beschränkter Mensch; belemmert (hebr. b'li emor) = ohne Sprache, sprachlos, verdattert. Jetzt ist aber endgültig Schabbes! Schäbbes(hebr. Schabät), von schabat = ruhen; Sabbat = Siebter Tag der Woche mit strengen Ruhevorschriften; letzter Tag der Woche, daher: jetzt ist endgültig Schluß, Ende.

Schau mal, was der für eine Schickse im Arm hat! Schikse (hebr. Schekez) = Reptil, Abscheu. Verächtlicher Ausdruck für nichtjüdische Mädchen; heute abfällig für schlampige, gemeine Frauen.

Kannst du mir nicht ein paar Ezzjers geben? Ejze (hebr. Ejzä) = Rat, Vorschlag.

Du stehst herum wie ein Ölgötze! Eljetze (hebr. eljön = der Obere, Höhere, Höchste; jo'ejzä = Rat) = Oberrat, der »nicht weiß, was er tun soll, der nur schaut, wie andere arbeiten«.

Du bist ein richtiger Schauten! schöjte (hebr. schote) = Narr, dummer, einfältiger Tölpel. He, du alter Socken! söcher (hebr. sachär) = abwertend für Mann, Männlein.

Das ist doch alles Tinneff! tinef (hebr. tinüf) = Dreck, Unrat, Schund, wertloses Zeug.

Ich hab großen Zores! zöre (hebr. zarä) = Sorgen, Kummer, Qual, Leiden.

Als ich die Sache ausbaldowerte, hatte ich großen Bammel! baldoweren (hebr. ba'al: Herr; dawar: Wort) = einer, der das Wort, eine Sache besitzt, beherrscht; Auskundschaften einer Gaunerei, bämel (hebr. ba'al: Herr; ejmä: Angst) = einer, der Angst hat, Angsthase; im Jiddischen sagt man richtig: »Du heißt ejn Bammel«; nicht wie heute: »Du hast einen Bammel!«

Ich habe viel Moos, Mammon, Zoff und Zimt! mojess (hebr. maöt) = Geld; mömen (mamön) = Geld; sow (hebr. sahäw) = Gold; simet (hebr. simän) = Kennzeichen, Geld.

Narren und decken — decke = verächtliche Bezeichnung der deutschen Juden. Glaubte man anfangs, das Wort stamme von »Jacke« ab, da die Westjuden eine solche anstelle des ostjüdische Kaftans tragen, so weiß man heute, daß das Wort »Jeck« sich aus dem biblischen Buch der Sprüche 30 ableitet (»agur ben Jake«), wo es heißt: »Zu stumpf bin ich, um ein Mensch zu sein, und Menschenverstand besitze ich nicht«. Jeck ist also ein dummer Mensch, ein Synonym für den talmudisch Ungelehrten und geistig Ungeschliffenen.

Die Sache kommt mir nicht kauscher (koscher) vor! Koscher (hebr. Kaschejr) = wörtlich rein, tauglich, erlaubt; gemeint ist dabei: erlaubt im rituellen Sinne; vor allem im Zusammenhang mit Speisen gebräuchlich; im übertragenen Sinne: nicht trauen, wagen, mißtrauisch sein. Da habe ich aber Massel gehabt! Mäsel (hebr. Masäl) = wörtl. »Gestirn«, das Glück bringt; Glück gehabt; häufig gebrauchte Glückwunschformel: Mäseltow!

Jetzt ist er total meschugge geworden! Me-schüge (hebr. meschugä) = verrückt.

Heute mittag habe ich gut gespachtelt! ächlen (hebr. achölen) = schnell und viel essen.

Der ist gut betucht! botüach (hebr. batüuach) = zuverlässig, reell, kreditfähiger Mensch.

Die zwei senn jestern opp 'em Standesamt bestoat jenn! bessüre (hebr. b'ssurä) = Botschaft, Verkündigung, hier: Vermählung.

Der hat aber eine Macke ab! mäke (hebr. ma-kä) = Hieb, Schlag, hier: der scheint seine Sinne nicht mehr zu haben; der ist unvernünftig.

Der ist maustot! mejss (hebr. mejt) = Leiche, Toter.

Ach, ist das ein mieser Typ! miess (hebr. miüss) = ekelhaft, häßlich, unausstehlich.

Ich gehe malochen! melöchen (hebr. m'lachä) = Handwerk, Kunststück, hier: schwer arbeiten, schuften.

Die Firma hat Pleite gemacht! pelejte (hebr. p'lejtä) = Flucht, hier: bankrott (Bankrotteur ergreift die Flucht).

Bei dem Geschäft habe ich einen guten Reibach gemacht! rewäch (hebr. rewach) = Zins, Gewinn, Profit.

Gestern abend war ich ganz schön schicker! schiker (hebr. schikör) = Säufer, Trinker, betrunken.

Junge, Junge, ich habe vielleicht Schlamassel! schlemäsl (hebr. sch'lo-masal) = Gegenteil von Masel (Glück), »was nicht Glück ist«, also Unglück, Schwierigkeiten, Pech.

Der Ganove steht Schmiere! gänew (hebr. ga-näw) = Dieb, Gauner; ganwenen = stehlen, klauen; schemire (hebr. sch'mirä) = Wacht, Überwachung, Aufpasser.