Begegnung mit einem Auswanderer

August Meyer, Daun

 

Wer sich mit Geschehnissen in den Zeiten unserer Vorväter befaßt, kann immer wieder auf Unerwartetes stoßen. Solch ein »Fund« bietet Überraschung, belohnt unerwartet und ist Ansporn zu weiterem Suchen.

Zum ersten Mal begegnete ich dem Auswanderer Johann Füllens vor einigen Jahren im Landeshauptarchiv zu Koblenz. Dann fand ich seine Familie, als ich begann, ein Familienbuch der Pfarrei Mehren zusammenzustellen. Schließlich begegnete ich ihr in einer Notiz im Kirchenbuch der Pfarrei Brockscheid.

Im Mai des Jahres 1752 heirateten Johann Füllens und Margarete Schenk in der Pfarrkirche zu Mehren. Margareta stammte aus Eilscheid, folgte aber ihrem Mann in dessen Heimatort Tettscheid.

Ein hartes Leben lag vor beiden. Johann hatte von seinem Vater Adam nicht nur Felder und Wiesen geerbt, sondern auch Schulden. Schulden abtragen war aber in einer Zeit, in der Fleiß und Tüchtigkeit gerade dazu reichten, das eigene Leben zu fristen, fast unmöglich. Bereits im März 1751 hatte Johann eine Wiese für sechs Reichstaler verkauft. Im Frühjahr 1753 überließen beide einen Garten zur Hälfte dem Nachbarn Peter Müller für 10 Taler. Im März 1756 setzte der Tettscheider Schulmeister Bernard Steffens aus Steinborn einen Vertrag auf, in dem Füllens dem Eckfelder Nikolaus Schmitz drei Wiesen gegen 10 Taler verpachtete. 1757 ließ Füllens einen weiteren »Zettel« beginnen: »in unserer höchsten Not. . . «

In den kommenden Jahren häuften sich diese Zettel. Wiesen, Felder oder Gärten wurden verkauft oder gingen als Pfand an Geldgeber, Gläubiger. Den größten Betrag erhalten Johann und Margarete 1765 für eine Wiese in der »Menauw«. Der Üdersdorfer Johann zahlte 90 Reichstaler. Aber auch dieser hohe Betrag reichte ebenso wenig, wie die in den Jahren zuvor erhaltenen 170 Taler, um Füllens aus ihrer Not zu befreien.

1766 verkauften sie acht Felder und dreizehn Wiesen an den Tettscheider Matthias Schmitz. Der zahlte dafür 50 Taler - aber nicht an Füllens, sondern an folgende Gläubiger: Kirche in Strohn, Kellnerei in Daun, Pfarrkirche in Brockscheid, Peter Berens, Peter Müller, Matthias Korz aus Tettscheid und Bernard Steffens aus Brockscheid.

Diese Zettel sind in Akten die 164 Seiten enthalten, zusammengefaßt. Sie dienten als Beleg in einem gerichtlichen Verfahren zur »Konfiskation des Vermögens von Johann Füllens und Johann Lenard aus Tettscheid«, wie der Titel verheißt. Doch handelt es sich bei beiden um die gleiche Person, mit Familiennamen Füllens, mit Hausnamen Lenardt, Lennerts angegeben. Das geht aus den Schreiben der Kurfürstlichen Regierung zu Koblenz, des Amtskellners, des Amtsverwalters und Hochgerichtsschreibers zu Daun hervor.

Als Auswanderer hatte sich Füllens ohne Anmeldung nach Ungarn begeben, deshalb kam es jetzt zu Querelen, die so entschieden wurden: Was Füllens verkauft hat, bleibt verkauft, was verpachtet war, würde versteigert. Der Aktenpack brachte eine Fülle weiterer Informationen; 16 Tettscheider und 9 Trittscheider Bürger mit Vor- und Familiennamen, vier verschiedene Lehrer, darunter ein Tettscheider, viele Flurnamen in verschiedenen Schreibweisen.

Er brachte aber keine weitere Nachricht vom Auswanderer. Damit war für mich der »Fall« Füllens abgeschlossen.
Da hatte ich vor wenigen Wochen im Diözesan-Archiv zu Trier das erste Brockscheider Kirchenbuch in der Hand. Im Anhang des Registers fand ich eine Liste von Mitgliedern zweier Bruderschaften. Ich ging sie durch und wunder-te mich über die Vielzahl von Orten - mindestens 40 -, aus denen Bewohner einer der Bruderschaften angehörten. Dann stieß ich auf eine Eintragung des Pfarrers Servatius Steyl aus dem Jahre 1767:

»Ein Brief ist gekommen aus Hatzfeld im Banal bei Temeswar von Johann Füllens, er bittet in die Bruderschaft aufgenommen zu werden mit seiner Frau Margareta und den Kindern Anna Maria, Johann Leonard und Johann Peter.«

Ich freute mich sehr, mehr darüber zu wissen, daß Johann Füllens lange Reise ihr Ziel in Ungarn fand. Ich bekam ein neues Bild von diesem aufrechten Mann, der nun sicher sein konnte, daß seine Arbeit ihm Erfolg und Gewinn bescherten. Seine Frömmigkeit und Heimatverbundenheit bewies er. Notgedrungen ging er von daheim fort, er wollte der Eifel als Mitglied der Bruderschaft verbunden bleiben.