40 Jahre Rheinland-Pfalz

40 Jahre freie Kommunalwahlen

Landrat Orth sprach bei der Jubiläumsfeier

 

Der Kreis Daun zählt landschaftlich zu den reizvollsten Kreisen, ist jedoch wirtschaftlich mit das ärmste Gebiet innerhalb der Bundesrepublik. Die gleiche Armut ist auch in den Familien der Eifelbewohner, insbesondere der Landwirte, die Regel, hervorgerufen durch landwirtschaftlichen Kleinbesitz ohne wesentlichen Ertrag, sowie mangels anderweitiger Verdienstmöglichkeiten. Die Kriegsereignisse, von denen der westliche Teil des Kreises Daun infolge starker Zerstörungen und der Wegnahme des überwiegenden Viehbestandes hart betroffen wurde, haben eine außerordentliche Notlage ausgelöst. Der hier und dort vertretenen Auffassung, Eifellandschaft und Eifelnot sind unzertrennbar miteinander verbunden und man muß die Bevölkerung deshalb ihrem Schicksal überlassen, kann nicht beigepflichtet werden.

Dank der Initiative der Landesregierung von Rheinland-Pfalz und das seitens der Bundesregierung wiederholt bekundete Verständnis für die rote Zone darf nun mit einer baldigen Hilfe gerechnet werden. Daß sie angesichts der großen Notlage zunächst nicht besonders spürbar wird, dürfte niemand anzweifeln.

Sie merken, meine Damen und Herren, wir sind zurückversetzt in das Jahr 1946, und am 7. Mai 1948 schreibt mein Vorgänger, Herr Landrat Feldges: »Allen, die während der 3 letzten sehr schweren Jahre an der Entwicklung des Kreises und der Gemeinden mitgearbeitet haben, sei herzlicher Dank gesagt.«

Nach 40 Jahren schließe ich mich diesem Dank an. Wir haben die Männer der - wie man so gern sagt - ersten Stunde nach dem Inferno des zweiten Weltkrieges eingeladen und zwar alle, die bei der ersten Kommunalwahl in ein kommunales Parlament gewählt worden sind, um Ihnen persönlich den Dank abzustatten, der Ihnen gebührt, auch wenn Sie persönlich nichts davon wissen wollen. Ich begrüße Sie und freue mich über jeden einzelnen, der es möglich machen konnte, meiner Einladung zu folgen.

Mit mir danken Ihnen die kommunalpolitischen Enkel und Urenkel, die Bürgermeister der Ver-bandsgemeinden, die Mitglieder des Kreisausschusses und die Kreisdeputierten der jetzigen Legislaturperiode. Sie haben alle die Idee, Sie einmal einzuladen, sehr begrüßt. Und ich glaube, daß viele von Ihnen sich freuen, Mitstreiter aus der damaligen Zeit wiederzusehen, zurückzublicken auf das Jahr 1946 und die Jahre danach, aber auch mit den jüngeren in die Zukunft zu schauen.

Zurück zu den Jahren 1945/46: Mit Trier, dem »größten Dorf der Eifel« war man durch den Bischof und den Dom verbunden. Sonst gingen die familiären Bindungen und geschäftlichen Beziehungen nach Köln und ins Ruhrgebiet, wohin viele Kreisbürger bis in die 20er Jahre »auswanderten«.

Die Umorientierung nach Mainz und der für die Eifel wildfremden Pfalz fiel manchem Eifler schwer. Auch heute noch ist Rheinland-Pfalz ein junges Bundesland, wenn es auch älter als die Bundesrepublik Deutschland ist. Am Anfang stand der Befehl des französischen Zonenbefehlshabers, den Älteren unter Ihnen klingt das noch vertraut, dem Herrn Pierre Koe-nig vom 30. August 1946. Er verfügt damals die Bildung eines rheinland-pfälzischen Landes. Bereits einige Wochen später gab sich das am grünen Tisch entstandene Land durch die Wahl der kommunalen Körperschaften seine erste, demokratische Verankerung. Diese ersten freien Wahlen nach der langen Diktatur bildeten den Beginn unseres demokratischen Bundeslandes. Und hier bin ich wieder bei Ihnen, meine Herren - Damen waren leider damals noch nicht dabei. Sie wurden in den Gemeinderat, in die Amtsvertretung oder in den Kreistag gewählt. Viele gehörten auch mehreren Vertretungen an. Es ist nun nicht eine politische Deklamation des Landrats, es ist meine Überzeugung und vor allem meine persönliche Erfahrung. Was bei der Gründung des Landes 1946 und bei den ersten kommunalen Wahlen niemand glauben konnte; unser Land hat sich konsolidiert, es hat sein Selbstverständnis und seine Identität gefunden. Das kam nicht von selbst. Es waren Menschen, die dies bewirkt haben. Ich denke an Peter Altmeier, den ersten Ministerpräsidenten, an die Christdemokraten, die Sozialdemokraten und die Freien Demokraten, die unser Land zusammengeführt haben. Und unser Land besteht aus kleinen und größeren Ortsgemeinden, aus Verbandsgemeinden, aus Land- und Stadtkreisen. Wenn Demokratie in den kleinen Einheiten nicht klappt, kann sie auch oben nicht zum Zuge kommen und die demokratischen Parteien und freien Wählergruppen übten sich in den ersten Nachkriegsjahren erfolgreich in Demokratie, als einer zwar schweren, aber der besten Staatsform.

Als im September 1946 nach dem Krieg der erste Kreistag, damals Kreisversammlung genannt, gewählt wurde, war der Kreis Daun 130 Jahre alt. Unsere Städte und Ortsgemeinden haben meist ein viel ehrwürdigeres Alter, mußten aber auch bei der Stunde Null beginnen. Eine einmalige Aufbauarbeit begann in allen Städten, Gemeinden und im Landkreis. Von den Wohngebäuden waren insgesamt 13 % zerstört, Gerplstein hatte 70 % seiner Häuser eingebüßt, Daun 52 % und Hillesheim 36 %, um nur einige zu nennen. Noch 1949 waren die 31 km Bundesstraßen zu 94 % schlecht und die 141 km Landstraßen 1. Ordnung zu 68 % kaum zu befahren. Trotz der großen Wohnungsnot wurden 280 Umsiedler und 324 Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten untergebracht.

Das und die Lasten als Besatzungsgebiet mit den Pflichten der Ablieferung waren die schweren Hypotheken, die auf Ihnen lasteten und die Sie nach und nach abtrugen. Sie, unsere Männer der ersten Stunde, brachten in die Kommunalpolitik die Erlebnisse des Krieges und der ersten Nachkriegszeit mit ein. Lassen sie es mich einmal unseren Bürgern draußen sagen: Was hatten wir doch im Landkreis Daun hervorragende, gestandene und engagierte Kreistagsmitglieder, Gemeinderats-, Stadtrats- und Mitglieder in den Amts-, später Verbandsgemeindevertretungen! Unser Landkreis mit seinen liebenswerten Städten und Ortsgemeinden wäre nicht der, der er ist, ohne die Entschlußkraft und die Bereitschaft einzelner, sich zu engagieren und manchmal auch zu unpopulären, aber notwendigen Beschlüssen ja zu sagen. Sie alle, jetzt darf ich auch die noch Aktiven mit einschließen, haben unseren Kreis entscheidend mitgestaltet und den Landkreis Daun aus dem Armenhaus Deutschlands herausgebracht.

Es wurde zunächst wiederaufgebaut, die Häuser, die Geschäfte, aber auch Kirchen, Schulen und Krankenhäuser. Wenn ich mir als Einzelbeispiel die Situation des Krankenhauses Daun nach 1945 ansehe, wo die Kranken in armseligen Baracken auf die Genesung warteten und dann lese, daß bereits 1952 ein neues Krankenhaus eingeweiht wurde, - in Gerolstein war es ähnlich - habe ich großen Respekt vor der Leistung derjenigen, die in den Kommunen, in den Pfarreien und sonstwie ehrenamtlich mitwirkten. Sie haben die Beschlüsse gefaßt, Gymnasien und Schulen gebaut, haben die Schulreform und die Verwaltungsneugliederungen mitgetragen, die schmerzliche Gesundschrumpfung der Landwirtschaft zugunsten der Industrialisierung erforderte auch von Ihnen Entscheidungen, die nicht immer leicht waren. Wenn ich mich mit den alten Mitgliedern der kommunalen Gremien unterhalte, kommt immer wieder die Begeisterung auf, mit der sie damals das Wagnis des Wiederaufbaus auf allen Gebieten in Angriff nahmen. Nicht zu vergessen sind aber auch die Frauen dieser Generation, die zwar nicht in der Öffentlichkeit wirkten, aber mit den Lebensmittelkarten und Textilscheinen haushalten mußten, oft Schlange standen vor den Läden, selbst beim Aufbau der Häuser mit Hand anlegten, bis 1948 mit der Währungsreform das sogenannte Wirtschaftswunder begann, das in aller Welt bestaunt wurde.

Immer wieder wird bei allen öffentlichen Anlässen, bei Jubiläen und Veranstaltungen der Generation gedankt, die vor 40 Jahren nicht resignierte, sondern sich bereit erklärte, mitzuarbeiten. Heute habe ich aber einmal die große Ehre und Freude, nicht nur theoretisch meinen Dank auszusprechen, sondern Sie ganz persönlich hier zu haben, Ihnen und zwar jedem einzelnen von Ihnen herzlich zu danken für Ihr Engagement, für Ihren ehrenamtlichen Einsatz, für Ihren Ideenreichtum bei der Verwirklichung der Entwicklung unserer Gemeinden und des Kreises. Sie rufen durch Ihr Beispiel die jüngere Generation zur Mitarbeit in der Selbstverwaltung auf. Sie kannten früher noch keine 40-Stunden-Woche, schafften aber mit die Voraussetzung dafür. Die auch in Zukunft zu erwartende weitere Verkürzung der für die Erwerbstätigkeit aufzuwendenden Zeit könnte und sollte zur Ausweitung der ehrenamtlichen Dienste in Staat und Gesellschaft führen. Kürzlich sagte der von mir verehrte, schon über 90 Jahre alte Professor von Nell-Breuning: »Wir müssen bereit sein, einen großen Teil unserer Leistung ohne Entgelt einfach deshalb herzugeben, weil wir es als sinnvoll, als sachdienlich, wenn nicht gar als geboten erachten.« Es scheint mir, daß diese Anregung auch von Ihnen stammen könnte.

Haben wir heute auch andere Aufgaben zu bewältigen als Sie früher, so sind wir doch als Kommunalpolitiker gefordert, die Probleme der 80er Jahre anzupacken. Wir haben Sorge um die Arbeitsplätze, der Umweltschutz ist uns als großes Problem aufgegeben, die Asylantenfra-ge macht vor der Haustür unseres Kreises und der Gemeinden nicht halt. Auch die Dorferneuerungsprogramme verlangen von den Ratsmitgliedern Entschlußfreudigkeit und Durchsetzungskraft.

Vor allen Dingen sind wir gefordert, zeitübergreifende, sittliche Werte und Ordnungen mit Überzeugung zu verteidigen und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Das Bekenntnis zu bleibenden Grundwerten wie Ehe und Familie, Schutz des werdenden Lebens, bewahrt uns davor, unsere Entscheidungen sprunghaft dem jeweiligen aktuellen Modetrend anzupassen. Wir sind keine Fernsehdemokratie, wo durch Knopfdruck abgestimmt wird, wer recht hat.

Wir bauen heute auf dem Fundament auf, das Sie uns gebaut haben. Wir versprechen Ihnen, daß wir für unseren Landkreis, für unsere Gemeinden und Städte mit Verantwortungsbewußtsein und Einsatzfreude arbeiten werden. Ich hoffe, daß Sie unsere Arbeit zwar kritisch, aber auch wohlwollend begleiten werden.