Du bist mein Nächster

Hildegard Sebastian, Daun

 

Am Samstag abend, wie meist immer,

vergangen sind schon ein paar Wochen,

ich saß daheim in meinem Zimmer:

Da wurd' das Wort zum Sonntag gesprochen.

Ich hörte, wie der Pfarrer sagte,

und solches Wort man nicht vergißt,

daß eine Frau ihn einmal fragte,

wer eigentlich der Nächste ist?

Ich glaubte da nicht recht zu hören,

wenn einer solche Frage stellt;

man muß es doch nicht erst erklären,

wen man für seinen Nächsten hält!

Der Nächste wohnt gleich neben dir

und ist ein Mensch genau wie du,

klopft manchmal auch an deine Tür,

mach du sie ihm nur ja nicht zu;

Er will dich oftmals nur was fragen,

er weiß sich selber keinen Rat;

du sollst ihm eine Antwort sagen,

wenn er voll Kummer darum bat.

Oft hält er es in seinem Haus,

weil Leid und Not ihn fast erdrückt,

vor lauter Sorgen nicht mehr aus,

die ihm der Herrgott hat geschickt.

Dann mache du ihm wieder Mut

und hab für ihn ein liebes Wort

und sag ihm: »Es wird schon gut!«

und nimm ihm seine Ängste fort;

oft ist er traurig, weil er krank,

steh du ihm dann zur Seite;

er weiß dir sicher später Dank,

weil er sich darüber freute,

und sei nur ja nicht gleich erbost,

egal, um was er bittet,

sei du ihm Hilfe, sei ihm Trost,

wenn seine Welt zerrüttet!

Du bist doch so ein guter Christ

und hältst dich selber ja dafür,

weißt du jetzt, wer dein Nächster ist?

Er wohnt gleich neben dir!

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