Das Kreuz am Burgfelsen

Ein verstecktes Wahrzeichen in Gerolstein

Wilma Herzog, Gerolstein

 

Etwas versteckt und nur gelegentlich von einem Besucher aus der Nähe betrachtet, hängt ein über vier Meter hohes Kreuz an der Felswand hinter dem alten Rathaus in Gerolstein. Und doch gab es eine Zeit, als zu diesem schlichten Holzkreuz viele Menschen aufblickten, es war die Zeit nach der schrecklichen Zerstörung des Zweiten Weltkrieges, denn 1948 wurde es als Zeichen der Erlösung und Hoffnung für den Altar der Pfarrkirche St. Anna geschaffen. Noch unter dem Eindruck seiner schweren Kriegserlebnisse verlieh der Künstler dem Gekreuzigten das Antlitz nach der Totenmaske eines gefallenen Soldaten. So stellt dieses Kreuz in jeder Hinsicht ein denkmalwertes Zeugnis jener heute oft verdrängten schweren Zeit dar.

An dieser Stelle verdient der Künstler erwähnt zu werden. Heinz Hamm kam 1945 bedingt durch den Krieg nach Gerolstein, wo er mit seiner Familie nach den schweren Bombenangriffen auf Düsseldorf Zuflucht suchte. Hier geriet er zunächst in englische Kriegsgefangenschaft. Als er nach zwei Jahren heimkehren durfte, richtete er alsbald eine Werkstätte für Kriegsversehrte zur Eingliederung in das Erwerbsleben ein. Diese Werkstätte war untergebracht in einer der beiden Holzbaracken, die hinter dem Kriegerdenkmal auf dem Hindenburgplatz standen. Die zweite Baracke diente als Schulraum für die Schüler der St.-Joseph-Schule, die noch im Wiederaufbau begriffen war. So kam es, daß die Kinder dem Künstler während den Pausen bei der Arbeit am Kreuz zusehen konnten.

Das Kreuz am Burgfelsen Foto: Nico Sastges

In der Aufbauphase nach dem Krieg gab es für Menschen wie Heinz Hamm viel zu tun. Er restaurierte Figuren und Kirchenbänke in der Pfarrkirche. In seiner Funktion als Diözesansenior der Kolpingsfamilie startete er nach der schweren Explosionskatastrophe in Prüm mit dem internationalen Zivildienst eine große Hilfs- und Aufbauaktion. Im Rahmen der Völkerverständigung, die durch den internationalen Zivildienst in Bewegung kam, wurde eine Notjugendherberge mit etwa 20 Betten im damals gründlich renovierten Haus am Friedhof (heute Kreisheimatmuseum) eingerichtet, betreut von der Familie Hamm, die dort ebenfalls ihre Wohnung hatte. Erwähnt werden sollen auch die Verdienste, die Heinz Hamm sich für Brauchtum und Heimatpflege erworben hat. So gründete er eine Volkstanzgruppe und bot Jugendlichen eine der wenigen Möglichkeiten für Freude und Frohsinn. Diese Unterhaltung brachte der Bevölkerung auch in den benachbarten Dörfern eine willkommene Abwechslung. Man muß sich dafür die Zeit nach der schlimmen Zerstörung und die »Vorfernsehzeit« vorstellen, um den vollen Wert zu erkennen. Besonders für die Kinder war es ein großes Erlebnis als Heinz Hamm als St. Martin zum ersten mal nach dem Krieg durch die Straßen Gerolsteins ritt. Für viele Kinder war es das erste mal, daß sie mit ihren selbstgefertigten Lampions singend in einem Martinszug mitgehen konnten. Und die Überraschung als es dann beim Martinsfeuer auch noch Wecken gab.

Der Bildhauer Heinz Hamm bei der Arbeit am Kreuz für die Pfarrkirche St. Anna

Das sind nur einige Rückblicke auf das Schaffen dieses engagierten und begabten Menschen. Geblieben ist in Gerolstein das Kreuz. Wenn in den nächsten Jahren an der Erstellung der Denkmälertopographie gearbeitet wird, darf dieses Zeitzeichen der harten entbehrungsreichen Jahre nach dem Krieg nicht vergessen werden.

Es bleibt zu hoffen, daß irgendwann in der Zukunft das Kreuz wieder in die Mitte geholt wird und dort seinen Platz einnehmen kann, für den es damals geschaffen wurde.