300 Jahre im Zeichen des Eisens

 

Wenn das Werk in Jünkerath sein Jubiläum feiert, ist dieses Buch bereits im Druck. Der Mannesmann-Demag, der ganzen Belegschaft gute Wünsche für die Zukunft! Und nun ein Blick zurück.

Am 14. Mai 1687 unterzeichnet Salentin Ernest Graf zu Manderscheid Blankenheim und Freiherr zu Jünkerath in der Schloßkanzlei einen Pachtvertrag, der den Hüttenmeister Johan de L'Eau berechtigt, »ein frey hüttenwercke ... auff der Kyll« zu errichten. Das war die Geburtsstunde der Eisenhütte Jünkerath, der heutigen Mannesmann Demag, Werk Jünkerath.

Zu den ersten betrieblichen Einrichtungen gehören zwei Gießwerke und zwei Eisenhämmer. Die Bergwerke und Schürfstellen der Umgebung liefern die Erze, die Holzkohle für die Öfen kommt aus den umliegenden Wäldern, und das Wasser der Kyll treibt die Hämmer an. Kunstvolle Reliefs, Figuren und Ofenplatten -die man heute noch in mancher Eifeler Bauernstube findet - zählen zu den Erzeugnissen der Eisenhütte.

Mehr als 100 Jahre vergehen, bis 1794 französische Revolutionstruppen die Eifel besetzen. Ohne ernsthaften Widerstand werden die bis dahin Mächtigen vertrieben, Adel und Klerus verlieren ihre Privilegien. Auch das Grafengeschlecht von Manderscheid verliert seinen Anspruch auf die Hütte. Sie wird französischer Staatsbesitz, der jedoch 1804 versteigert wird. Die Eisenhütte gelangt wieder in den Besitz der Familie Peuchen, die sie bereits 1730 gepachtet hatte.

Nun geht es mit der Hütte aufwärts. Qualitätserzeugnisse machen das Werk weit über die heimatlichen Grenzen bekannt. Bald zählt die Jünkerather Hütte zu den führenden Hütten-und Bergbaubetrieben der Eifel. 1830 - als preiswertes englisches Roheisen auf den Markt drängt - verringern sich die Absatzchancen der Eifeler Produkte. Ein Hammerwerk nach dem anderen stellt seinen Betrieb ein, ein Hochofen nach dem anderen wird stillgelegt.

Ferdinand Poensgen, der 1855 den Betrieb übernimmt, und dessen Sohn Otto haben jedoch bereits frühzeitig die Zeichen der Zeit erkannt. Ats 1898 der letzte Hochofen der Eifel in Jünkerath erlischt, hat das für das Werk keine Auswirkungen. Denn durch Erweiterung der Hütte zu einer Formgießerei und Eingliederung einer Maschinenfabrik werden in Jünkerath längst Spitzenprodukte im Bereich Guß und Maschinenbau hergestellt, die bis in die Größenordnung kompletter Walzwerke reichen. Damit ist der Übergang von der Eisenhütte in zwei parallel laufende Bereiche vorgezeichnet; Gießerei und Hüttentechnik.

Das Jahr 1938 ist ein weiterer Meilenstein in der Firmengeschichte, das Jünkerather Unternehmen geht in den Besitz der Demag AG über. Die Demag, zu diesem Zeitpunkt schon ein international operierender Maschinenbauer - sichert nicht nur das Überleben des Jünkerather Werkes, es eröffnet ihm auch neue Perspektiven.

Der Zweite Weltkrieg macht jeglichen Expansionsgedanken zunichte. Weihnachten 1944, während der Ardennenoffensive, werden die Werksanlagen besonders schwer getroffen, bis zum Ende des Krieges sind 60 Prozent der Substanz vernichtet. So muß das Eifeler Unternehmen - wie fast alle Firmen in Deutschland -nach dem Krieg wieder von vorn anfangen. Im Mai 1945 wird mit den ersten Aufräumarbeiten begonnen, und schon im September 1948, drei Monate nach der Währungsreform, kann die Gießerei ihre Produktion wieder aufnehmen.

An die Vorkriegstradition anknüpfend stellt man neben handgeformten Einzelstücken für Werkzeugmaschinen auch Formgußteile her. In der Maschinenfabrik werden Gießereimaschinen und -anlagen neu ins Produktionsprogramm aufgenommen, die bewährten Hüttenfahrzeuge gewinnen wieder an Bedeutung. In den folgenden Jahren wird der Ausbau des Werkes weiter vorangetrieben, 1953 wird die Gießerei um eine Abteilung für fließbandgefertigten Kleinguß erweitert, 1968 stellt sie auf moderne Elektroofen um, ein Jahr später kommt die neue Formanlage hinzu.

Etwa so wurde vor Jahrhunderten Eisen gegossen. Im Freien arbeiteten die Leute, vor loderndem Feuer, ohne Schutzkleidung, ohne Sicherung, auf eigenes Risiko um die Unversehrtheit der Person. Diese Takenplatte wurde eigens zum Jubiläum des Jünkerather Mannesmann-Demag Werkes gefertigt, es geibt nur eine sehr begrenzte Stückzahl.

In den 70er Jahren steckt die Montanindustrie in der Krise. Die strukturellen Schrumpfungen schlagen auf die Ausrüster durch. Auch bei den Jünkerathern sind Umstellungen erforderlich. Die Maschinenfabrik wird von Hüttenwerksanlagen auf Kunststoff-Spritzgießmaschinen umgestellt, die Gießerei beibehalten. Es folgt die Umbenennung in Demag Kunststofftechnik. Daneben gibt es noch die Demag Metallgewinnung, die sich mit der Konstruktion von Hüttenwerksanlagen befaßt. Den Abschluß der Umstrukturierungsmaßnahmen bildet 1983 die Produktionsverlagerung der Spritzgießmaschinen nach Schwaig bei Nürnberg, während die Gießerei weiterhin in Jünkerath bleibt. Auch das Jünkerather Firmenschild ist von Veränderungen nicht verschont, denn 1978 wird die Demag infolge der Übernahme durch Mannesmann in »Mannesmann Demag AG« umbenannt.

1987 - 300 Jahre nach der Gründung der Jünkerather Hütte - ist das Unternehmen immer noch dem Eisen verbunden. Die technologische Entwicklung ist weiter vorangeschritten. Da, wo früher das Eisen geschmolzen wurde, konzentriert man sich heute auf Maschinen-und Handformguß. Neue Gußvarianten - wie z.B. der Sphäroguß - werden eingesetzt, ermöglicht durch modernste, gießtechnische Einrichtungen. Neben den »Eisengießern« gibt es in Jünkerath aber auch Fachleute der Hüttentechnik. Ihre Stärke liegt in der Konstruktion. Unterstützt durch die elektronische Datenverarbeitung - hier sei nur das Stichwort »Computer Aided Design« genannt - konzipieren sie Hüttenwerkseinrichtungen, lösen Transportprobleme im Stahlwerk.

Aufgrund eines klaren Konzeptes, einer hochqualifizierten und motivierten Belegschaft sowie der fortschrittlichen Ausstattung des Betriebes blicken die Jünkerather in eine interessante Zukunft, die sich aber nur dem erschließt, der gewillt und in der Lage ist, ihre Zeichen richtig zu deuten und alle sich bietenden Chancen entschlossen zu nutzen.

Der Elektro-Schmelzbetrieb des Mannesmann-Demag- Werks Jünkerath.

Foto: Aus der Schrift »Gießerei Jünkerath«