Nächtliches Abenteuer

Andreas Müller, Schönecken (12 Jahre)

 

Alles fing ganz harmlos an. In einem Pfadfinderlager in der Nähe von Daun sollten wir lernen, wie man sich in der Natur zu verhalten hat. Wir Pfadfinder zelteten zusammen mit einer DRK-Gruppe. Ich war damals erst 9 Jahre alt und gehörte zu den »Wölflingen«. Abends spielten wir oft alle gemeinsam das Flaggenspiel. Jede Gruppe bekam ein buntes Handtuch als Flagge, hatte diese in einem vorgeschriebenen Waldgebiet zu verstecken und die des anderen zu finden. Und nun gings los. In ca. 20 Meter Abständen grasten wir das Gebiet ab. Der Gedanke, die Flagge des Gegners zuerst zu finden und somit der Sieger zu sein, ließ alle mit Feuereifer suchen. Doch ein Junge bildete die einzige Ausnahme; ich. Übermüdet noch von der letzten Nachtwanderung, war ich wie in Trance. Die Sinne schwanden mir...

Als ich wieder zu mir kam, stellte ich erschrokken fest, daß kein Mensch mehr in der Nähe war. Mutterseelenallein stand ich nun zwischen kahlen Bäumen, deren Äste mir im Dunkeln wie verkrüppelte Arme schienen. Ich dachte, sie würden jeden Moment nach mir greifen. Voller Entsetzen rannte ich, so schnell ich konnte. Ich stolperte über eine freigelegte Baumwurzel; im Glauben, jemand hätte mir ein Beinchen gestellt, raste ich noch schneller durch den dunklen Wald. Sogar ein Edwin Moses hätte bei dieser Geschwindigkeit kaum mithalten können. Plötzlich blieb ich stehen. Vor mir eine Weggabelung. Was nun? Nach links oder nach rechts? Ein Stoßgebet zum Himmel sendend, entschied ich mich für rechts. Kaum 100 Meter gelaufen, vernahm ich Stimmen; ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich bog um die Ecke und entdeckte eine kleine Gruppe aus dem DRK-Lager. Schnell stürzte ich vor und fragte, wo denn das Pfadfinderlager wäre?

Das Lager ist gen Westen. Ich dankte für die Auskunft und rannte weiter. Also im Westen -aber wo war Westen? Ich hatte doch keinen Kompaß bei mir! Schöner Reinfall. Wie sollte ich jetzt das Lager finden? Ich schätzte, daß es nach Mitternacht sein müßte und lief, bis ich nicht mehr konnte. Dreimal stolperte ich dabei über im Wege liegende Äste. Resignierend setzte ich mich auf einen Baumstumpf und wäre bestimmt eingeschlafen, wenn ich nicht in der Ferne auf einmal Stimmengewirr vernommen hätte. Mit letzter Kraft schleppte ich mich zu der Stelle hin und - was sahen meine Augen? Vor mir das Pfadfinderlager! Endlich, nach drei schier unendlich langen Stunden hatte ich es gefunden! Ohne Zeit zu verlieren, ging ich in mein Zelt und schlief sofort ein. Und die Moral von der Geschichte?

Einschlafen gilt nicht, unter gar keinen Umständen!