Mein Heimatdorf

Markus Igelmund, Steffeln

Leicht streicht der Wind durch die Sträucher. Emsig suchen die Meisen nach Futter, um ihre schreienden Jungen zu sättigen. Um mich herum blüht es in allen Farben, weiße Schmetterlinge tanzen über den Weg und schwarze Schwalben schießen über die bunten Wiesen.

Ich setze mich ins kniehohe Gras. Ein Hase springt erschreckt einige Schritte neben mir auf, spitzt seine langen Löffel, schnuppert und rennt in großen Sätzen davon. Dort im Apfelbaum, der schon kleine Früchte trägt, zwitschern die Spatzen um die Wette und zanken sich so lautstark, daß die Krähe, die auf dem Nachbarbaum saß, verärgert fortfliegt. Hinter mir türmt sich ein hoher Lavaberg auf, der Steffelberg. Vor einigen Jahren war er mit uralten Buchen bewachsen, heute nur noch mitFichten und Gestrüpp, und weiter oben glänzt nur noch der braune Lavasand in der heißen Mittagssonne. Es war ein stolzer Berg, dessen grüne Kappe weithin zu sehen war, doch die Menschen wollten es, doch sie, die nicht wußten, was sie damit taten, wollten es: sie rückten dem Berg mit lärmenden Maschinen zu Leibe. Zuerst rissen sie ihm den grünen Mantel herab und fingen an, ihn langsam zu zerstückeln, und er schrumpft noch heute, wo er doch schon längst seine Kraft verloren hat, jeden Tag.

Unter mir liegt das Dorf Steffeln, umgeben von romantischen Hügeln, auf denen rotbunte Kühe grasen. Der Duft des frisch gemähten Grases steigt mir in die Nase. Dieser Duft, den man im Winter so sehr vermißt, der Duft, der Sommer heißt. Die alten Leute, die auf der Bank vor dem Haus sitzen, erzählen sich von ihm und die Kinder, die auf der Straße spielen, erfreuen sich an ihm mit lustigem Gekreische.

Überall sieht man Bauern, die ohne Rast auf den Feldern arbeiten, denn sie wissen, daß dieser Sommer schnell wieder vergeht. Einige Heuwagen tuckern die Straße entlang und verschwinden in den Scheunen. Im ganzen Dorf herrscht reges Treiben. Die Hausfrau hat mit der Gartenarbeit zu tun und die Jungen machen sich gerade auf, um zum Sportplatz zu ziehen und dort ihre Pokalspiele auszutragen. Die Kirche, die auf einem Felssockel liegt, sticht mit ihrem hohen Turm in die weißen Wolken, die langsam vorbeiziehen. Egal aus welcher Himmelsrichtung man ins Dorf kommt, man erkennt zuerst die Kirche, die hoch über den anderen Häusern thront. Von der Kirche aus schlängelt sich ein schmaler Weg den Berg hinauf. Dort oben liegt die kleine Kapelle, die weit in das Land schaut, umgeben von Heckenrosen, die violett in der Sonne leuchten. Diese Kapelle wurde nach dem Kriege erbaut, zum Dank, daß Steffeln weitgehend von der alles zerstörenden Wut des häßlichen Krieges verschont blieb. Noch heute kommen unzählige Wanderer dort hin, um zu danken, einfach zu danken für alles, was diese Erde so wunderbar hervorbringt. Dies beweisen die Gedenktafeln, die an den Wänden angebracht sind. Meine Blicke schweifen über das Land. Hier und da sind bunte Flecke zu erkennen, die Nachbardörfer, alle umgeben von grünen Bergen und weiten Wiesenflächen. Ja, eines ist mir gewiß, dies muntere Dorf, mein Heimatdorf will ich niemals verlassen.