»Bankwesen« im alten Eifelhaus

Als die Wohnkultur noch um den »Hoaschten« gruppiert war

Theo Pauly, Gerolstein

 

Das alte Eifelhaus war in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts grundsätzlich noch ein Fachwerkhaus und zumeist zweistöckig gebaut. Durch eine zweiteilige Tür (Ober- und Untertür), gewöhnlich aus Eiche und häufig mit Schnitzereien verziert, betrat man das »Haus«. Das »Haus« war nichts anderes als Diele und Küche zugleich, der Boden festgestampfter Lehm wie die Scheunentenne oder auch mit ungefügen Sandsteinplatten ausgelegt, die mit Lehm verfugt waren.

Im »Haus« befand sich der »Hoaschten«, der breite, ab der Decke offenen Kamin, in dem Speck, Wurst und Schinken geräuchert wurden; darunter, nicht mehr wie in ganz früher Zeit der »Hoahl«, der Haken, an dem die Töpfe aufgehängt werden konnten, um über offener Flamme das Essen zu kochen, sondern der Herd, vielfach noch mit Steinen gemauert, meist aber schon aus Gußeisen.

In meinem Elternhaus stand hier ein gußeisener, halbmondförmiger Herd, dessen Backofentüren mit Reliefs biblischer Motive, wie etwa die Takenplatten, verziert waren, mit dem Wasserschiffchen an der Seite, in dem stets warmes oder heißes Wasser vorrätig war. Neben diesem lag ein Bündel »Fimpen«, Fidibusse, schmale Splitter aus Tannenholz und etwa 20 cm Länge, mit denen der Vater und der Großvater ihre Pfeifen anzündeten oder die Stallaterne - so konnte man Streichhölzer sparen.

Im Backofen des Herdes wurden zur Winterszeit die Ziegelsteine angewärmt, die, in ein Handtuch oder eine Zeitung verpackt, mit zu Bett genommen wurden, um Bettzeug und Füße auf eine angenehme Temperatur zu bringen. Im »Haus« war auch der richtige Backofen, in dem das Brot und der wenige Kuchen im Laufe eines Jahres gebacken wurden; in manchen Häusern war der Backofen nach draußen gebaut, und im »Haus« befand sich nur die Backofentür, in manchen Häusern stand aber auch der gesamte Backofen im »Haus«. Zwischen Backofen und Decke war dann ein Freiraum von etwa 50 - 60 cm Höhe auf dem allerhand Haushaltsgeräte abgestellt und abgelegt werden konnten. Hierdurch hatte das Kind eine Vorstellung davon, wenn Soldaten, die aus dem Rußlandfeldzug des zweiten Weltkrieges in Heimaturlaub kamen, erzählten, in Rußland schliefen die Leute auf dem Backofen, wie es auch das Märchen »die kluge Eise« gut begreifen konnte, wenn es darin heißt, das törichte Mädchen habe das Unterteil der Haustür auf seinem Rücken mitgenommen, damit keine Diebe ins Haus eindringen konnten. Im »Haus« stand dann der Küchentisch mit der Backmulde und dahinter »die Bank«. Diese Bank gab es in jedem »Haus«, war vom Hausherrn oder einem seiner Vorfahren selbst gezimmert, manchmal recht grob, manchmal gar gedrechselt, und war der Platz für die Kinder. Ab und an, wenn ein Kind sich einmal daneben benommen hatte oder gar Widerworte gegeben, mußte es für eine Zeitlang »unter die Bank«, das war die sublimere Form der Strafe, in den Keller zu müssen.

An einer Wand des »Hauses«, durch die je eine Tür in die »unterste« und die »oberste« Kammer führte, war zwischen diesen beiden Türen die Tellerbank angebracht, ähnlich einem modernen Wandbord, auf dem man heutzutage Zinnteller und -Sachen zur Zierde aufbewahrt. Die Tellerbank hatte den Vorteil, daß die Teller nach dem Spülen nicht abgetrocknet zu werden brauchten, sondern abtropfen und von selbst trocknen konnten. Unter der Tellerbank, die an der Wand befestigt war, stand die »Schottelbank«. Hierin fanden die kleinen und großen irdenen bzw. Porzellanschüsseln des Haushalts Platz. Auch sie konnten hier nach dem Spülen abtropfen und lufttrocknen. So sparte man Küchenhandtücher, die im übrigen aus alten Bett-Leinentüchern gerissen bzw. zurechtgeschnitten waren. Die wenigen gekauften Küchentücher wurden nur zum Abtrocknen des guten »Geschirrs« in Gebrauch genommen, und dieses Geschirr kam nur zu besonderen Gelegenheiten, etwa an Kirmes, Hochzeit oder Kommunion auf den Tisch.

In der »obersten« Kammer (Öwescht Komma) stand die »Döppebank« und die »Eemabank«. Auf der Döppebank wurden die Töpfe aufbewahrt, nach Größe geordnet, und auf der Eimerbank standen jeweils zwei Eimer mit Wasser gefüllt sowie die Milcheimer, die zum Melken gebraucht wurden, aber auch die Putzeimer und das kleine Eimerchen, in das die Beeren aus dem Garten oder aus Feld und Wald gepflückt wurden. Die Wassereimer mußten stets gefüllt sein, denn aus ihnen wurde der gesamte Wasserverbrauch des Haushalts bestritten, zum Kochen, Waschen, Trinken. So hing an dem ersten Eimer stets auch eine Schöpfkelle, mit der man Wasser aus dem Eimer schöpfte, um seinen Durst zu stillen.

Das Wasser entnahm man dem Brunnen, über den jedes Haus verfügte. Der Brunnen in meinem Elternhaus befand sich unmittelbar in der obersten Kammer, aber das Wasser war ungenießbar. So holten wir jeweils mit zwei Eimern das Wasser aus dem Ziehbrunnen des Nachbarn; der Brunnen in der »öweschter Komma« wurde aber dennoch nicht zugeschüttet, denn bei einem eventuellen Brand hätte er gute Dienste leisten können. Eine Wasserleitung wurde erst Ende der 50er Jahre angelegt im Zusammenhang mit dem Ausbau des Gruppenwasserwerkes Struth. Seither sind auch die Brunnen verschwunden, da sie von Amts wegen zugeschüttet werden mußten.

In jedem »Haus« aber gab es auch ein »Bänkelchen«, etwa 30 cm hoch, 20 cm tief und 50 cm lang. Es diente in der Hauptsache der Großmutter zum Kartoffelschälen, Erbsen pellen usw. Beim Kartoffelschälen saß sie darauf, neben sich den kleinen aus Stroh geflochtenen Korb, in dem die Kartoffeln aus dem Keller geholt wurden, vor sich den mit klarem Wasser

gefüllten Eimer, in den die geschälten und zu-rechtgeschnittenen Kartoffeln geworfen wurden, daß immer ein wenig Wasser hoch und über den Eimerrand hinwegspritzte. Dieses »Bänkelchen« diente auch den Kindern ab und zu als willkommene und größengerechte Sitzgelegenheit, den Erwachsenen als Trittbrett, wenn sie zur Tellerbank hochreichen mußten oder vom Backofen ein Gerät herunterholen wollten.

In der guten Stube, der »Stuff«, stand ebenfalls eine Bank an der Wand hinter dem Tisch, die »Stubenbank«. Sie war meist feiner gearbeitet als die im »Haus« und weniger abgenutzt, denn die »Stuff« wurde ebenfalls nur bei besonderen Anlässen in Anspruch genommen. Die übrige Zeit blieb sie unbenutzt, da sich das gesamte tägliche Leben der Familie im »Haus« abspielte.

Die »Hausbank« dann war eine ausrangierte Bank aus dem »Haus«, der Küche also oder gar der Stube. Sie stand vor dem Haus, neben der Haustür und diente einzig und allein dem Ausruhen und Verweilen. Hier saß man bei schönem Wetter des Sonntags oder zum Feierabend mit den Familienmitgliedern zusammen, häufig mit den Nachbarn, und klönte. Wohnte in einem Haus ein hübsches Mädchen oder gar melurere, fanden sich abends die Jungen des Dorfes dort ein, und mancher Spaß und Scherz wurde hier ausgeheckt und ausgeführt. Wenn die Hausbank nicht alle Anwesenden aufnehmen konnte, so bot der daneben aufgestapelte Heidehaufen weichen Platz. Die Heide, von der es damals in der Struth so viel gab, daß man die Struth in manchen Teilen des Kreises Daun »Heed« nannte, wurde von den Bauern mit der Heidsense, einer verkleinerten Ausgabe der normalen Sense, »gemacht«, abgeschnitten, und als Stallstreu verwandt. Von hier aus, von der Hausbank und dem »Heedboar« erklangen des Abends oft frohe, aber auch melancholische Lieder der Dorfjugend in den Sommerabend hinaus.

Die Hausbank aber war immer der Platz, von dem aus die »Alten« eines Hauses bei gutem Wetter das Dorfleben überwachten und so daran teilnahmen.