Erlöserkirche Gerolstein

Ein Geburtstag in der Diaspora

Marianne Schönberg, Jünkerath

 

Die evangelische Gemeinde der Eifeldiaspora freut sich, ihre »Museumskirche« in der Brunnenstadt wird im Oktober 1988 75 Jahre alt. Das ist ein Grund zu danken, den Erbauern, aber auch vielen Menschen in verantwortlicher Position, die sich seit Jahrzehnten um den Erhalt des Gotteshauses mühten.

So einfach war das nämlich nicht.

Der erste Weltkrieg ging zu Ende, als die Kirche in der Sarresdorferstraße eingeweiht wurde, am 15. 10. 1913, dem Geburtstag von König Friedrich Wilhelm IV. Zwei Jahre zuvor war die Grundsteinlegung und in dieser kurzen Zeit wurde nicht nur ein sakraler Bau errichtet, er wurde auch mit Schmuckelementen ausgestattet, die in der Eifel ihresgleichen suchen.

Die Erlöserkirche ist ein neuromanischer Bau nach alten Motiven aus dem 5. und 6. Jahrhundert, wie sie sich in der Kirche St. Fosca in Venedig und Bauten in Ravenna und Konstantinopel finden. Baurat Prof. Schwechten - bekannt durch den Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin - entwarf die Pläne für Gerolsteins Erlöserkirche. Der Grundriß stellt ein einfaches, romanisches Kreuz dar, mit kurzen Seitenarmen und dem mit runder Apsis versehenen Chorarm. Ein Oktogon erhebt sich über der Vierung des Kreuzes. Neben der Apsis steht der etwa 40 m hohe Glockenturm mit seinen Stahlglocken, gegossen vom Bochumer Verein; sie heißen Karl der Große - Wilhelm II -Auguste Victoria. Von der Westseite des Chorarmes führt ein Säulengang zum Küsterhaus und Museumsgebäude. Durch eine reich verzierte Bronzetür betritt man die Vorhalle der Kirche. Die Wände der Halle sind mit Marmor, die Gewölbe mit Mosaik geschmückt. Dort befinden sich auch Medaillonbilder vom Kaiser, von Prinz Friedrich Karl, Kaiser Wilhelm und Kaiserin Auguste Victoria.

Im Chorraum besticht die lichte Gestalt des segnenden Heilands, wie er gen Himmel fährt. Zur Seite stehen ihm zwei Engel, Männer in hellen Kleidern, alles feinste Mosaikarbeit. Der Altar aus weißem Marmor hat einen Christuskopf, Mosaikarbeit nach dem Entwurf von Prof. Schaper. Das Besondere an diesem Bild, Christus sieht den Betrachter immer an, ob er links oder rechts vom Altar steht oder davor. Mit dunkelgrauem, Kerpener  Marmor sind alle Wände bekleidet. Darüber wölben sich Rundbögen in Goldmosaik in reichem, ornamentalem Schmuck.

Diese ausführlichen Angaben über die Erlöserkirche sind einem Heft entnommen, das Pfarrer Udo Köhler zum 50. Geburtstag des Gotteshauses in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium der Erlöserkirche und der Villa Sarabodis herausgab. Es war viele Jahre Konfirmationsgabe an die jungen Leute der Gemeinde, es hat bereits heute hohen, geschichtlichen Wert. Doch zurück zum Tag der Einweihung.

Besondere Karten wurden zum Ehrentag vom Vorstand des Berliner Kirchbauvereins gedruckt. Sie berechtigten zum Eintritt für die auf der Karte bezeichnete Person. Es wurde besondere Kleidung verlangt. Herren in Zivil hatten im Frack mit weißer Binde zu erscheinen, Herren vom Militär im Waffenrock mit Epauletten. Der festliche Gottesdienst war für 10.30 Uhr angesetzt. Um 10.15 Uhr sollte sich die Gemeinde versammeln, wenig später kamen die geladenen Gäste und bei der Ankunft des Kaisers läuteten die Glocken.

Ob er pünktlich war? Nirgends eine Notiz. Ein Lehrergesangverein empfing den hohen Gast am Hauptportal. Dort standen auch Minister, der Regierungspräsident, Vertreter der Kirche. Baurat Schwechten überreichte den Kirchenschlüssel an Wilhelm II. - die Ehrengäste begaben sich ins Gotteshaus. Ein Kirchenchor aus Trier und ein Kinderchor sangen... »Tochter Zion, freue dich.« Eigentlich ein Adventslied. Wahrscheinlich hatte der Kaiser den Wunsch zu diesem Text geäußert. Die Festpredigt hielt Generalsuperintendent Klingemann über den Text 1. Kor. 3 Vers 11 ». . . einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.«

Der Bau der Erlöserkirche fand nicht nur Zustimmung. Kritik wurde laut, in der Presse, der Gemeinde, in der Synode Trier. Das mit Recht, die einzelnen Gemeinden in der Diaspora waren sehr arm und nun dieser Prachtbau in Gerolstein! Für das Geld hätte man zwei oder drei Kirchen erstellen können, schlichte Gotteshäuser.

Wer möchte das bestreiten.

Andererseits stand dagegen die Leistung des Berliner Kirchenbauvereins, der seine hundertste und letzte Kirche nun einmal in die Brunnenstadt gestellt hatte, mit viel Finanzhilfe aus Berlin gefördert.

Unter dem Protektorat der Kaiserin und Königin Auguste Victoria sollte der würdige Bau ein menschlich schwacher Abglanz der Herrlichkeit Gottes sein.

Heute denkt man wahrscheinlich ganz anders über diese Kirche. Aber die Reaktion der Gemeinden vor 75 Jahren ist verständlich. In der Eifel zum Evangelium des Dr. Martin Luther stehen, zu bekennen, in aller Armut - wie sehr wurden Christen in jener Zeit gefordert.

Zum Ende des Jahres 1944, als der zweite Weltkrieg sich dem Ende zuneigte, wurde die Erlöserkirche durch amerikanische Bomber getroffen. Eigentlich sollten Bahnverbindungen zerstört werden. Wer verbürgt sich für schlimme Saat? Der nordöstliche Kreuzarm war weggerissen, die Bedachung zerstört, alle Fenster zertrümmert und die Goldmosaike im Kirchenraum lösten sich.

In den Wirren der Nachkriegszeit erlebte die Kirche einen Dornröschenschlaf. Alle Wege waren von Unkraut überwuchert, das Gotteshaus in Trümmern, als Kirchraum wurde der Betsaal im Pfarrhaus genutzt. Er war bei besonderen Gottesdiensten überfüllt und noch nicht einmal der einbezogene Vorraum reichte aus, alle Gläubigen zu fassen. Gartenstühle wurden herbeigeschafft, Küster und Presbyterium waren sich einig - es muß etwas geschehen.

Anlaß dazu bot die Amtseinführung von Pfarrer Köhler im Sommer 1952. Viele Gemeindeglieder hatten in fleißiger Arbeit Schutt aus dem Kirchenschiff beseitigt, den Fußboden blankgescheuert, die Kirche somit für sommerliche Tage benutzbar gemacht. Damit bekundete die Gemeinde ihren Willen, das Gotteshaus wieder in Dienst zu nehmen. Dies war Anlaß für die Landeskirche, ihren Verpflichtungen gemäß dem Schenkungsvertrag mit dem Haus Hohen-zollern nach bestem Vermögen nachzukommen. Man zeigte sich den Wünschen der Gemeinde in Gerolstein zugänglich. Ein Bauausschuß wurde gebildet. Ihm gehörten an Pfarrer Udo Köhler, Kirchmeister Heinrich Findt, Amtsgerichtsrat von Mirbach, Baurat Georg, Kaufmann Reinhold und Baurat Piepenbrink. Das Dach der Erlöserkirche; wichtigstes Thema der ersten Sitzung des Ausschusses. Seine Herstellung war die Basis für alle folgenden Arbeiten. Gleichzeitig wurde die Instandsetzung der Villa Sarabodis ins Auge gefaßt und all diese Arbeiten erwiesen sich als äußerst kostenaufwendig. Man mußte reparieren, oft im Provisorium und das zahlte sich aus. Wenn man heute dem Gotteshaus die Schäden nicht mehr ansieht, ist das auch einer gründlichen Restaurierung 1986 zu verdanken. Sie hat viel Geld gekostet. Innen und außen mußte das Gebäude gründlich überholt werden. Keine beneidenswerte Aufgabe für den diensttuenden Pfarrer, fürs Presbyterium. Aber die Mühe hat sich gelohnt. Der Bau ist schöner denn je, ein architektonisches Kunstwerk, eine Museumskirche im besten Sinne.

Wenn die Evangelischen in der Diasporage-meinde Gerolstein/Jünkerath den Geburtstag des historischen Baues feiern, werden sie die Gründer nicht vergessen. Sie haben in der Sarresdorferstraße ein Stück Gerolsteiner Geschichte sichtbar gemacht. Das soll nicht unterbewertet sein und wenn die Gemeinde diese Kirche mit Leben erfüllt, dann steht sie am rechten Platz, gerade in der Diaspora.

Das Bild des segnenden Christus, es steht über dem Altar in der Erlöserkirche Gerolstein. Neben ihm die beiden Männer in weißen Kleidern, die auf ihn zeigen. Das Bild selbst ist ein Himmelfahrtsmotiv, der Text auf Goldmosaik unterstreicht das. Den Krieg hat die evangelische Kirche in der Brunnenstadt nicht ohne Schäden überstanden, doch eine Restaurierung war möglich. Die Mosaike wurden erst vor wenigen Jahren ganz neu unterfangen.