Suche nach verlorenen Werten

Nachdenkliches und Hoffnungsvolles für stille Stunden

Paul Quabeck, Hagen-Helfe

 

»Wir haben was verloren und wissen noch nicht was!« So sangen einst Kinder bei ihren frohen Reigen. Unbewußt sprachen sie damit aus, was Erwachsenen heute auf der Seele brennt, die Sorge um jene Werte, die uns einmal so lieb und teuer waren. Wir klagen heute mit Recht über schlechte Luft, vergiftete Böden und saure Wälder. Dabei vergessen wir nur zu oft die immer weiter um sich greifende Verschmutzung unserer geistigen Umwelt.

Wie hat man unsere gute Muttersprache verdorben, verfremdet und mißbraucht. Wie durfte man ihre Worte so verdrehen, verzerren, und sie durch Plattheiten und Blödeleien aushöhlen und entleeren. Nannte man uns nicht das Volk der Dichter und Denker? Wie viele beziehen heute ihre geistige Kost aus zwielichtigen Massenmedien mit ihrem Klatsch und ihren oft anzüglichen Bildern.

Was haben wir aus unseren Festen und Feiern gemacht? Sind sie nicht vielfach zu Feten und Partys herabgesunken, mit flacher Unterhaltung, Genußgier und Ausgelassenheit, die nur einen faden Nachgeschmack hinterlassen? Die schönen sportlichen Spiele laufen Gefahr, in Rekordsucht auszuarten. Dabei bleibt oft die Gesundheit auf der Strecke; und es wird, wie wir im Augenblick böse erfahren, sogar Leib und Seele mißachtet, sobald Rowdies anfangen zu randalieren.

Mit Trauer stellen wir fest, daß unsere Sonn-und Feiertage zu Freizeitlücken verkümmern. Die Tage werden oft halb verschlafen oder mit restlichen Arbeiten ausgefüllt. Sport und Vergnügen müssen manchmal den Gottesdienst ersetzen, den wir eigentlich dem Herrn schulden, als Dank dafür, daß er uns diese Zeiten der Ruhe und Besinnung geschenkt hat. Sind wir nicht auch undankbare Gäste, wenn wir beim Geber aller guten Gaben ohne Bitten und Danken an den oft noch reich gedeckten Tischen sitzen? Für wie viele andere Wohltaten hätten wir außerdem zu danken?!

Was bedeuten heute Ehe und Familie, Liebe und Treue? Werte, die uns immer heilig waren. Statt Bindung und Verantwortung Ehebruch, Scheidung und Kindesmißhandlung, Folgen von krassem Egoismus und auswuchernder Erotik. Da bleibt die Menschenwürde auf der Strecke. - »Das Bewußtsein für das Böse wird heute in erschreckender Weise verdunkelt.« (Kardinal Höffner).

Wer darf noch von Heimat und Vaterland sprechen, ohne als Phantast oder Fanatiker abgetan zu werden?! Dabei sind dieses doch die Urgründe, aus denen wir Leben und Kultur schöpfen. »Hör mich, denn alles andere ist Lüge; kein Mensch gedeiht ohne Vaterland!« (Th. Storm). Heimat, das sind nicht nur räumliche Bindungen, sondern vor allem die Menschen, denen wir Sprache, Sitte und den Glauben der Väter verdanken. Ihnen bleiben wir zeitlebens verpflichtet.

Leben in Freiheit

Freiheit von allem! Ja, gibt es das überhaupt? Lassen wir uns nicht durch Schlagworte betören; dafür ist die Freiheit ein zu hohes Gut! »Freiheit sei der Zweck des Zwanges. Wie man eine Rebe bindet, daß sie, statt im Staub zu kriechen, froh sich in die Lüfte windet.« (Fr. W. Weber). Wer nach oben will, muß Ballast abwerfen. Lassen wir nicht zu viel Negatives in unseren Geist hinein, Dinge, die uns nur lahmen und lebensuntüchtig machen?- Ein Ja zur Freiheit setzt Befreiung von Fesseln voraus, von Nikotin, Alkohol und Drogen, von Gier, Macht, Haß und Gewalt; auch von Ersatzgöttern, die uns vereinnahmen wollen. Nicht zu-letzt aber Befreiung von übertriebenem Konsum, dem Grundübel unserer Zeit.

»Vieler Menschen Sinn und Mut geht auf Ehre, Macht und Gut. Und wenn sie es konnten erwerben, legen sie sich hin und sterben« (Volksweisheit). - Nun aber zur Freiheit für etwas, für Wahrheit, Ehre und Recht für Hingabe und Dienst, für Verantwortung und Engagement. »Wahre Freiheit macht edelmütig und bescheiden und nicht unverschämt.« (Pestalozzi). -Welch ein Reichtum tut sich da auf! Er kann das Leben bis zum Rande füllen. Hier bietet sich die Möglichkeit zu echter Selbstverwirklichung.

An die Zukunft glauben

Trotz aller Verwirrung und Dunkelheit: »Die alten Sterne leuchten auch über der neuen Zeit« (Kardinal Faulhaber). Man sucht wieder nach tragenden Fundamenten, beobachtet mit kritischer Distanz und wählt nur das Beste. Qualität, statt Quantität. Das gilt besonders für die Medien, deren Einfluß immer größer wird. Nach den Worten von Weizsäckers können sie auf Dauer wertvolle kreative Begabungen und Kräfte in ihrer Entfaltung lahmen. »Jugend entdeckt wieder den Wert des Schweigens. Tausende verharren im Kölner Dom in Gebet und Betrachtung.« (Taize). »O komm, Gewalt der Stille und wandle du die Welt!« (W. Bergengruen).

Groß ist der Einsatz junger Menschen in kirchlichen und weltlichen Gruppen für Kranke und Behinderte, für Hungernde und Unterdrückte, für Frieden und Freiheit. Sternsinger sammeln für Projekte in den Entwicklungsländern. Jugendliche helfen beim Wiederaufbau in Erdbebengebieten, bei der Pflege von Soldatenfried-höfen; beim Säubern der Wälder wie bei der Anlage von Spielstätten und Biotopen. Mit Begeisterung singt man in Kinderchören, pflegt Volkslied, Volkstanz und alte Bräuche. Jugend musiziert und Jugend forscht in ernstem Wettbewerb und auf hohem Niveau. Es wächst das Interesse und damit die Freude an der Natur. Man spürt wieder Ehrfurcht vor allem, was da lebt.

St. Josef, der Zimmermann, Hobbyarbeit von Paul Quabeck, Hagen-Helfe

Männer und Frauen kämpfen um die Würde und den Schutz menschlichen Lebens, die es gegen starke Widerstände zu verteidigen gilt. Zu ihnen gesellen sich auch die vielen Stillen im Lande, die selbstlos dienen, bewahren und aufbauen, fernab von Konferenzen, Diskussionen und Resolutionen. Sie bleiben in allen Krisen der tragende Grund, die Hoffnung aller Hoffenden. Es gibt wieder Begegnungen von Mensch zu Mensch; man ist mehr offen für Verständigung und Versöhnung. »Warum geben wir uns nicht so herzlich wie wir sind?« (A. Schweitzer). - »Man kann doch nur mit dem Herzen gut sehen; das Wesentliche bleibt den Augen verborgen.« (St. Exuperie). »Der Geist ist stärker als die Macht.« (Napoleon). Und »Gedanken und Worte können die Welt verändern.« (Lew Kopelew). »Darum sind es allein die Kräfte des Geistes und des Herzens, die uns vielleicht noch einmal werden retten können.« (K. H. Waggerl). Und noch einmal A. Schweitzer: »Weil ich auf die Kräfte der Wahrheit und des Geistes vertraue, glaube ich an die Zukunft der Menschheit.«

Für die dunklen Stunden des Lebens aber hat ein Weiser herausgefunden, daß in der Bibel das Wort »Fürchte dich nicht!« dreihundertfünfundsechzigmal vorkommt, also für jeden Tag des Jahres einmal. Zufall, oder für die Mutlosen und die von anonymen Mächten Bedrohten ein Trost?! - Der bedeutende Philosoph Peter Wust wurde von seinen Studenten nach einer letztgültigen Erkenntnis seiner Forschungsarbeit gefragt. Die Antwort: »Die großen Dinge des Lebens werden nur den Betenden geschenkt.« Darum die Bitten der Kirche an den hl. Geist: »Wasche, was befleckt ist! Heile, was verwundet ist! Tränke, was da dürre steht! Mache weich, was spröd' und hart! Wärme, was von Frost erstarrt! Lenke, was da irre geht!« (Pfingstsequenz).' — Jeder von uns kann die Welt ein Stück verwandeln.« (Gotteslob).« Darum wollen wir das Gute, das wir heute tun können, nicht auf morgen verschieben.« (Vinzenz Palotti).