Unser Jahrbuch-Menü

Lotte Schabacker, Daun

 

In diesem Punkt irrte meine Großmutter. Sie behauptete nämlich, alle Chefköche seien fett und furchtbar nervös. Der unsere jedenfalls, der Nico Sastges, der seit Jahren das Menü mit Namen »Heimatjahrbuch/Kreis Daun« überwachte, ist weder dies noch das; er hat (und macht) eine gute Figur, ist geduldig und freundlich, verliert nie den Überblick, sieht aber dabei meist aus, als lächle er. Und auch der Schirmherr des Unternehmens, so nebenbei Landrat, ist rank und schlank wie ein Jüngling. Nie sahen wir ihn fahrig herumzappeln.

Diese beiden Obermenschen haben sich einen Stab zugelegt, der sich Redaktion nennt. Er besteht aus fünf Fachleuten, die außer ihrer Funktion als Text-Köche auch noch besondere Aufgaben haben, z. B. die Betreuung der Küchenbelegschaft. Wir wollen sie hier alphabetisch geordnet vorstellen.

Wie alle anderen schöpferischen Hervorbringungen hat auch ein gediegenes Menü etwas mit Kunst und Kultur zu tun. Man sagt ja nicht umsonst Kochkunst und Eßkultur. Was liegt also näher, sich einen Mitarbeiter zu verordnen, der auch in der Dauner Verwaltung mit kulturellen Aufgaben betraut ist. So kann Franz-Josef Ferber seine Übung und Erfahrung hier einbringen, denn ein Menü ohne Kultur ist keine erfreuliche Mahlzeit.

Da gibt es aber auch die administrative Seite des Unternehmens. Wenn etwas funktionieren soll, muß es verwaltet werden. So dirigiert Helmut Klassmann, die Graue Eminenz der Küche, die Vorbereitungen zum Mammutmenü, er kauft ein, sortiert, schlingert gekonnt an roten Zahlen vorbei und sorgt für Pünktlichkeit. Ein unpünktliches Essen macht Ärger; er ist nicht zu beneiden, der Herr Verwalter. Und wenn der Tisch dann gedeckt ist, wirkt er zufrieden mit sich selbst und der Welt - aber auch ein wenig angegriffen. Was ihm zusteht.

Die besondere Vorliebe des Alois Mayer gilt der Kreis-Historie, das heißt, allen Zutaten, die eingekellert, eingefroren, eingeweckt oder bereits versteinert sind. Er gräbt aus, taut auf, macht geschmeidig und genießbar. Auf diesem Gebiet ist er über sich selbst hinausgewachsen, und wenn er sich mal erhebt, um das Wort zu ergreifen, meint man zunächst, er habe zwei Kochmützen übereinander auf dem Kopf. Aber dann sieht man, der ist so lang.

Eine Gesellschaft ohne Senioren ist ein Torso und so hat auch der Stab sich einen von ihnen verschrieben. Natürlich mußte es einer sein, der sich emanzipiert hatte von der Gängelei und Bevormundung der Jungen, der wußte was er wollte und kochte, was ihm schmeckte. Der eben in langen Lebensjahren den Umgang mit dem Text-Kochlöffel gelernt hatte, Hans Mühlhaus, quasi unser Senior honoris causa!

Der weibliche Teil der Belegschaft wird vertreten von Marianne Schönberg. Der Proporz zwischen Männern und Frauen ist bei uns genauso mißraten wie im Bundestag, aber unsere Marianne macht ihre Einzahl wett durch eine ganz besonders liebenswerte Begabung; sie schwingt außer dem Textkochlöffel auch ihre Fotoausrüstung und trägt so wesentlich zur Dekoration des Menüs bei, wohl wissend, daß eine schmuck- und bilderlose Mahlzeit nur die Hälfte wert ist.

Im allgemeinen dringen Schwierigkeiten unter den Bossen und dem Stab nicht an die Öffentlichkeit. Aber auch hier gibt es wie überall hin und wieder Schwerpunkt-Kontroversen. Soll das Menü nun mehr kulturelle, wissenschaftliche, historische oder erheiternde Genüsse bieten? Und läßt sich das überhaupt scharf trennen? Auch ein Tatsachengericht kann ja lustig sein, oder? Die Frage wird offenbar von Fall zu Fall geklärt, der Heilige Krieg ist jedenfalls noch nie ausgerufen worden.

Ein Bucn wird überreicht, druckfrisch von Verlagsleiter Koppert an Landrat Orth und ein Dankeschön an Nico Sastges für viel Arbeit ums Jahrbuch.

Ja, und dann haben wir das unentbehrliche Heer der Diät-, Bei- und Hilfsköche, fast 70 an der Zahl. Viele Köche verderben den Brei, heißt es, aber dieser Lehrsatz gilt hier nicht. Unsere Belegschaft sorgt für Vielfalt, sie schafft Zutaten und Gänge aus dem ganzen Dauner Kreis und dem Drumherumliegerstaat BRD herbei. Da werden nicht nur jene deftigen Gerichte geboten, die nach alten, bewährten Rezepten hergestellt sind (denn was der Bauer nicht kennt, das ißt er nicht), sondern auch phantasievolle Kombinationen aus der Küche des Zeitgeistes.

Weiter steht zur Wahl Nahrung für Feinschmecker, Vegetarier und Empfindliche; der kräftige Eintopf, beliebt bei den Bequemen; Vollwertkost für Gesundheitsbewußte; Mundart-Salate für Konservative; Frikadellen und so weiter. Auch ganz kleine Häppchen sind zu haben. Und manchmal findet man auch eine Speckschwarte, die einem bekannt vorkommt. Sie war schon mal ausgekocht. Sowas kommt eben vor. - Und die Desserts: Puddings in vielen Farben, durchsichtig oder auch nicht, mit oder ohne Sahne; Schaumspeisen, gereimt oder ungereimt; Obst, frisch oder eingeweckt. Wem das zu süß ist, der kann auf Käse auswei-chen, mit Löchern oder ohne. Jeder nach seinem Geschmack.

Nach Abschluß des Jahrbuch-Menüs '87 suchte Nico Sastges nach jüngeren Händen für sein verantwortungsvolles Amt. Er fand sie auch, Marianne Schönberg, Fachfrau schon seit vielen Jahren. Sastges selbst will sich in Zukunft an der Basis zu schaffen machen. Jahrelang habe er vergeblich auf bestimmte wichtige Menügänge gewartet, jetzt wolle er sie selbst zubereiten. Nun, wir werden sehen . . .