Vor 100 Jahren -Wildschäden im Salmwald

Petition ans Haus der Abgeordneten in Berlin

Heinz Weber, Kenn

 

In einer Landschaft, in der eine gemischte land - und forstwirtschaftliche Nutzung vorherrscht, z. B. in der Eifel, sind Wildschäden in den landwirtschaftlich genutzten Flächen im allgemeinen nichts Ungewöhnliches. Sie werden entschädigt und Außenstehende erfahren kaum etwas von diesem Geschehen. Wenn aber gleich zwei Gemeinden sich wegen Wildschäden an die höchste parlamentarische Institution des Staates wenden, ist das wohl ein erwähnenswerter Vorgang. Dies geschah vor 100 Jahren.

Die Vorsteher der Gemeinden Mürlenbach und Densborn baten in einer Petition, die 153 Unterschriften trug, am 14. Februar 1888 das Haus der Abgeordneten in Berlin um schleunigste Abhilfe gegen Wildschaden. Der wesentliche Inhalt der Petition stellt sich zusammen mit einigen nachträglichen Ergänzungen wie folgt dar:

In früherer Zeit, so wird zunächst angeführt, sei Hochwild in der Nähe von Mürlenbach und Densborn nicht vorgekommen. Erst nach 1870 hätten sich im Salmwald einige Hirsche gezeigt und es habe sich das wohl zutreffende Gerücht verbreitet, diese Hirsche seien in die Staatswaldungen gesetzt worden. Dies habe man auch dadurch bestätigt gefunden, daß Futterstellen und Salzlecken für das Wild an vielen Stellen angelegt wurden. Durch eine derartige Pflege und einer mehr als zehn Jahre dauernden ununterbrochenen Schonung habe sich das Wild außerordentlich vermehrt. Der Bestand an Rotwild werde auf 80 Stück geschätzt. Noch vor einigen Wochen seien 40 Stück beisammen gesehen und im Gemeindelohwald 21 Stück beim Abfressen der jungen Triebe beobachtet worden. Das Rotwild, das in ganzen Rudeln auftrete, habe nicht nur die Saaten abgefressen und zertreten, sondern auch das mehr entwickelte Getreide geradezu verwüstet. Außer den großen Rotwildschäden würden auch die Kartoffelfelder durch das Schwarzwild stark geschädigt. Im vergangenen Jahr habe sich der gesamte Schaden auf mehrere tausend Mark belaufen. Die Petenten erklärten, daß sie genötigt seien, unter diesen Umständen in diesem Teil der Gemarkung den Ackerbau ganz aufzugeben. Ihre Lage sei bei den ohnehin kärglichen Lebensverhältnissen ihrer Gemeinden, den kaum aufzubringenden Staats- und Kommunalsteuern und sonstigen schweren Lasten unerträglich. Sie machten verschiedene Vorschläge zur Abhilfe und regten an, einen Wildzaun anzulegen.

Die Petition schloß mit der eindringlichen Bitte, das Haus der Abgeordneten möge ihnen den nötigen Schutz zuteil werden lassen.

Die beiden Gemeinden hatten sich in gleicher Angelegenheit bereits am 23. Oktober 1887 an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten in Berlin gewandt. Das Ministerium beschied die Eingabe am 15. Januar 1888 abschlägig in einer Weise, die in Densborn und Mürlenbach Verärgerung ausgelöst haben muß und wohl der eigentliche Anlaß der Petition als ultima ratio war.

Das Ministerium ging in dem Antwortschreiben davon aus, daß der Rotwildbestand im Salmwald höchstens 25 bis 30 Stück betrage. Diese Zahl müsse auf eine Waldfläche von 7 200 ha gesehen werden. Die Fläche des Staatswaldes betrage aber nur 2 300 ha. In den Staatswaldungen sei Standwild überhaupt nicht vorhanden. Das Ministerium hielt Rotwildschäden gleichwohl für denkbar, sah aber die angegebene Schadenshöhe als in hohem Maße übertrieben an. In dem Antwortschreiben des Ministeriums ist weiter zu lesen:

»Das Schwarzwild wird seit längerer Zeit mit allen der Verwaltung zu Gebote stehenden Mitteln und unter Aufwendung bedeutender Kosten verfolgt, und wenn auch die vollständige Ausrottung dieser der Landwirtschaft sehr schädlichen Wildgattung noch immer nicht hat gelingen wollen, so sind doch nach den angestellten Ermittlungen in der dortigen Gemarkung in neuester Zeit nennenswerte Schwarzwildschäden nicht vorgekommen, wofür auch der Umstand spricht, daß während des letzten Winters von der Gemeinde nicht nur, sondern auch überhaupt von den Kreisen Prüm und Daun kein einziger Antrag auf Abhaltung einer offiziellen Saujagd bei der Königlichen Regierung zu Trier eingegangen ist.« Die Eingatterung der Staatswaldungen wurde abgelehnt, weil diese Waldungen im Zusammenhang mit Gemeinde- und Privatwaldungen lägen und die Einzäunung der Staatswaldungen allein daher zwecklos sei. Das Ministerium wies aber die Königliche Regierung zu Trier an,

»- den Abschuß von Rotwild im Salmwald zu verstärken und

- bei irgend sich bietender Aussicht auf Erfolg, offizielle Saujagden mit der Königlichen Meute vorzunehmen.«

Damit sei seitens der Verwaltung alles geschehen, was im vorliegenden Falle geschehen könne. Das ministerielle Schreiben war adressiert an den Einwohner Nikolaus Brück und Genossen zu Densborn.

Doch zurück zur Petition. Sie wurde in der Sitzung der Agrarkommission des Hauses der Abgeordneten am 25. Februar 1888 behandelt. Die Kommission neigte dazu, den Ausführungen der Gemeinden über die Schadenshöhe und den Wildbestand mehr Glauben zu schenken als den Angaben des Ministeriums. Sie war aber der Ansicht,

»daß, obschon es sich hier um eminent vitale Interessen von Gemeinden eines notorisch armen Bezirkes handele und schon deshalb der wirksamste Schutz gegen Wildschäden geboten erscheine, dennoch, und zwar mit Rücksicht auf die von der Königlichen Regierung zu Trier in Aussicht gestellten Maßnahmen, dem Hohen Hause eine motiviertere Tagesordnung zu empfehlen sei.

« Sie schlug deshalb vor:

»Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: In der Erwartung, daß den in der Ministe-rialverfügung vom 15. Januar 1888 in Aussicht gestellten Maßnahmen die wirksamste Folge gegeben werde, über die Petition Journal II Nr. 342 zur Tagesordnung überzugehen.«