Erinnerung an Palmsonntag 1930

Liselotte Dohm, Gerolstein

 

Wie so oft waren wir sonntags bei unseren Freunden, der gastfreundlichen Familie Maas auf Burg üssingen eingeladen. Mal bei den alten Herrschaften und ihren Töchtern auf der Oberburg, oder wie diesmal bei den jungen Leuten Adolf und Lusel Maas auf der Unterburg.

Nach einem guten, deftigen Bauernessen, alles selbst geschlachtet, selbst gepflanzt und selbst geerntet, zogen wir uns in den gemütlichen Raum nebenan zurück, wo wir uns um den runden Tisch am Kamin gruppierten, um bei einer guten Flasche Wein die Erlebnisse des Tages zu diskutieren.

Im Zeitalter ohne Medien gab's immer gute Gespräche, zudem beschäftigten uns meist die gleichen Themen: Hier die Landwirtschaft, bei uns die Naturwissenschaft. Das Wetter war uns gleichermassen wichtig, hatte sich doch für Ostern schon die erste geologische Excursion aus Utrecht angesagt, und heute war Palmsonntag.

Doch so gemütlich wie sonst war's diesmal nicht in unserer Runde. Adolf, seines Zeichens Diplomlandwirt, lief dauernd hinaus in den Stall, um nach seiner Stute zu sehen. Sie sah ihrer schweren Stunde entgegen. Das Tier war so unruhig, doch es sah so aus, als ob es noch eine Zeit lang dauern würde. Adolfs stärkster Knecht, mit einem Strick bewaffnet, sollte Hebamme spielen.

Draußen fegte ein kalter Frühjahrswind, doch auch wir in der warmen Stube fanden keine Ruhe mehr. Das Mitgefühl mit dem armen, leidenden Tier übermannte uns. Wir liefen nun auch hinaus zum Stall. Doch wir glaubten nicht recht zu sehen. Da stand ein reizendes, kleines Pferdchen neben seiner Mutter und wurde von ihr sauber geleckt. Wir standen andächtig und ergriffen vor diesem Wunder. Wie hilflos dagegen ist doch ein neugeborenes Menschlein! Der Palmsonntag erhielt bei uns durch dieses Erlebnis eine besondere Weihe.

Der Name für das Tier war schnell gefunden. Darin waren wir uns alle einig: Palma sollte es heißen und darauf tranken wir dann noch einen guten Schluck.