Realteilung in der Osteifel

Die Entwicklung in der Zermüllener Gemarkung seit 1890

Drs. Peter Burggraaff, Kelberg-Zermüllen

 

Im ländlichen Raum der Osteifel ist die Bebauung hauptsächlich in Dörfern und Weilern konzentriert. Außerhalb der Ortskerne trifft man nur Aussiedlerhöfe und kleinere Industrieanlagen an. Wie viele andere Dörfer in diesem Gebiet ist Zermüllen, seit 1971 bei der Ortsgemeinde Kelberg eingemeindet, ein kleines Haufendorf mit folgenden typischen Merkmalen: unregelmäßiges Straßennetz, unterschiedliche Größen und Formen der Haus- und Hofparzellen sowie unterschiedliche Entfernungen zwischen den Gehöften (Uhlig und Lienau 1972, S. 82).

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Zermüllener Gemarkung beträgt 334 ha. Auffällig ist, daß die meisten Parzellen ziemlich klein sind, im Durchschnitt etwa 35 ar. Dies ist eine Folge der in diesem Gebiet vorherrschenden Realteilung. Bei diesem Erbrecht wird der Grundbesitz gleichmäßig an die Erben verteilt; sowohl Söhne als auch Töchter sind erbberechtigt. Im Gegensatz zur Realteilung steht das Anerbenrecht, bei dem die landwirtschaftlichen Betriebe nicht geteilt werden, sondern auf einen Erben übergehen. Dieser muß allerdings die anderen Erben auszahlen (Rohm 1962, S. 290). Deswegen sind in Gebieten mit Anerbenrecht die Parzellen größer als in denjenigen mit Realteilung.

Bei »Parzellen« kann es sich sowohl um Eigentums-, als auch um Arbeits- oder Nutzungsparzellen handeln. In diesem Aufsatz geht es um Eigentumsparzellen, die kleinsten Einheiten des Katasters. Verschiedene Eigentumsparzellen, auch Flurstücke genannt, bilden ein Gewann. Die Gemarkung wird in Fluren und die Fluren werden in Gewanne unterteilt.

In der Zermüllener Gemarkung ist die Parzellierung aus der Zeit vor der Zusammenlegung (1889 - 1898) nicht mehr zu erkennen. Die starke Zersplitterung als Folge der Realteilung war für die Landwirte so nachteilig, daß eine Zusammenlegung und Erschließung der Fluren unbedingt notwendig war. Verfolgt wird, inwieweit die damals zusammengelegten Parzellen später wieder, als Folge der Realteilung, geteilt worden sind. Da das Erbrecht sich nicht veränderte, wäre zu erwarten, daß die Zusammenlegung nur eine vorübergehende Verbesserung war. Schließlich wird der Frage nachgegangen, ob eine Zweitbereinigung vorteilhaft ist.

Die Flurbereinigung von 1889 -1898

In der Periode vor der Zusammenlegung fand eine enorme Bodenzersplitterung statt. Da die naturräumlichen Bedingungen innerhalb der Gemarkung sehr verschieden waren - man denke dabei an die Parzellenlage (hoch oder niedrig, flach oder am Hang), die Bodenqualität und die Entfernung zum Hof -, wurden alle guten, weniger guten und schlechten Parzellen gleichmäßig unter die Erben verteilt. So gab es in der Osteifel Landwirtschaftsbetriebe mit mehr als 200 Parzellen (Osthof 1956, S. 19). In Zermüllen war z. B. der Grundbesitz des Krämerhofes sogar in 240 Einzelparzellen zersplittert.

Ein anderes Problem war, daß die eigenen Parzellen manchmal nur über die von anderen zu erreichen waren. Dies bedeutete, daß die Parzellen mit Servitutspflichten belastet waren. Man war voneinander abhängig, und deswegen war Flurzwang notwendig, d. h. innerhalb einer Flur war man verpflichtet, die gleichen Saat- und Erntezeiten beizubehalten (Uhlig und Lienau 1978, S. 108).

Durch die zunehmende Individualisierung der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert, die Erfindung des Kunstdüngers sowie verbesserte neue Techniken, Geräte und Werkzeuge wurde der Ruf nach einer Zusammenlegung immer lauter. Es dauerte jedoch noch bis 1885, bis das Flurbereinigungsgesetz für die damalige preußische Rheinprovinz verabschiedet wurde. Das Hauptziel dieses Gesetzes war »die wirtschaftliche Zusammenlegung der in vermengter Lage befindlichen Grundstücke verschiedener Eigentümer« (Osthof 1956, S. 19). Dies bedeutete eine gute Erschließung der Fluren durch ein dichtes Wegenetz, um alle Parzellen direkt zu erreichen, so daß man auf Flurzwang verzichten konnte. Außerdem mußten die Parzellen so vergrößert werden, daß man sie nach dem damaligen technischen Standard gut bewirtschaften konnte. Hierbei spielte die vorherrschende Kuhanspannung (Bewirtschaftung mit Kühen oder Ochsen) eine wichtige Rolle. Es wurde jedoch von den Landwirten nicht gewünscht, den Grundbesitz in einige Blöcke zusammenzulegen. Die Gründe hierfür: Die Unterschiede in der Bodenqualität, den Betriebsgrößen und die Entfernung zum Hof waren zu groß. Das Bestreben wurde darauf gerichtet, den Grundbesitz in 15-20 Parzellen zusammenzulegen.

Die Parzellierung eines Teils der Zermüllener Gemarkung 1983

Die 1889 begonnene Zusammenlegung war eine der ersten in der Rheinprovinz. Auffallend ist, daß die Parzellengröße noch immer unterschiedlich war. Dies kann durch die großen Eigentumsunterschiede und Betriebsgrößen erklärt werden.

Etwa zwei Drittel der Betriebe war kleiner als 5 ha.: die meisten Nebenerwerbsbetriebe von Handwerkern wie Maurern, Schreinern, Zimmerleuten und Tagelöhnern. Die größten Parzellen gehörten zu den größten Betrieben. Daß die Eigentümer dieser Betriebe so viel Land und auch die größten Parzellen besaßen, kann damit erklärt werden, daß sie über mehrere Generationen hinweg wenig Kinder hatten, daß der Grundbesitz und damit die Parzellen wenig geteilt wurden. Durch Eheschließungen mit Einzeltöchtern, die Allein- oder Zweiterben waren, konnte man den Grundbesitz vergrößern. Die Gemarkung Zermüllen umfaßt 15 Fluren, die wegen der zerstreuten Lage leider nicht alle dargestellt werden können.

Im Jahre 1898 wurde die Zusammenlegung mit dem Rezeßbuch, in dem das Protokoll der Zusammenlegung und die Unterschriften der Beteiligten aufgenommen sind, amtlich abgeschlossen.

Die Entwicklung nach der Zusammenlegung

Die Erbsitte veränderte sich nicht, da kein Geld vorhanden war, jedem Kind - um der gerechten Behandlung willen - sein Erbteil auszuzahlen. Auch die Erlernung eines Berufes war kaum möglich, weil alle Kinder im Betrieb mitarbeiten mußten (Osthof 1956, S. 36). Dies gilt besonders für die kleineren Betriebe. Die Zersplitterung setzte sich nach der Zusammenlegung weiter fort. Die Parzellenteilungen wurden jedoch nicht beim Katasteramt angemeldet, weil die geteilten Parzellen hätten vermessen werden müssen. Das war eine teuere Angelegenheit, die man kaum zahlen konnte. Es wurde nur ins Grundbuch eingetragen, daß die in der Praxis geteilten Parzellen jetzt mehrere Eigentümer hatten. Beim Katasteramt waren die Parzellenteilungen nicht beliebt, aber auch nicht verboten.

Bei Umfragen hat sich gezeigt, daß in der Praxis das Land geteilt wurde, sobald eines der Kinder heiraten wollte und sein Erbteil beanspruchte. Der Erblasser reservierte für sich und seine Ehefrau einen Kindteil. Dieser Teil, der »Aushalt«, kann als eine Art Altersversicherung betrachtet werden, die später mit der Verbesserung der Rentenversicherung für Landwirte überflüssig wurde. Der Sohn oder die Tochter, bei dem oder bei der die Eltern wohnten, konnte das Aushaltsland bewirtschaften. Nach dem Tod der beiden Elternteile wurde dieses Land an alle Erben verteilt.

Die Geschwister, die in andere Dörfer umzogen, verkauften meist ihr Land, weil sie es wegen der Entfernung nicht mehr zweckmäßig bewirtschaften konnten, bei einer öffentlichen Versteigerung an den Meistbietenden. Der Verkäufer behielt das Recht, das Land gegen den versteigerten Preis an seine Geschwister zu verkaufen. Vom Erlös konnte er in seinem neuen Wohnort selbst Land ankaufen (Mündliche Angaben einiger Einwohner von Zermüllen).

Dies bedeutete, daß viele kleinere Betriebe noch kleiner wurden. Wer den elterlichen Betrieb fortführte, konnte jedoch durch Kauf von Land mit dem Vermögen des Ehepartners und durch Zupacht von Land den geteilten Betrieb in einer Periode von etwa 30 Jahren fast oder ganz auf den ursprünglichen Umfang vergrößern.

Die Parzellierung eines Teils der Zermüllener Gemarkung 1891

Die Landwirtschaft in Zermüllen war bis um 1965 von Feldfutterbau geprägt. Nur das Land, das nicht für den Ackerbau geeignet war, wurde als Wiese genutzt. Die Wiesen lagen hauptsächlich in den Niederungen und an den Bächen. Bis etwa 1955 konnten die Bauern ihr Vieh auf Gemeindeland weiden lassen. Die größeren Gemeinden, wie Kelberg, hatten bis Mitte der sechziger Jahre Kuhhirten in Dienst. In Zermüllen wurde das Vieh von Kindern gehütet.

Bis in die sechziger Jahre war die Eifel eines der ärmsten Gebiete Deutschlands, besonders vor 1950 mit hoher Geburtenrate. Es gab wenig Möglichkeiten, die landwirtschaftliche Nutzfläche zu erweitern. Viele Bauernsöhne zogen daher ins Ruhrgebiet, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Die Töchter verdingten sich im Winter als Haushaltshilfen in den Mittelstädten der Umgebung, wie Mayen, Euskir-chen, Ahrweiler und Bad Neuenahr. Die Landwirte suchten im Winter auch Nebenverdienste, viele als Waldarbeiter, einige beschäftigten sich mit Viehhandel. Das verdiente Geld wurde für den Ankauf von Land und Vieh, für die Zahlung von Steuern, Maschinen und Textilien benötigt. Lebensmittel, die man selbst nicht hatte, wurden z. B. gegen Butter und Eier getauscht (Mündliche Angabe einiger Bewohner von Zermüllen).

Als sich die wirtschaftliche Situation verbesserte und die Landwirtschaft nicht mehr einzige Existenzquelle war, konnten sich im Realtei-lungserbrecht Veränderungen durchsetzen, obwohl das Prinzip unverändert blieb. Die einzelnen Parzellen wurden nicht mehr geteilt, sondern jeder Erbe erhielt eine oder mehrere Parzellen. In dieser Periode wurde das Angebot von Land immer größer, weil sich der Anreiz, den Landwirtschaftsbetrieb fortzusetzen, verringerte. Die Senkung der Geburtenrate wirkte sich auch positiv aus, weil das Land über weniger Erben verteilt werden mußte.

Durch den wirtschaftlichen Aufschwung erlernten viele Bauernsöhne einen Beruf und führten ihre Betriebe nur im Nebenerwerb fort; Ehefrauen und Kinder übernahmen viele Arbeiten. Von den 38 Betrieben im Jahre 1893 gibt es heute noch drei Haupt- und 16 Nebenerwerbsbetriebe. In manchem Fall liegt sogar Land brach.

Seit Mitte der sechziger Jahre wurde bei den Nebenerwerbsbetrieben viel Ackerland in Grünland umgesetzt. Wichtige Gründe hierfür waren die festen Milchpreise der EG und eine bessere Arbeitseinteilung für die Nebenerwerbslandwirte. Die jüngste Entwicklung ist, daß viele Landwirte durch EG-Subventionen ihre Milchviehhaltung beendeten und sich auf die arbeitsextensivere »Heuwirtschaft« und Mastviehhaltung umstellten. Die Wiesen werden einmal im Jahr gemäht, das Heu wird direkt oder im Winter verkauft. Eine andere Form der Extensivierung ist, waldnahes Land mit Tannen und Fichten zu bepflanzen.

Die heutige Parzellierung

Die Parzellenteilung ist minimal, das kann mit folgenden Ursachen begründet werden:

1. Die meisten Teilungen wurden, um die teuere Vermessung zu vermeiden, nicht beim Katasteramt angemeldet und waren in gemeinschaftlichem Eigentum.

2. Durch Ankauf von Land der Miterbenden und derjenigen, die ihre Betriebe beendeten.

3. Die Behörden zeigten den Parzellenteilungen gegenüber starke Vorbehalte und stimulierten die größeren Betriebe, sich als Erbhof zu registrieren. Mit dem Reichserbhofgesetz von 1933 wurden Höfe, die kleiner als 125 ha und größer als 7,5 ha waren, verpflichtet, sich als Erbhof einzutragen (Saure 1941, S. 120-121). Für diese Erbhöfe war das Anerbenrecht bindend. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Gesetz außer Kraft gesetzt und durch eine freiwillige Regelung ersetzt. Die Katasterbehörden stimulierten auch das Aufstocken von kleinen aneinandergrenzenden Parzellen der gleichen Eigentümer und private Zusammenlegungen.

4. In den letzten Jahrzehnten veränderte sich die Praxis der Realteilung. Die einzelnen

Parzellen werden nicht mehr geteilt, sondern über die Erben verteilt. Die Erben, die nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sind, verkaufen oder verpachten ihr Land an diejenigen, die den elterlichen Betrieb weiterführen.

5. Durch die stark gesunkene Geburtenrate wird der Effekt der Realteilung stark verringert.

Trotz der geringen Zersplitterung ist eine große Zahl der Parzellen nach dem heutigen landwirtschaftlichen Standard für eine zweckmäßige Bewirtschaftung immer noch zu klein, die Entfernung zum Hof zu groß.

Von einer Zweitbereinigung würden aber nur wenige Betriebe profitieren. In Zukunft können Landwirte, die erweitern möchten, Land ankaufen oder pachten. Die Zeichen der Zeit stehen in diese Richtung. Die Parzellierung der Flurbereinigung von 1889 -1898 ist zum größten Teil noch erhalten und im Gelände durch verschiedene Bodennutzung und Einzäunung zu erkennen, sie spiegelt den Standard der Jahrhundertwende wieder und sollte erhalten bleiben.

Archivquellen

Rezeß der Zusammenlegungssache von Zermüllen, 1897 - 1898, Verbandsgemeinde Kelberg.

Literatur

Becker, H. (1970): Die Agrarlandschaften des Kreises Euskirchen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Euskirchen (= Veröffentlichungen des Vereins der Geschichts- und Heimatfreunde des Kreises Euskirchen e.V., H. 13).

Goebel, E. (1915): Der ländliche Grundbesitz und die Bodenzersplitterung in der preußischen Rheinprovinz und ihre Reform durch die Agrargesetzgebung. Berlin.

Lienau, C. und Uhlig, H. (1972): Die Siedlungen des ländlichen Raumes. Gießen (= Materialien zur Terminologie der Agrarlandschaft, II). Lienau, C. und Uhlig, H. (1978): Fluren und Flurformen. Gießen (= Materialien zur Terminologie der Agrarlandschaft, l).

Rohm, H. (1962): Geschlossene Vererbung und Realteilung in der Bundesrepublik Deutschland. Erläuterungen zu den in den Jahren 1959/60 entwickelten Karten der landwirtschaftlichen Erbgewohnheiten. In: Berichte und wissenschaftliche Abhandlungen Deutscher Geographentag Köln 1961. Wiesbaden 1962, S. 228-304.

Saure, W. (1941): Das Reichserbhofgesetz. Leitfaden und Textausgabe des großdeutschen Reicherbhofrechts. Berlin.