»Brunnenversand« im 18. Jahrhundert

Bodenfunde belegen frühen Mineralwasserversand

Heinz Nienhaus, Bottrop

 

Die in den Jahrbüchern 1986 und 1987 veröffentlichten Beiträge zur Geschichte der Birresborner1 und Gerolsteiner2 Mineralquellen haben im Kreis der Leser offensichtlich eine beachtliche Resonanz gefunden. Es gab zahlreiche Fragen und Hinweise zu diesem Themenkomplex, die den Verfasser nach Herausgabe der Jahrbücher erreichten. Unter anderem meldete sich ein ehemaliger Trierer, heute am Niederrhein wohnender Bauingenieur, der über berufliche Beziehungen in den Besitz mehrerer bei Erdarbeiten im Trierer Stadtgebiet gefundener Krugfragmente mit eingeprägten Birresborner bzw. Gerolsteiner Brunnenmarken gekommen war. Über diesen Kontakt wiederum erweiterte sich der Kreis der an der Geschichte der Eifeler Mineralbrunnen Interessierten, deren Sammlungen z. T. ähnliche Funde aufweisen.3 Der überwiegende Teil der hierdurch dem Verfasser erstmals bekanntgewordenen, vermutlich sehr seltenen - wenn nicht gar einmalig erhaltenen - Krugfragmente weist durch spezifische Merkmale, wie Form und Farbe, Art und Ausführung der Stempelmarken, aus, daß die einstmals »ganzen« Krüge schon während des 18. Jahrhunderts für den Birresborner bzw. Gerolsteiner Mineralwasserversand benutzt wurden (siehe Abb. 1 bis 1 d). Insofern liefern diese allesamt im Trierer Stadtgebiet bei Erdarbeiten ans Tageslicht geförderten Krugfragmente, sieht man von einigen schriftlichen, nicht nachprüfbaren Informationen ab, erstmalig den sichtbaren und im wahrsten Sinne des Wortes substantiellen Beweis dafür, daß das Wasser der Birresborner und Gerolsteiner Mineralquellen bereits im 18. Jahrhundert in speziell hierfür gefertigten Tonkrügen versandt worden ist.

In dem zum Gerolsteiner Mineralwasserversand im Jahrbuch 1987 (Anm. 2) veröffentlichten Beitrag wird über ebenfalls mit Brunnenmarken versehene Krüge berichtet, die während des endenden 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhunderts benutzt wurden (siehe Abb. 1). Wie durch Funde alter »Krugstempel« und »Fehlbrand«4 )-Krüge in den ehemaligen Betriebsgebäuden der Krugbäcker nachgewiesen werden konnte, wurden alle diese Krüge im Kannenbäckerland/Westerwald hergestellt. Gleichartige Funde belegen, daß auch die »Birresborner Krüge« um die letzte Jahrhundertwende aus dem Kannenbäckerland stammen. Für die »Birresborner bzw. Gerolsteiner Krüge« des 18. Jahrhunderts kommen allerdings andere Bezugsquellen in Frage. Dies verraten schon die spezifischen Unterschiede zwischen den Krügen, die während des 18. Jahrhunderts im Kannenbäckerland gefertigt und den Krugfragmenten, die im Trierer Boden gefunden wurden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden die Krü ge für den Birresborner und Gerolsteiner Mineralwasserversand während des 18. Jahrhunderts aus dem geographisch relativ nahe gelegenen Töpferzentrum der Südwesteifel mit den Orten Speicher, Binsfeld, Herforst, Bruch, Niersbach und Zemmer bezogen. Die Verkehrsverhältnisse hätten damals den Transport der Krüge aus dem mindestens dreimal so weit entfernten Kannenbäckerland kaum zugelassen. Da es aber für die Kruglieferungen so gut wie keine Alternative gab, lag die Entscheidung für das Töpfergebiet der Südwesteifel auf der Hand.

Abb. 1: Ganze und halbe Mineralwasserkrüge, wie sie im 19. Jahrhundert in Gebrauch waren

(Foto: Foto-Studio Nieder, Gerolstein).

Für die Geschäftsverbindungen zwischen den Brunnenverwaltungen in Birresborn und Gerol-stein und den Krugbäckern der Südwesteifel sprechen gleich mehrere Argumente. Zunächst sei auf ein handschriftliches Protokoll der »Kurfürstl. trierischen Hofkammer-Kanzlei vom 24. März 1780«5) hingewiesen, wonach »Wittip Anna Maria Auzin von Binzfeld und Servatius Willems (Name einer sehr bekannten Südwesteifeler Töpferfamilie6) je 2000 Stück wohlge-backene und ordnungsmäßig conditionierte Krüge an den Bürresborner-Brunnen« zu liefern hatten. Dieses Dokument läßt den Schluß zu, daß, wenn die Krugbäcker der Südwesteifel den Bedarf für den Birresborner Brunnen während des 18. Jahrhunders deckten, es wohl auch die gleichen Krugbäcker waren, die die Krüge für den nur wenige Kilometer entfernten Gerolsteiner Sauerbrunnen lieferten.

Diese Vermutung wird durch die Besonderheit gestützt, daß alle im Trierer Stadtgebiet gefundenen Krugfragmente relativ dünnwandig und im Gegensatz zu den im Kannenbäckerland gefertigten hellgrauen Krüge des 18. Jahrhunderts ausnahmslos von sehr bläulich-grauer Farbe sind. Diese Gleichartigkeit der Krugfragmente läßt darauf schließen, daß der Rohstoff 5 - sprich der Ton - für alle diese Krüge in einer Region gegraben wurde.

Außerdem fällt bei einem Vergleich der Birresborner und Gerolsteiner Brunnenmarken aus dem 18. Jahrhundert auf, daß den beiden Gerolsteiner Marken wie der Birresborner Marke jeweils der Buchstabe »W« eingeprägt ist. Hierfür gibt es bezogen auf den Versandort oder die Brunnenverwaltung keine plausible Erklärung. Möglich ist es, daß das »W« für »Wasser« steht. Eine andere Erklärung für diesen Buchstaben wäre, daß das »W« den Krügen als Herstellerzeichen (Töpfermarke) eingeprägt wurde. Da, wie aus dem Kannenbäckerland bekannt ist, oft die Anfangsbuchstaben der Familiennamen der Töpfer hierfür verwendet wurden 7, ist es durchaus denkbar, daß das

 

Abb. 2 a: Von Tonkrügen bzw. Krugfragmenten reproduzierte Birresborner Brunnenmarken, wie sie den Krügen während der Zeit zwischen etwa 1800 und 1910 eingeprägt wurden (obere Reihe rechts und links: Slg. D. Alten, obere Reihe Mitte: Slg. Dr. H.-J. Kann). Der fehlende Buchstabe im dritten Quadranten, der in der oberen Reihe rechts abgebildeten Marke, ist ein »H«, wie ein Scherbenfund mit einer sonst recht unvollständig erhaltenen Marke (Slg. Verfasser) beweist. »W« auf »Willems« deuten soll, dem vorher schon erwähnten Namen der Töpferfamilie aus der Südwesteifel.8,9)

Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu Geschäftsverbindungen mit den Krugbäckern im Kannenbäckerland. Aufgrund der inzwischen wesentlich verbesserten Verkehrsverhältnisse nahm der Mineralwasserversand und damit auch der Krugbedarf eine sehr beachtliche Aufwärtsentwicklung. Wie in den beiden vorausgegangenen Jahrbüchern berichtet, wurde das Birresborner und Gerolsteiner Mineralwasser schon vor 100 Jahren weltweit versandt. Die Krüge - im 18. Jahrhundert noch bauchig (siehe Abb. 1) - hatten inzwischen zylindrische Formen (siehe Abb. 2) angenommen. Hierdurch konnte die Zweckmäßigkeit bezogen auf Lagerung und Transport der Krüge erheblich verbessert werden.

Die Zeit, in der Mineralwasser noch in Tonkrügen reiste, gehört längst der Vergangenheit an. Kaum jemand vermag sich noch daran zu erinnern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gaben die Brunnenverwaltungen den industriell gefertigten Glasflaschen den Vorzug. Damit hatte das Krugbäckerhandwerk seine Basis verloren und verfiel.

Abb. 2 b: Von Tonkrügen reproduzierte Gerolsteiner Brunnenmarken, wie sie den Krügen während der Zeit zwischen etwa 1876 und 1910 eingeprägt wurden.

Gelegentlich werden auch heute noch die zu Antiquitäten herangereiften Mineralwasserkrüge ans Tageslicht gefördert. Solche Fundstükke sind sehr begehrt von Sammlern historischer Keramik, aber auch von heimatgeschichtlich Interessierten. Oft sind sie der einzig reale und sichtbare Beweis für den frühen Versand bestimmter Mineralwässer und vermitteln Erkenntnisse, die über den Rahmen schriftlicher Informationen hinausreichen. Sie können dazu beitragen, die Lücken regionaler Geschichtskenntnisse zu schließen.

Anmerkungen:

1) Nienhaus, Heinz, Am Birresborner Sauerbrunnen, in: Heimatjahrbuch 1986, Kreis Daun/Vulkaneifel, Herausgeber: Kreisverwaltung Daun.

2)Nienhaus, Heinz, Gerolsteiner Brunnenkrüge, in: Heimatjahrbuch 1987, Kreis Daun/Vulkaneifel, Herausgeber: Kreisverwaltung Daun.

3) Mein Dank gilt Herrn Dipl.-lng. D. Alten, der mich auf die Krugfragmente in seiner Sammlung und der Sammlung Dr. Kann aufmerksam machte und die zeichnerischen Vorlagen für die Brunnenmarken dieser Krüge zur Verfügung stellte.

4} Fehlbrände = die beim Brennen mißratenen keramischen Produkte (Ausschußware).

5) Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 18, Nr. 2743.

6) Loeschke, S., Tonindustrie von Speicher und Umgebung, in: Trierische Heimatblätter 1922.

7) Über die Entwicklung und Bedeutung der Herstellerzeichen (Töpfermarken) berichtet der Verfasser in dem Beitrag »Zum Krugbäk-kerhandwerk im Westerwald«, in: Keramos 106, Oktober 1984.

8) Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 18, Nr. 2743.

9) Loeschke, S., a. a. O. Falls im Text nicht anders vermerkt, wurden die Brunnenmarken von Krügen aus der Sammlung des Verfassers reproduziert.