Lebensgemeinschaft Dorf

Immer mehr Bürger arbeiten mit

Heinz Neisen, Üxheim

 

Der Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« gilt in der Bundesrepublik Deutschland als die populärste Bürgeraktion der vergangenen 2/2 Jahrzehnte. Trotz tiefgreifender, struktureller Umwälzungen in der Landwirtschaft und im ländlichen Räume, trotz kommunaler Neugliederung und Entstehung von Großkreisen hat dieser Wettbewerb ständig an Interesse gewonnen.

Zum Verständnis dieser großen Bürgerbewegung ist ein kurzer Rückblick in die Zeit erforderlich, in der die Idee geboren wurde. Nachdem gegen Ende der 50er Jahre die ersten politischen und wirtschaftlichen Schwierigkei-ten des Wiederaufbaues nach dem Kriege unter erschwerten Bedingungen überwunden waren, konnten sich die Städte bereits in neuem Glanz sehen lassen. Alle Bemühungen, die zunächst auf den industriellen Wiederaufbau und die Versorgung des größten Teils der Bevölkerung gerichtet waren, fanden im ländlichen Raum wenig Niederschlag. Flurbereinigungsverfahren waren in den vergangenen VA Jahrzehnten ins Stocken geraten und mußten mühsam wieder in Gang gebracht werden. Die Landwirte arbeiteten noch 12 bis 15 Stunden täglich, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die soziale Sicherung der Landbevölkerung hatte bei weitem noch nicht das Niveau erreicht, das damals für Beschäftigte in Industrie, Gewerbe und Handel bereits Selbstverständlichkeit war.

In dieser Zeit entstand bei der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft die Idee des Wettbewerbes »Unser Dorf soll schöner werden«.

Blumenschmuck an den Häusern, Bäume und Sträucher im öffentlichen Bereich sollten den Dörfern ein wenig Farbe verleihen und ihr tristes Gesicht aufhellen. Als Selbsthilfeaktion aus der Not der Situation geboren, bot dieser Wettbewerb der Dörfer die Möglichkeit, der ländlichen Bevölkerung das »Schöne« nahezubringen. Das Erscheinungsbild der Dörfer sollte in Zukunft nicht mehr ausschließlich durch landwirtschaftliches Gerät, durch alte Schuppen, verunstaltet sein.

»Es lohnt sich, in unserem Dorf zu leben«, war der Tenor der Aktion.

Heute ist der Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« für viele ein äußerer Anlaß, endlich für ihr Dorf das zu tun, was ihnen schon lange dringendes Bedürfnis war, ihre lebenswerte Heimat, ihr Dorf, wie sie es teilweise noch aus der Vergangenheit kennen, zu pflegen und für die Zukunft zu bewahren.

Wir Menschen sind Teil der uns umgebenden Natur. Störungen ihrer Zusammenhänge, etwa die überzogene Asphaltierung der Landschaft mit allzu breiten Straßen, die Trockenlegung

von Feuchtgebieten, die Vernichtung von Pflanzen und Tieren, betreffen uns ganz direkt. Am Beispiel unserer Dörfer können wir die Folgen unseres vielfach zu sehr ausgeprägten wirtschaftlichen Denkens selbst erfahren und ablesen. Meistens zeigen sich die Folgen nicht sofort, sondern erst nach längerer Zeit, wenn viele Tier- und Pflanzenarten bereits ausgestorben sind und eine »Reparatur« nicht mehr möglich ist.

Die Erfahrungen aller am Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« Beteiligten und der Prüfungskommissionen bestätigen, daß ein Heimatempfinden der Dorfbewohner in erster Linie von sozialen Bindungen abhängig ist. Die Schönheit, die es bei diesem Wettbewerb zu bewerten gilt, ist eine innere Qualität der »Lebensgemeinschaft Dorf«. Erst wenn sich diese zur ausreichender Stärke im gemeinsamen Gestaltungswillen entwickelt hat, kann sie sich auch im äußeren Erscheinungsbild niederschlagen. Dann finden wir wieder Dörfer, die mit gestärktem Selbstbewußtsein ländliche Schönheiten vorstellen:

Häuser oder Bäume, in denen Fledermäuse nächtigen, den Dorfrand schützende Obstwiesen, Ententeiche, Feuchtwiesen oder Vogelschutzgehölze.

Obwohl in den letzten Jahren bereits ein Umdenkungsprozeß eingesetzt hat, dürften auch in Zukunft noch weitere Verbesserungen möglich sein.

Vereine und dörfliche Gemeinschaften haben mit ihrem Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« gelernt, daß überschaubare Ordnung in lebenswerter Umwelt zu jenem Selbstbewußtsein führt, das die Stadt als Vorbild nicht braucht.

In diesem Sinne wünsche ich, der dienstlich mit der Organisation des Wettbewerbs befaßt und daher mit seinen Problemen vertraut ist, dem Dorfverschönerungsgedanken besonders auf Kreisebene eine weitere positive Entwicklung. Mein besonderer Wunsch ist, daß sich dies in den kommenden Jahren auch in höheren Teilnehmerfeldern niederschlägt.