Wüstungen in der Umgebung von Steffeln

Ein Beitrag zur historisch-geographischen Siedlungskunde der Eifel

Werner Grasediek, Steffeln/Trier

 

Unter Wüstungen werden abgegangene, also wüstgefallene, aufgegebene Wohnplätze und Gewerbestätten und ihre dazugehörigen Wirtschaftsflächen (Fluren) verstanden1. Hinsichtlich der Ursachen für das Wüstfallen liegen von der historischen, geographischen und archäologischen Forschung mehrere Erklärungsversuche vor2. Die landläufige Meinung, daß Kriege, v.a. der Dreißigjährige Krieg, die Hauptursache für das Entstehen von Wüstungen gewesen seien, konnte von der Forschung weitgehend nicht bestätigt werden. Die im Verlauf von kriegerischen Auseinandersetzungen zerstörten Höfe und Dörfer sind zum weitaus größten Teil schon nach kurzer Zeit wiederbesiedelt worden; allenfalls kann hier von temporären Wüstungen gesprochen werden3.

Für das Gebiet der Eifel kommt der Konzentrations- und Ballungstheorie eine besondere Bedeutung zu: Diese besagt, daß es zu einem Zusammensiedeln in den kleineren Städten und zentralen größeren Orten und deshalb zur Aufgabe von kleineren Dörfern und Einzelhöfen kam. Die zahlreichen Fehden und Kriege und die dadurch hervorgerufene Unsicherheit führten zur Aufgabe von abseits gelegenen Höfen und Weilern und zur Umsiedlung in die nächste geschlossene Ortschaft bzw. Stadt. Die Konzentration der Bevölkerung fand also in den kräftigeren, lebensfähigeren Siedlungen statt. Nach den Untersuchungen von W. Janssen kann die Entstehung dieser Wüstungen auf die Zeit seit etwa 1250, das 14., 16. und schließlich auf das 17. Jahrhundert angesetzt werden4.

Daneben muß auch die Fehlsiedlungstheorie berücksichtigt werden, die davon ausgeht, daß die untergegangenen Siedlungen zumeist auf Böden angelegt wurden, die wegen zu geringer Erträge auf die Dauer nicht gehalten werden konnten5. Die wegziehenden Bauern wanderten in benachbarte Dörfer mit besseren Wirtschaftsbedingungen. Die Fehlsiedlungstheorie trifft aber im wesentlichen nur auf die Phase der hochmittelalterlichen Rodung zu, in der nicht selten übereilt geringe Böden besiedelt wurden, die bald wieder wegen Erschöpfung aufgegeben werden mußten. Für die Wüstungsentstehung bietet Wilhelm Abel mit seiner Agrarkrisentheorie das einleuchtendste Erklärungsmuster: Er stellte einen Zusammenhang her zwischen der Kulmination der Wüstungsentstehung im Spätmittelalter und den Seuchen (»Pestumzüge«) und Hungersnöten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Diese Katastrophen hatten einen enormen Bevölkerungsrückgang und langfristig einen Rückgang der Getreidepreise zur Folge. Es kam zur Öffnung der Preisschere zwischen Löhnen und Getreidepreisen. Dies führte zu einem Bevölkerungsrückzug aus Gebieten mit ungünstigen Böden und zu einem vermehrten Zustrom in die Städte und größeren Siedlungen. Die verringerte Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln und die niedrigen Preise für Getreide zwangen im Spätmittelalter zu Umstellungen in der Bodennutzung: Schlechte Böden wurden aufgegeben, und nur die besseren wurden weiterhin ackerbaulich genutzt. Dies war mit einem Anstieg der Flächenproduktivität verbunden. Die geringen/vertagen Böden wurden aufgeforstet, meist aber als Weide oder in extensiver Form als Hutungen und Schiffelland genutzt6.

Der Archäologe Walter Janssen hat die Wüstungen im Gebiet zwischen Rhein, Mosel und Eifelnordrand in seiner Bonner Habilitationsschrift eingehend untersucht und hierbei bemerkenswerte Unterschiede gegenüber anderen Landschaften Deutschlands festgestellt: Zum einen konstatierte er, daß sich die Wüstungsbildung in der Eifel über den gesamten Zeitraum vom 7. bis 19. Jahrhundert erstreckt, also nicht nur in erster Linie auf das Spätmittelalter, das als die Zeit des stärksten Wüstfallens gilt, beschränkt ist7.

Andererseits war das Wüstungsausmaß bzw. die »Wüstungstendenz« in der Eifel vom 7. bis 19. Jahrhundert mit 24 % aller Dörfer und 36 % der Höfe im Vergleich zum übrigen Deutschland nicht sehr hoch. Die entsprechenden Werte lauten für die Altkreise Prüm 18,8 % bzw. 11,0 % und Daun 31,5 % bzw. 44,7 %8.

Janssen konnte insgesamt sieben Wüstungshöhepunkte für die Eifel herausarbeiten, die sich vom Frühmittelalter bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts verteilen9.

Höhepunkte der Entstehung von Dorfwüstungen fallen v.a. in die Zeit von ca. 1200 - 1300, 1350 -1400 und 1550 -160010. Dagegen ist die Mehrzahl der Hofwüstungen erst in der Zeit von der Mitte des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden11. Janssen hat neben archäologischen Methoden eine historische Methode für die zeitliche Bestimmung des Wüstfallens von Siedlungen entwickelt: Den Zeitraum des Wüstfallens setzt er 50 Jahre nach der letzten Erwähnung eines Dorfes oder Hofes in den Schriftquellen an.

Eine sehr nützliche und erfolgversprechende Methode zur Lokalisierung von Wüstungen, die mit anderen Methoden nicht zu finden sind, bietet die Auswertung historischer bzw. topographischer Karten. Im Kartenbild zeigen sich nicht selten die Umrisse von Gemarkungen wüstgefallener Orte als Anhängsel oder Erweiterungen von Gemarkungen heute noch bestehender Gemeinden, denen sie später einmal zugeschlagen worden waren. Dadurch ist es möglich, auch Ortswüstungen festzustellen, von denen im Gelände keine Spuren mehr zu finden sind12.

Neben dem Verlust der Gemarkungsgrenzen läßt auch ein weiter Abstand zwischen heutigen Siedlungen (Siedlungslückentheorie) auf die mögliche Existenz von Wüstungen schließen13. Die beiden letztgenannten Methoden der Wüstungsforschung bildeten den Ausgangspunkt für die Erforschung von Wüstungen in der Umgebung von Steffeln.

Einen weiteren Ansatzpunkt bildete die Ortsund Flurnamenetymologie. Gerade diese Methode kann zur Überwindung der Schwierigkeiten von fehlenden urkundlichen Überlieferungen abgegangener Siedlungen verwendet werden. Die Flurnamenbestände enthalten häufig Hinweise auf Siedlungen, die im Verlauf des spätmittelalterlichen Wüstungsprozesses untergegangen sind14. Es kann zwar nicht mit Sicherheit gesagt wer den, daß alle Flurnamen mit den Suffixen -rath, -ert, -scheid auf abgegangene Höfe oder Dörfer zurückzuführen wären, aber ebenso wie die wüstungsverdächtigen Flurnamen mit den Endungen -dort, -hof, -hausen und -weiler bilden sie zusammen mit anderen Indizien doch eine gewisse Grundlage für die Lokalisierung von Wüstungen 15.

Danken möchte ich an dieser Stelle meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Walter Sperling (Trier), der mein Interesse für historisch-geographische Fragestellungen geweckt hat, sowie meinem Studienfreund Heinz Peter Brogiato (Birresborn/Trier) für zahlreiche wertvolle Hinweise und kritische Anmerkungen.

Flurnamen hilfreich

Der Ort Steffeln liegt in einer Talmulde, die nach O und SO geöffnet ist und flach abfällt, im W und N jedoch von dem bewaldeten Quarzitzug des Duppacher Rückens (bis 640 m) und vulkanischen Tuffkegeln (Steffelberg 607 m) umgeben ist. Obwohl jedoch gerade nach O und SO hin die fruchtbarsten Ackerböden liegen, das sogenannte »Aueler Land«, endet hier die Gemarkung bereits ca. 500 m vom Dorf entfernt (vgl. Karte). Dagegen erstreckt sich die Gemarkung von Steffeln besonders auffallend weit nach W (über 3,5 km Luftlinie), aber auch nach NW (ca. 1,7 km) und SW (ca. 2,5 km). Außerdem stellt man fest, daß nach O (Richtung Auel) und S (Richtung Duppach) sowie NO (Richtung Lehnerath) Offenland vorherrscht, während nach W, N und SW hin ein Großteil der Gemarkung von Wald bedeckt ist, in den breite Rodungszungen hineinragen. Der Ort Steffeln liegt also nicht im Mittelpunkt seiner relativ großen Gemarkung (1442 ha), sondern an deren östlichen Rand.

Im westlichen und nördlichen Teil der Gemarkung von Steffeln finden sich Flurnamen, die auf wüstgefallene Siedlungen hindeuten: Es handelt sich dabei um die Flurnamen Merscheid, Mannerscheid und Wahlhausen. Interessanterweise gibt es den Flurnamen »Mer-scheid«16 auch — etwas abgewandelt — als

»Auf Metscheid« im Grenzbereich der Gemarkungen der westlich anschließenden Nachbargemeinden Kleinlangenfeld und Reuth. In der Tranchot-Karte von 1809 heißt er noch ebenfalls »Merscheid«17.

Zeichenerklärung:

——     heutige Gemeindegrenzen

------     Gemarkungsgrenze von Steffeln 1809/10 

......      Grenze der Waldbedeckung um 1900

Merscheid     vermutl. Wüstung

Auf Metscheid Flurname - Steffeln heutige Gemeinde

Ausschnitt aus der Top. Karte 1:25 000, BL Nr. 5605 bzw 5705. Vervielfältigung mit Genehmigung des Landesvermessungsamtes Rheinland-Pfalz (58/86).

Die extreme West-Erstreckung der Steffelner Gemarkung ließe sich also damit erklären, daß bei dem Wüstfallen der Siedlung »Merscheid« deren Gemarkung zwischen Steffeln, Kleinlangenfeld und Reuth aufgeteilt wurde, während die Gemarkung der mutmaßlichen Wüstung »Mannerscheid« bzw. »Manscheit18 (nach der Tranchot-Karte) vollständig Steffeln einverleibt wurde. Am signifikantesten dürfte jedoch der Flurname »Wahlhausen«19 am nordöstlichen Rand der Steffelner Gemarkung auf eine Wüstung hindeuten. Dieser Flurname bezeichnet eine nach Steffeln hin steil abfallende, nach N jedoch flach geneigte Anhöhe, die nur ca. 800 m vom Dorf Steffeln entfernt liegt. Der Verlauf der auf der Tranchot-Karte von 1809 enthaltenen älteren Gemarkungsgrenzen läßt hier vermuten, daß die Gemarkung der Wüstung »Wahlhausen« zwischen Steffeln und Lehnerath aufgeteilt wurde.

Die Schwierigkeit beim Nachweis dieser Wüstungen besteht jedoch darin, daß keine schriftliche Überlieferung vorliegt. Allerdings muß berücksichtigt werden, daß die Schriftquellen für den Zeitraum vor dem 13. Jahrhundert in qualitativer und v.a. quantitativer Hinsicht ein großes Problem bedeuten20. Von ihren Namen her erscheinen die abgegangenen Orte als typisch für die hochmittelalterliche Rodungszeit und sind ein Beleg für späte Besiedlung des Raumes21.

Unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse kann von einem Wüstfallen der Orte Merscheid, Mannerscheid/Manscheit und Wahlhausen im 12./13. Jahrhundert ausgegangen werden. Da sie — mit Ausnahme von Merscheid — Ortswüstungen ohne Flurwüstungen darstellen, sind sie nach H. Jäger als »Begleiterscheinungen des hochmittelalterlichen Landesausbaues« zu werten und stellen lediglich »Verschiebungen der Siedlungssubstanz« dar22. Die bäuerliche Bevölkerung dieser wüstgefallenen Siedlungen dürfte nicht zuletzt wegen der schlechten Boden- und Klimaverhältnisse (Merscheid = Sumpfwald!) abgezogen sein.

Bisher konnten die Dorfstätten dieser drei Wüstungen nicht genau lokalisiert werden. Archäologische Untersuchungen bzw. Grabungen wurden zwar noch nicht unternommen, aber auch die ungefähre Lagefeststellung erweist sich aus zwei Gründen als äußerst problematisch: Zum einen ist die Feststellung von Flurwüstungen in den umfangreichen Waldarealen nur schwer möglich, weil durch die bis weit in das 19. Jahrhundert hinein praktizierte Rott- und Schiffelwirtschaft Flurwüstungen aus der Römerzeit und dem Mittelalter weitgehend zerstört wurden23. Daher sind die üblichen Flurrelikte wie Ackerterrassen, Lesesteinhaufen, Wölbäcker, aber auch Hauspodeste schwer nachweisbar24. Die älteren Kartenwerke wie z.B. die Tranchot-Karte enthalten keinerlei Hinweise auf Überreste aufgegebener Siedlungen für diesen Bereich.

Zum zweiten wurden durch die in den sechziger Jahren durchgeführten Flurbereinigungsmaßnahmen zahlreiche Ackerterrassen im Bereich der Fluren Mannerscheid, Frohnert (zwischen Mannerscheid und Merscheid) und Wahlhausen planiert. In den Meßtischblättern der Preußischen Landesaufnahme aus den Jahren 1886 - 93 sind diese Ackerterrassen auch nur zum Teil eingezeichnet25.

Weitere Wüstungen in der Umgebung von Steffeln sind urkundlich belegt: 1282 werden Bremden und Underbechem zusammen mit Steffeln und Auel vom Herrn von Schieiden an die Herren von Blankenheim verkauft26. 1519 werden im Weistum von Steffeln die »scheffen zu Breme... her Schweyghe zu Breme« genannt27. Aufgrund dieser letzten Erwähnung kann — nach W. Janssen — geschlossen werden, daß Brembden/Breme in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wüstgefallen ist.

Einen Hinweis auf die Lage der Wüstung gibt die Flurbezeichnung »Prembs-Berg« (nach der Tranchot-Karte) oder »Bremspert« am nördlichen Rand der heutigen Duppacher Gemarkung, nicht weit entfernt vom Kreuzungspunkt der Aueler, Duppacher und Steffelner Gemarkungsgrenzen. Somit kann auch hier auf eine Aufteilung der Gemarkung dieser wüstgefallenen Siedlung unter den Nachbargemeinden geschlossen werden28.

Das in dem Beleg von 1282 genannte »Underbechem« ist bisher vergeblich gesucht worden. Auch die Flurnamensanalyse konnte hier keine Hilfen bieten. Bei der Durchsicht von älteren Karten der Eitel fand sich aber in der von Arnold Mercator 1560 gezeichneten »Mappa geographica« der Westeifel29 das als Hof oder Weiler bezeichnete »Underbechen«. Nach dieser Karte lag »Underbechen« nordwestlich von Duppach am Dreisbach30. Schließlich ist »Underbach« noch in der Eifel-Karte von Giacomo Cantelli von 168931 als in der Nähe von Steffeln und Duppach liegend verzeichnet.

Im südwestlichen Bereich der heutigen Steffelner Gemarkung fällt die Flurbezeichnung »Aueler Wald« auf. Die Tranchot-Karte zeigt, daß die Flur nicht zu Steffeln gehörte, sondern quasi eine Aueler Exklave war, die durch eine nach S reichende Ausbuchtung der Steffelner Gemarkung von der übrigen Aueler Gemarkung getrennt war (siehe Karte). Da der »Aueler Wald« kaum 1,5 km nordwestlich der angenommenen Lage der Wüstung Underbechem liegt, scheint es durchaus denkbar, daß er einmal einen Teil der Gemarkung von Underbechem bildete, die zwischen Auel und Duppach (!) aufgeteilt wurde.

Auf der beigefügten Karte ist eine deutliche Ausbuchtung der Gemarkung der Gemeinde Auel nach N und NW hin zu erkennen. In diesem Bereich, nordöstlich von Auel, liegt die Flur »Bammerwiese«32. Dieser Flurname ist zurückzuführen auf die »uilla bamma«, die in einem Prekarievertrag vom 15. Juni 943 zusammen mit Steffeln aufgeführt wird33. In einer Urkunde aus dem Jahre 1331 wird ein Wailwayn von Bamme als Lehnsmann Gerhards von Blankenheim genannt34. Die letzte Erwähnung des »hoffs von Bamden« findet sich im Aueler Weistum, wohl aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts35. Ausgehend von der letzten Erwähnung scheint der »hoff von Bamden« in demselben Zeitraum wie Bremden wüstgefallen zu sein, also in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Nach den bisherigen Überlegungen läßt sich ein Kranz von sechs Wüstungen, die flurnamenetymologisch oder urkundlich belegbar sind, feststellen. Ein Blick auf die Gemarkungsgrenzen von Steffeln zeigt aber, daß im NW eine weite Ausbuchtung vorhanden ist, für die sich bisher noch keine Erklärung finden ließ. Diese könnte vielleicht eine volkstümliche Überlieferung bieten: In der Nähe des heutigen Aussiedlerhofes »Katharinenhof«, im Bereich der Flur »Loppenhäuschen« (!) habe sich ein Ort »Ober-Staffel« befunden. Dieses Dorf sei jedoch aufgegeben worden und die Bewohner seien in das damalige »Nieder-Staffel«, heute Steffeln, gezogen. Eindeutige Belege fehlen zwar für den Nachweis einer ehemaligen Siedlung, jedoch kann hier auf Jungandreas verwiesen werden, der den Ortsnamen Steffeln von »Staffel« ableitet36. Möglicherweise hätten wir also hier eine weitere Wüstung aus der hochmittelalterlichen Rodungsperiode vor uns. Rodezeitliche Gründungen, die von den Bewohnern bestehender Orte angelegt wurden, tragen häufig zur Unterscheidung von diesem die Zusatzbezeichnung »Ober-«. Der Grund für die Aufgabe des Dorfes dürfte in der Erschöpfung des Boden gelegen haben, der bis in die Mitte dieses Jahrhunderts lediglich extensiv (teilweise Schiffelwirtschaft) genutzt wurde.

Zusammenfassend läßt sich feststellen: Verschiedene Indizien sprechen für das Vorhandensein von sieben Wüstungen im Raum Steffeln, Auel, Duppach.

1. Die extreme Westausdehnung der Gemarkungen bzw. die periphere Ostlage der Dörfer Steffeln und Duppach innerhalb ihrer Gemarkungen lassen Ortswüstungen in den Randbereichen der Gemarkungen vermuten. Eine totale Flurwüstung dürfte lediglich bei der Wüstung Merscheid vorliegen, während die Wirtschaftsflächen der übrigen Wüstungen zumindest noch teilweise genutzt werden, also nur partielle Flurwüstungen sind.

2. Besonders auch die Flurnamen sind in fünf Fällen als Indizien für die Existenz und die Lage von Wüstungen zu werten. In den Schriftquellen sind dagegen nur drei Wüstungen nachgewiesen. Der Ort Steffeln wäre also nach den bisherigen Ergebnissen von einem Kranz von sieben Wüstungen umgeben.

Es kann durchaus vermutet werden, daß die letzten Bewohner dieser Wohnplätze in die weiterbestehenden Dörfer der Umgebung gezogen sind. Die Fluren der wüstgefallenen Siedlungen wurden mit Ausnahme von Merscheid jedenfalls nicht oder nur zu einem Teil aufgegeben und dem Wald überlassen, wenn auch die Nutzung bis weit in das 19. und 20. Jahrhundert weitgehend in extensiver Form erfolgte. Damit fänden auch die relativ große Gemarkung von Steffeln wie auch ihre extreme Westerstreckung — letzteres ist auch bei Duppach der Fall — eine Erklärung.

Anmerkungen:

1 vgl. Janssen: Burg und Siedlung als Problem der rheinischen Wüstungsforschung, S. 77ff.; Henkel: Stand und Aufgaben der modernen Wüstungsforschung, S. 97ff.

2 vgl. die Zusammenstellung der Wüstungstheorien bei Jäger: Wüstungsforschung in geographischer und historischer Sicht, S. 194ff.; Born: Wüstungen und Sozialbrache, S. 143ff.; ders.: Wüstungsschema und Wüstungsquotient, S. 208ff.; ders.: Objektbestimmungen und Periodisierungen als Problem der Wüstungsforschung, dargelegt unter vornehmlichen Bezug auf neuere Untersuchungen, S. 43ff.

3 vgl. Janssen: Studien zur Wüstungsfrage im fränkischen Altsie-delland zwischen Rhein, Mosel und Eifelnordrand Bd. 1, S. 237; Abel: Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, S. 86f.

4 vgl. Janssen a.a.O., S. 223ff. {

5 Die Fehlsiedlungstheorie kann nur im Einzelfall angewendet werden; sie ist nur im Zusammenhang mit der agrarwirtschaftlichen Krisensituation zu verstehen. — vgl. Abel: Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. S. 117.

6 vgl. dazu Schwind: Der Eifelwald im Wandel der Jahrhunderte ausgehend von Untersuchungen in der Vulkaneifel.

7 Janssen a.a.O., S. 219ff.

8 Janssen a.a.O., S. 77ff.

9 Janssen a.a.O., S. 192ff.

10 ebd.

11 Janssen a.a.O., S. 197ff.

12 vgl. Janssen a.a.O., S. 99ff.

13 vgl. Henkel a.a.O., S. 100.

14 vgl. Janssen a.a.O., S. 79.

15 vgl. Seel: Orts- und Flurwüstungen der Eifel, S. 473; Henkel a.a.O., S. 101.

16 Merscheid = Sumpfwald. — vgl. Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes, S. 672; Dittmaier: Rheinische Flurnamen, S. 192ff, 262. Die Endung -scheid wird sowohl in der Bedeutung von Wasserscheide als auch Wald gebraucht. — vgl. Jungandreas: Das Problem der Namen auf -scheid, S. 96ff. Lage der Flur Merscheid auf der Topographischen Karte 1:25000 Bl. 5705 Gerolstein: r 25 37000-38200, h 55 72500-73500.

17 vgl. Tranchot-Karte NA Bl. 153 Prüm.

18 Mannerscheid: »mantel« = Föhre; also Föhrenwald. — vgl. Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes, S. 642. Lage der Flur Mannerscheid: r 25 38800-39200, h 55 72600-73000.

19 Wahlhausen = »Waldhausen«. — vgl. Dittmaier a.a.O., S. 329. Obwohl Janssen, Bd. 2, S. 207, mit seiner Lagebestimmung, »um die kleine Kapelle Walhausen (habe) eine Ansiedlung Wahlhausen« bestanden, durchaus Recht haben könnte, irritiert dagegen seine Bemerkung, daß die Tranchot-Karte NA Bl. 142 Hillesheim zwar den Flurnamen Walhausen enthalte, »aber keinen Hinweis auf die Kapelle dort« biete. Daß dieses auch nicht möglich sein konnte, ergibt sich aus der Tatsache, daß die Kapelle erst 1947 aufgrund eines Gelöbnisses der Pfarrangehörigen von Steffeln aus dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Lage der Flur Wahlhausen: r 25 40500-41100, h 55 73100-73500. so Janssen a.a.O., S. 191 vgl. Janssen a.a.O., S 95ff

22 Jäger: Entwicklungsperioden agrarer Siedlungsgebiete im mittleren Westdeutschland, S. 16.

23 vgl. Seel a.a.O., S. 477.

24 Eine von Janssen durchgeführte Ortsbegehung erbrachte keine Hinweise. — Janssen a.a.O. Bd. 2, S. 206.

25 vgl. Meßtischblatt Nr. 3314 Gerolstein der Preußischen Landesaufnahme (1886-1893).

26 Mittelrheinische Regesten Bd. IV, S. 1010; vgl. dazu Jungandreas a.a.O., S. 108. Lage der Flur Bremspert: r 25 40500-41100, h 55 70000-70700. In einer Urkunde von 1514 wird Gerlach von Win-neburg von dem Prümer Abt Wilhelm mit fünf Lehen zu »Bren-den« belehnt. — Eiflia illustrata Bd. II, 2. Abt., S. 447.

27 Grimm: Weisthümer Bd. 2, S. 586

28 Janssen a.a.O. Bd. 2, S 205f. vermutet dagegen die Wüstung Brembden/Breme im äußersten NW der Gemarkung Steffeln, wo sich eine flache Anhöhe von 605 m u.d.M. befindet, die mit »Premer Kopf« bezeichnet wird. Diese Lagefeststellung scheint mir jedoch gegenüber der Lage der Flur Bremspert weniger stichhaltig zu sein, zumal einige Kilometer südlich des »Premer Kopfes« eine Anhöhe den ähnlich klingenden Namen »Prümer Kopf« trägt. Die Bezeichnungen Brembden/Breme, Premer Kopf und auch Prümer Kopf sind auf das moselfränkische »brem(m)e« = Ginster zurückzuführen. — Jungandreas a.a.O., S. 108; ders.: Das Problem der Namen auf -scheid, S. 98; Dittmaier a.a.O., S. 39. Im Bereich der Flur »Bremspert« wurden in den letzten Jahren mittelalterliche Keramikfunde gemacht (It. frdl. Mitteilung von Herrn Paul Suges,Duppach

29Mappa geographica der Westeifel Arnold Mercator 1560 in einer vollständigen Kopie von 1761.

30 Duppach wird in mehreren älteren Kartenwerken als »Operbach« (= Oberbach) bezeichnet. Dieser Name würde mit »Underbe-chem« korrespondieren. In folgenden Kartenwerken findet sich »Underbechem« oder »Underbach« (Auswahl): Treveri Archidiac-ne de Coblents dans le Dioecese de L'Arechevche de Treves von Nicolas Sanson. Paris 1658. Archiepiscopatus ac Electoratus Treverensis ditio.. von Nicolas Visscher. Amsterdam um 1660. Mosellae Fluminis Tabula Specialis in qua Archiepiscopatus et Electoratus Trevirensis von Joh. Baptist Homann. Nürnberg um 1712.

Parties des Archevesches et Electorats de Mayence; de Treves; Du Palatinat et Electorat Du Rhein von Charles Hubert Alexis Jaillot. Amsterdam 1785.

Karte von Prüm und Umgebung von Louis Capitaine 1797. Karte des Prümer Landes. Weimar 1807. Teilabdrucke der vorgenannten Karten sind enthalten in: Die Eifel und das Prümer Land in alten Landkarten, S. 34, 36, 56, 76, 88, 90.

Allerdings ist bei diesen Kartenwerken Zurückhaltung hinsichtlich der Genauigkeit angebracht. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß sämtliche Angaben dem Zeitpunkt der Drucklegung entsprechen. In Zusammenhang mit den Wüstungen Brembden/Breme und Unterbechem könnte die Sage über den ersten Kirchenbau in Duppach stehen: Diese Sage berichtet, daß Duppach ehemals aus fünf Häusern bestanden habe sowie zwei Höfen. Einer dieser Höfe habe in der Nähe des Dreis (Sauerquelle) gelegen, der andere in der Nähe des Eichholz-Kreuzes. Im Streit über den Bauplatz habe das Bauholz bereits in der Nähe des Kreuzes gelagert, aber überirdische Macht habe es an die Stelle der jetzigen Kirche versetzt. Soweit die Sage. Die Flurbezeichnung Eichholz findet sich unmittelbar nördlich der Flur Bremspert. Bei diesem in der Sage erwähnten Hof dürfte es sich wohl um Brembden/Breme handeln.

Mit dem zweiten Hof, in der Nähe des Dreis — dieser liegt etwa einen Kilometer nordwestlich des Ortes Duppach — wird wahrscheinlich die Wüstung Underbechem gemeint sein. Der Kern der Sage scheint die Erinnerung an die aufgegebenen Siedlungen zu beinhalten und steht vielleicht in Zusammenhang mit dem Abwandern der Bevölkerung in den größeren Pfarrort Duppach. — vgl. Oster: Geschichte der Pfarreien der Dekanate Prüm-Waxweiler, S. 555. Vermutliche Lage von Underbechem: r 25 38900-39500, h 55 69500-70300.

31 Paese d'Eiffel nel quäle Sono Parte del Ducato di luliers, il Principato d'Arenberg, li Stati de Conti di Manderscheit, laContea di Reiferscheid von Giacomo Cantelli da Vignola. Rom 1689.

32 vgl. Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes, S. 41. Nach Dittmaier: Rheinische Flurnamenstudien, S. 109ff., leitet sich der Flurname Band, Bend, Bamden von mlat. banimentum, banementum her, der eine »Heuwiese« bezeichnet, die zeitweise gegen Beweidung gebannt, gesperrt war. Lage der Flur Bammerwiese: r 25 42100-42500, h 55 72500-72900.

33 Mittelrheinische Regesten Bd. l, S. 260: »bamma uilla«. Mittelrheinisches Urkundenbuch Bd. l, Nr. 180, 181: »uilla bamma«, »uilla bamme«; vgl. Nonn: Pagus und comitatus in Niederlothringen, S. 178, Anm. 1096.

34 Schmitz-Kallenberg: Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen Bd. 1, H. IVa, S. 41(5).

35 Grimm: Weisthümer Bd. 2, S. 587

36 Jungandreas: Historisches Lexikon der Siedlungs- und Flurnamen des Mosellandes, S. 1007.

Literaturverzeichnis:

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Karten (mod.)

Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling 1803-1820:

Bl. 142 Hillesheim, aufgenommen 1809/10

Bl. 141 Stadtkyll, aufgenommen 1809/10

Bl. 153 Prüm, aufgenommen 1810/11

Bl. 154 Gerolstein, aufgenommen 1809.

Reproduziert u. hrsg. v. Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz. Koblenz 1967. (Publik. d. Gesellsch. f. Rhein. Gesch.kde. XII, 2. Abt. N.F.) Meßtischblätter der preußischen Landesaufnahme aus den Jahren 1886-1893. (Maßstab 1:25000):

Bl. 3314 Gerolstein

Bl. 3264 Stadtkyll.

Topographische Karte 1:25000:

Bl. 5705 Gerolstein Ausg. 1963

Bl. 5605 Stadtkyll Ausg. 1964.

Hrsg. v. Landesvermessungsamt Rheinland-Pfalz, Koblenz. Die Eifel und das Prümer Land in alten Landkarten. Hrsg. v. Ge-schichtsverein Prümer Land u. Museum Prüm. Bearb. v. A. Müller (Ausstellungskatalog) Prüm 1982.

Mittelrhein und Moselland im Bild alter Karten. Mit einem Beitrag von F. Hellwig: Zur Geschichte der älteren Kartographie vom Mittelrhein und Moselland. (Ausstellungskatalog) Koblenz 1985.