Völkerverständigung Daun - St. Vith

Franz Josef Ferber, Daun

 

Bereits der erste Kontakt am 26. August 1985 sah nach Theater aus, nach einem Lustspiel sozusagen; er begann mit einem freundlichen Brief der AGORA-Theaterwerkstatt aus St. Vith in Belgien. Hierin teilte uns Edmund Stoffels, beauftragt von seinem Theaterchef Marcel Cremer, Ynit, daß er die Adresse der Kreisverwaltung Daun aus dem entfernten Brüssel, von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, erfahren habe. Er fragte an, ob wir an einer grenzüberschreitenden kulturellen Zusammenarbeit interessiert seien.

Und ob wir interessiert waren! Denn schließlich bestehen schon lange Verbindungen zu unseren ostbelgischen Freunden im Bereich der Denkmalpflege und besonders auf dem Gebiet des Museumswesens. Das Töpfereimuseum Raeren ist Mitglied des Arbeitskreises Eifeler Museen (AEM). Museumsleiter Helmut Rehker hat zu einer der nächsten Sitzungen nach Belgien eingeladen.

Landrat Karl-Adolf Orth förderte die Kontaktaufnahme. Edmund Stoffels stellte am 17. Dezember 1985 die »AGORA-Theaterwerkstatt St. Vith« vor. Sie ist im Gebiet deutscher Sprache Belgiens angesiedelt und die einzige regional organisierte deutschsprachige Bühne Belgiens. Regelmäßig tritt sie im Auftrage des belgischen Unterrichtsministeriums und der deutschsprachigen Gemeinschaft auf, die sie in den anderen Gemeinschaften Wallonie und Flandern sowie im Ausland vertritt. Sie ist Mitglied der belgischen Kulturförderorganisationen TOURNEE ART et VIE (Wallonie) und CULTURELE MANIFESTATIES (Flandern). Die AGORA ist eine Wanderbühne. Ihre Auslandsgastspiele führen sie regelmäßig in die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, nach Dänemark, Österreich und Luxemburg. Der Name AGORA (in Anlehnung an den großen Platz inmitten der altgriechischen Stadt) will Treffpunkt sein für alle Menschen und bietet die Möglichkeit des Austauschens, der Information, der Zauberei, der Kommunikation. Die Gruppe hat 60 Mitglieder. Ihr Regisseur und Leiter ist Marcel Cremer, ein dreißigjähriger Germanist, der an der Staatlichen Universität in Lüttich studierte.

Das Ensemble der AGORA-Theaterwerkstatt St. Vith beim Finale in Gerolstein     Foto: Anita Tittel

Am Tage des persönlichen Kennenlernens wurde Konkretes geplant: Die Theatergruppe wurde für zwei Aufführungen eines ihrer Erfolgsstücke «Der Teufel mit den 3 goldenen Haaren« von F. K. Wächter nach den Gebr. Grimm engagiert. Das kostete natürlich etwas, außer viel Kleinarbeit auch Geld. Aber der Aufwand lohnte sich. Die mehr als siebenhundert Kinder - sie kamen aus dem gesamten Kreisgebiet -, die das Stück am 10. Mai 1986 im Thomas-Morus-Gymnasium in Daun und am 24. Mai im St.-Matthias-Gymnasium in Gerolstein sahen, wissen von diesem großartigen Erlebnis zu erzählen. Sie erlebten Theater, gekonnt dargeboten, hautnah, identifizierten sich mit dem Helden, kletterten nach der Vorstellung auf die Bühne, schauten hinter die Kulissen, unterhielten sich mit den sympathischen jungen Darstellern und ließen sich von ihnen Autogramme geben; sie waren ein dankbares Publikum, das mit Beifall nicht geizte. Alle waren zufrieden: die Zuschauer, der Veranstalter und vor allen Dingen das Ensemble, das sich von den Kindern bereitwillig die Zusicherung abringen ließ, irgendwann wiederzukommen. Summa summarum: Ein Schritt nach vorn in Richtung grenzüberschreitender gemeinsamer Kulturarbeit in unserem gemeinsamen Kulturraum. Der nächste Zug wird von uns getan; ein Gegenbesuch bei unseren belgischen Theaterfreunden in St. Vith steht auf dem Arbeitsprogramm des Kreiskulturamtes. Kultur kennt keine Grenzen, sie ist ein Instrument der Völkerverständigung.

Das märchenhafte Schauspiel übrigens erzählt die Geschichte von einem habgierigen König, der mit seinem Hofstaat von der harten Arbeit seiner Untertanen lebt. Zahlen sie ihren Tribut nicht, werden sie gefangen genommen und in den Turm geworfen. Mit Hilfe des Teufels und seiner Großmutter gelingt es dem listigen Bau-ernknecht, die Königstochter zu heiraten, das Volk von seinem Joch und Elend zu befreien und ein menschlicheres Leben für alle zu ermöglichen. Der Refrain des Liedes, den alle Zuschauer mitsangen, war Schluß und Höhepunkt: »Jeder kann was, jeder weiß was, keiner ist dumm! Jeder ist was, jeder gilt was, schrummwidibumm!«