Flurbereinigung in Neichen um 1900

Hermann Maas, Neichen

 

Bis zum Jahr 1886 hatte die Gemeinde Neichen das westlich vom Ort gelegene Acker- und Wiesenland von der Pfarrkirche zu Daun für 14 Scheffel Hafer gepachtet und zur Nutzung an die Bürger aufgeteilt. Nachdem die Gemeinde die Flur käuflich erworben hatte, wurde eine Zusammenlegung, eine Flurbereinigung durchgeführt, deren formeller Abschluß um das Jahr 1925 anzusehen ist, obschon den Bürgern Neichens bereits 1897 die ersten neuen, aus der Zusammenlegung resultierenden Grundstücke zugeteilt wurden.

Im Verlauf dieser großen Flurbereinigung wurden 240 ha von 187 Beteiligten mit etwa 2739 Parzellen auf 650 Parzellen reduziert. An Beihilfe für die entstandenen Kosten wurden 1897 von der »Eifelkonferenz« aus Staats- und Provinzmitteln 5 400 Mark bewilligt, eine höhere Landeskulturkommission besichtigte 1900 die Flurbereinigung und befand sie für gut. Die Umlegung und Reduzierung der Parzellen schuf für hiesige Verhältnisse annehmbar große Parzellen mit zufriedenstellender Zufuhrmöglichkeit und damit freiere Betätigungsmöglichkeiten für jeden der sein Feld bestellen und düngen könnte wann und wie er wollte.

Wie es zu dieser Vielzahl von kleinen und kleinsten Parzellen kam, die oft nicht einmal über einen Weg, sondern nur über fremde Grundstücke zu erreichen waren, erhellt aus einem Schreiben des Landrates Daun aus dem Jahr 1831: »die früher (für die Armut) angeführten Verhältnisse (Steuern, Verschuldung der Gemeinden) sind aber nicht die einzige Quelle der sichtbaren Verarmung, eine andere, ebenso fühlbare liegt tiefer und entspringt aus der Güterverteilung ohne Maß und aus der Einzugsfreiheit in die Gemeinden. Beide Gesetze sind ein krebsartiger Auswuchs der Revolution und der Militäraristokratie, unter welcher Frankreich lange geseufzt hat. Glücklich wären die Rheinprovinzen gewesen, wäre dieser Auswuchs gleich bei ihrer Besitznahme mit starker Hand weggeschnitten oder wenigstens die Einzugsfreiheit durch die erwartete Kommunalordnung beseitigt worden. Die Zunahme der Armut wurde durch beide Gesetze gefördert, weil sie den Eheschluß erleichterten.«

Der väterliche Nachlaß an Grundeigentum, war er auch noch so klein, wurde zu gleichen Teilen unter den Erben geteilt, es mögen ihrer auch noch so viele sein. Ein geringer, ja der geringste Grundbesitz erscheint der armen Klasse als Reichtum und hinreichend, darauf selbständig zu leben. (Güterverteilung ohne Maß).

Die Einzugsfreiheit gestattet es jedem der Kinder zu heiraten, ohne eine Abgabe zu entrichten, ohne einen Erwerbszweig ergreifen zu müssen, ohne das mindeste Vermögen. Oft können die Kopulationsgebühren nicht bezahlt werden. Also heiratet der junge »Unüberlegungsmann« das ebenso unbedächtige und ebenso arme Mädchen und läßt sich häufig nieder, er mag »Nahrungszweig« haben oder nicht (Einzugsfreiheit in die Gemeinde).

Soweit der Chronist. Wäre noch anzufügen, daß Ackerbau und Viehzucht im Zuge der Bestrebungen der Europäischen Gemeinschaft (E.G.) möglicherweise bald wieder im »Dreifeldersystem« bzw. in »ungeregelter Feldgraswirtschaft« - wie zur damaligen Zeit - betrieben werden müssen.