Älteste höhere Schule im Kreis

St.-Matthias-Gymnasium feierte 75jähriges Bestehen

Anmerkungen von Alois Nowatschin, Gerolstein

 

Eingebettet in die Festwoche der Stadt Gerolstein zur 650-Jahr-Feier der Stadtrechte feierte das St.-Matthias-Gymnasium vom 14. bis 16. Juni das 75jährige Bestehen. Zu diesem Anlaß sind an anderen Stellen ausführliche historische Betrachtungen und Würdigungen erstellt worden, sodaß hier nur ein knapper Stichwortartiger Überblick genügen soll. Vergl. Anmerk. 1909 Antrag des Gemeinderates Gerolstein an die Kgl. Regierung in Trier um Genehmigung zur Gründung einer Rektoratsschule.

1911 Unter Leitung von Studienrat Lipowicz wird die Höhere Knabenschule Gerolstein mit 21 Sextanern als Privatschule eröffnet.

1919 Übernahme der Schule in kommunale Trägerschaft.

1920 StAss. Hubert Rahm wird Schulleiter.

1923 Schließung der Schule durch die Franzosen und Ausweisung aller Lehrer.

1924 Im Juni Wiedereröffnung nach Beendigung des Separatistenaufstandes. 1927 Aufnahme der ersten Mädchen in die Höhere Knabenschule.

1937 Umbenennung der Schule in Albert-Leo-Schlageter-Schule.

1944 Im Herbst Schließung der Schule wegen Kriegseinwirkungen.

1946 Ab 1. Februar Wiedereröffnung als sechsklassiges Progymnasium mit angeschlossenem bischöflichen Schülerheim.

1953 Einweihung des Neubaus.

1954 Ausscheiden von Hubert Rahm aus dem Schuldienst.

1958 abiturientia prima

1960 Staatliches St.-Matthias-Gymnasium (neuspr.)

1975 Übernahme der Trägerschaft durch den Kreis Daun.

Als Resümee der Jubiläumsschriften und der vielen Festreden am 14. Juni 1986 mögen drei Gedanken erlaubt sein. Als erstes fällt auf die mutige Entscheidung des Gerolsteiner Gemeinderates, trotz Ablehnung des Antrags zur Gründung einer höheren Schule durch die Regierung an dem Plan einer weiterführenden Schule festzuhalten und diesen dann auch in veränderter Form 1911 zu realisieren, indem die Schule zwar als Privatschule geführt, jedoch von der Gemeinde tatkräftig unterstützt wurde. So stellte die Gemeinde die Schulräume kostenlos zur Verfügung, übernahm die Kosten für Unterhalt, Reinigung, Heizung und Beleuchtung des Gebäudes. Der Schulleiter erhielt eine freie Dienstwohnung und einen jährlichen Zuschuß von 2 500 RM. Von solchen Freiräumen, in denen damals Kommunalpolitiker eine für die Gemeinde weitreichende (vielleicht sogar historische) Entscheidung treffen konnten und wollten, können deren Enkel nur noch träumen.

Rektor Hubert Rahm

Neben dieser Leistung des Gerolsteiner Gemeinderates muß aber gleichberechtigt der Mann erwähnt werden, ohne den diese Schule wohl schwerlich einen solchen Aufschwung erlebt hätte: Hubert Rahm. Während des ersten Weltkrieges hatte die Höhere Knabenschule Gerolstein organisatorisch einige schwierige Jahre zu überstehen, zumal die Gemeinde nicht mehr in der Lage war, ihre finanziellen Verpflichtungen, die sie 1911 eingegangen war, zu erfüllen, trotzdem übernahm die Gemeinde 1919 die Trägerschaft der Schule. Sie suchte nun einen fähigen Schulleiter und stellte am 1. 4. 1920 den Studienassessor Hubert Rahm als Schulleiter ein. Im Rückblick war das sicher ein personalpolitischer Glückstreffer, denn das Studium der Schulakten, teilweise im Landesarchiv Koblenz gelagert, zeigt wie unermüdlich dieser Mann sich für »seine« Schule eingesetzt hat. Wen wunderts da noch, daß die Schule im Volksmund »Rektor-Rahm-Schule« genannt wurde? Ihm ist es zu verdanken, daß die Schule nicht zur Mittelschule degradiert wurde; ihm ist es gelungen, daß die Schule ab 1940 als städtische Oberschule für Jungen geführt wurde; er erreichte 1946 die Aufstockung der Schule als Progymnasium; er kämpfte für den Neubau im Jahre 1952/53 und den Ausbau der Schule zur Vollanszalt, Als die Genehmigung am 10. Feb. 1955 in Gerolstein bekannt wurde, war Rektor Rahm schon pensioniert. Trotzdem war auch Entscheidung sein Verdienst.

Der dritte Gedanke betrifft die Schülerzahlen. Im Heimatjahrbuch 1986 wird berichtet, daß 1986 an 3 Gymnasien im Kreis Daun 2043 Schüler unterrichtet werden. 1911 gab es im Kreis Daun nur die Höhere Knabenschule Gerolstein, die mit 21 Sextanern ihre Pforten öffnete.

1925 hatte diese Schule 75 Schüler, 1944 vor der Schließung 206 (63 Mädchen, 143 Jungen). Wer von diesen Schülern die Hochschulreife erlangen wollte, mußte damals noch außerhalb des Kreises Daun ein Gymnasium besuchen, die meisten übrigen nutzten diese Chance in Prüm. 1958 gab es 9 Abiturienten an einem Gymnasium im Kreis Daun, in diesem Jahr 1986 sind es an drei Gymnasien ca. 200 Abiturienten.

Der Leser wird sich selbst seine Gedanken über diese Zahlen machen. Der eine wird sie interpretieren als Ausdruck des Fortschrittes und der Chancengleichheit, der andere wird sie mit Begriffen wie »Abiturientenproletariat« oder »Akademikerschwemme« assoziieren. Von einem Bildungsnotstand, wie ihn die Gemeinderäte von Gerolstein in ihrem Antrag zur Gründung einer höheren Schule 1909 formulierten, kann jedenfalls keine Rede mehr sein, und das ist gut so!

Literaturhinweis:

1) Chronik der Stadt Gerolstein 1986; A. Nowatschin; Die höhere Knabenschule Gerolstein (Progymnasium) von 1911 bis 1953, S. 133 ff.

2) J. Winter, Rückblick-Versuch einer Rekonstruktion der Schulgeschichte, in: Festschrift zum 75jährigen Jubiläum des SMG, Gerolstein 1986, S. 11-105

Das erste Gebäude bei der Gründung der Rektoratsschule