Zeitbilder der Kreisgeschichte

Hinterland Eifel - Hinterland Köln

Eine kleine - nicht wissenschaftliche - Untersuchung

Hans Wilden, Köln

 

In einem Leserbrief, den kürzlich eine Kölner Tageszeitung veröffentlichte, brachte ein Fußballfreund die mäßigen Leistungen des 1. F. C. Köln in Verbindung zu den Kennzeichen der Pkw, die auf den Stadion-Parkplätzen stehen. Er meinte man sähe nur noch GL, BM, EU, DAU, usw. und viel weniger Kölner Kennzeichen. Dies beweise, daß die Kölner mit ihrem F. C. nicht zufrieden wären.

Das ist eine fundamentale Umdrehung von Tatsachen. Abgesehen von der indirekten Beleidigung, daß schlechte sportliche Leistungen für die Umland-Bewohner immer noch ausreichend seien, ist die ganze Vermutung falsch. Wer noch das alte Müngersdorfer Stadion mit seinen ausgetretenen Stufen kennt, der weiß, daß schon immer der Großteil der Zuschauer aus dem Umland kam. Inzwischen liegt sogar eine offizielle Untersuchung vor, die besagt, daß der 1. F. C. Köln die wenigsten Fans in der Stadt selbst hat. Die Hälfte aller Zuschauer nimmt Anfahrtswege von über 50 km in Kauf. Womit wir dann wieder in der Eifel wären.

Aber diese Feststellung gilt nicht nur für den Sport. Alle Großveranstaltungen, ob es nun sportliche, künstlerische oder karnevalistische sind, leben in Köln, wie in vergleichbar gelagerten Großstädten vom sogenannten Hinterland. Ähnlich sieht es mit den wirtschaftlichen Beziehungen aus. Die Lieferungen der größeren Firmen des Einzelhandels in das Umland waren immer ein ganz wesentlicher Teil des Gesamtumsatzes. Daran hat sich nicht viel geändert. Wir haben zwar den paradoxen Zustand, daß die Motorisierung den Landbewohner beweglich gemacht hat, andererseits auf den sogenannten »grünen Wiesen« soviel Groß- und Supermärkte entstanden sind, daß er gar nicht mehr in die Großstadt muß. Trotzdem überwiegen auch in den Großmärkten in Großstadtnähe nicht etwa die Städter, sondern die Bewohner des Umlandes.

Die beruflichen Bindungen Großstadt- Umland - Hinterland, hat es schon immer gegeben, wobei Stärke und Ausmaß je nach Konjunkturlage unterschiedlich waren. Wir haben z. B. jahrelang auf unseren sonntäglichen Rückfahrten nach Köln weibliche und männliche Lehrlinge mitgenommen, von denen manche noch nach Düsseldorf weiterfahren mußten. Das war schon in Zeiten ohne Arbeitslosigkeit so. Heute bringt der Lehrstellenmangel eine neue Situation. Der Zwang für viele, aus dem Umfeld in die Stadt zu drängen, ist geblieben.

Die aufgezeichneten Ströme gehen natürlich nicht nur in eine Richtung. Auch die Gegenströme sind interessant. Wer in der Vulkaneifel die Kfz-Kennzeichen der Wochenend- und Urlaubs-Gäste betrachtet, findet den stärksten Strom aus dem Köln-Bonner Raum, auch viel von Aachen her und dem linken Niederrhein. Bei den Ausländern überwiegen die Holländer, wobei man sich fragen muß: Warum soviel mehr Holländer als Belgier? Von Süden her kommt recht wenig zur Vulkaneifel, wenn man von der unmittelbaren - eher westlichen -Nachbarschaft von Koblenz absieht. Das mag damit zusammenhängen, daß südlich eben auch viel »Landschaft« geboten wird.

Neben diesen ständig sichtbaren Strömen, gibt es die unsichtbaren Verflechtungen. Die Älteren erinnern sich der Ergebnisse familiärer Ahnenforschung. Da wird es manchen »alten Kölner« hart angekommen sein, festzustellen, daß er zwei, höchstens drei Generationen zurück, direkt oder indirekt aus dem Vorgebirge, der Voreifel oder der Eitel stammte. Die Zweige der Stammbäume fast aller linksrheinischen Kölner gehen in westliche Richtung Eifel.

In die umgekehrte Richtung geht oft das Gefühl, zu einem bestimmten Raum zu gehören. Wer mit vielen Menschen in wechselnden Gegenden und Umständen zusammen kam, wurde oft durch Standortangaben überrascht, die eine Großstadt nannten, obwohl der Sprachklang nicht dazu paßte. Wer ein Ohr für Dialekt-Anklänge hat, erstaunte dann bei Begegnungen mit Leuten, die behaupteten »Kölner« zu sein, oder - noch schlimmer - im falschen Tonfall sagten: »Ich benn och us Kölle«. Da ist ein Raumgefühl vorhanden, das eher aus übertriebener Bescheidenheit stammt oder aus Verlegenheit, eine kleine Stadt oder ein Dorf nennen zu müssen.

Ich habe darin nie einen Sinn sehen können. Es kann doch jeder sagen, wo er her kommt. Und die entlegenen Orte von einst gibt es bei den heutigen Verkehrsbedingungen nicht mehr. Das war einmal.

Aber diese Redewendung ist sehr alt. Schon der berühmte Prof. Adam Wrede schreibt 1924 in seiner »Eifler Volkskunde«: »Niemand hatte in der Eifel selbst wohnen, niemand selber Eifler sein wollen, ob ans falscher Scham« .. . oder anderen Gründen. - Ernst Moritz Arndt schreibt in einem 1844 veröffentlichten Gedicht: »Sein Land, wie Petrus einst den Herrn, verleugnete der Eifler gern«.

Mag das heute nicht mehr so sein, wollen wir hoffen. Ein Buch wie dieses will darin bestärken, zu seiner Heimat zu stehen und in der Herkunft aus kleinerem Umfeld keinen Nachteil zu sehen.