Der Mutter eine Freude machen

Andreas Kösler, Gönnersdorf

 

Man schrieb das Jahr 1915 im ersten Weltkrieg. Der Vater war an der Front, die Mutter mußte sich mit den Kindern bescheiden durchschlagen. So auch unsere, wir beiden Jungen waren acht und elf Jahre alt. Zu dieser Zeit kannte man noch kein ausgebautes Sozialwesen, es hieß sparen, erfinderisch leben, alles verwerten.

Der ältere Junge - mein Bruder - mußte wohl oder übel schon viele Gartenarbeiten verrichten. Ich besorgte meist die kleinen Einkäufe im Tante-Emma-Laden und machte anfallende Botengänge. Beide halfen wir einem Metzgermeister, beim Säubern des Schlachthauses und danach kehrten wir den Hof am Haus, die Straße. Dafür bekam dann jeder zehn Pfennige und ein großes Stück Wurst. Beides wurde brav der Mutter abgegeben. Die Groschen kamen in die Sparbüchse, die Wurst verzehrten wir gemeinsam beim Abendbrot. Und da sagte meine Mutter eines Tages, ja, der Sockel in der Küche, der müßte unbedingt einmal gestrichen werden. Damals wurde noch mit Farbe gestrichen, Tapete gabs höchstens fürs Wohnzimmer. Mutters Wunsch, der Sockelanstrich, brachte den Jüngsten auf eine Idee. Er wollte der Mutter eine Freude machen, nichts sollte sie davon wissen.

Am nächsten Tag geschah es. Der Bruder war mit Schulfreunden im Garten, sie jäteten und Mutter mußte mit dem großen Einkaufskorb in die Stadt. Das dauerte immer seine Zeit, weil ja beim Kaufmann noch jede Ware einzeln abgewogen wurde und bei der Gelegenheit machte man mit den Nachbarsfrauen ein Schwätzchen über das Neueste, was es zu berichten gab. So nützte der Kleine die Möglichkeit, seine Idee umzusetzen. Daß Brikettasche, wenn sie feucht wird, einen leicht braunen Farbton gibt, hatte er schon im Hof neben dem Aschekübel gesehen. Also kurz entschlossen den Putzeimer her, mit der Kohleschaufel Brikettasche aus dem Kasten, nun genügend Wasser beigefügt und mit Mutters hölzernem Kochlöffel -dem neuen - kräftig durchgerührt. Als Pinsel war der schöne, neue Handfeger gut geeignet. Küchenbank und Stühle wurden von der Wand gerückt und los gings mit dem Sockelanstrich. Hei, wie das klappte! Der Schrank wurde ausgespart, er war zum Wegrücken einfach zu schwer. Als der Knabe mit seiner Kunst bald an der Tür angelangt war, stöhnte er laut und meinte. . . »oh, da bin ich doch noch fertig geworden«.

Das hörte die Mutter. Sie machte die Tür auf und konnte nur noch sagen. . .»mein Gott, was ist denn hier passiert?« Nun merkte sie aber am traurigen Gesichtchen des kleinen Andreas, daß er es ja nur gut gemeint hatte. Sie schimpfte nicht, versprach, daß es am Sonntag einen großen Hefetopfkuchen gäbe. Aber einen Anstreicher würde sie nun doch bestellen. Dann könne ja der kleine Geselle zuschauen, wie es richtig und fachmännisch gemacht wird, das Sockelstreichen.