Was junge Leute interessiert

Filmwerkstatt Schule

Malte Blümke, Daun

 

In seinen Büchern »Das Verschwinden der Kindheit« und »Wir amüsieren uns zu Tode« zeigt der amerikanische Medienforscher Neu Postman am Beispiel der USA die enormen Gefahren auf, die das Fernsehen und die neuen Medien durch die Visualisierung der gesamten Gesellschaft darstellen. Der Trend hin zu den elektronischen Medien wird bestätigt durch die neueste ARD/ZDF-Medienstudie, nach der der Hörfunk pro Tag 72 % der Jugendlichen erreicht, Fernsehen, Video und Telespiele zusammen 71 %, das Buch aber nur noch 19 %. Das Szenario ließe sich leicht mit dem Hinweis auf die neuen Medien und bestimmte Video-Produktionen dramatisieren.

Weder kulturpessimistische Endzeitprophezeiungen vom Niedergang der (Lese-) Kultur, noch grandiose Verharmlosungsstrategien helfen hier weiter. Gefordert ist ein umfassendes Konzept der Medienpädagogik, das den Schüler in die Lage versetzt, aus dem vielfältigen Angebot auszuwählen und sinnvoll die Medien zu nutzen. Seit Jahren leistet das Geschwister-Scholl-Gymnasium Medienerziehung in den drei Bereichen der Mediengenerationen, die auch die historische Entwicklung der Medien widerspiegeln: Theater - Buch - Film.

Schon in den sechziger und siebziger Jahren wurden an unserer Schule Film und Fernsehen zur Ergänzung des Unterrichts eingesetzt. Die Analyse von Filmen, z. B. anhand von Literaturverfilmungen, gehört heute zum Standardprogramm des modernen Unterrichts.

Filmaufnahmen zum »Lenz-Film« mit dem Team des Saarländischen Fernsehens.

Aber erst die eigene aktive Film- und Videoarbeit erschließt die Strukturen und kreativen Möglichkeiten des Films. Durch die Produktion von eigenen Filmen können Mechanismen der medialen Beeinflussung leichter durchschaut, Phantasie und Kreativität freigesetzt werden. Theateraufführungen, Konzerte und Schulveranstaltungen werden regelmäßig von der Film-und Video-Arbeitsgemeinschaft der Schule aufgenommen und in einer Videothek archiviert, so daß die Aufnahmen immer wieder zur Verfügung stehen. Mit Hilfe von Video-Aufnahmen können Bewegungsabläufe, Rollenspiele, szenische Spiele genau analysiert und korrigiert werden. Höhere filmische Ansprüche stellen selbst hergestellte Dokumentarfilme. So haben Frank Weiler und Stefan Willems über die Ausstellung »So entsteht ein Bilderbuch« einen Dokumentarfilm erstellt, indem sie Aufnahmen von der Ausstellung, einen Bericht von einer Autorenlesung und Interviews mit Gisela Kalow und Achim Bröger zu einem Film zusammengeschnitten haben. Hierzu eignete sich besonders das Medium Film, da der Eindruck der sehr farbkräftigen Bilder auf andere Weise nur schwer wiedergegeben werden kann.

Die Verbindung vom Dokumentarfilm zum anspruchsvolleren Spielfilm stellt die Video-Schüler-Zeitung (VSZ) »Durchblick« dar. Die Video-Zeitung verbindet in loser Folge in der Art eines Magazins Informationen aus dem Schulleben mit unterhaltenden Teilen. Unterrichtsszenen, Arbeitsgemeinschaften, Freizeitaktivitäten, aktuelle Probleme, Sketche, Musik-Beiträge sind zum Beispiel Themen der Video-Schüler-Zeitung. Sie möchte mit filmischen Mitteln unterhalten und über das schulische Leben informieren, sie ergänzt damit das Angebot der traditionellen, gedruckten Schüler-Zeitungen. Die erste Ausgabe der VSZ wurde 1984 auf den Video-Film-Tagen Rheinland-Pfalz in Koblenz der Öffentlichkeit vorgestellt und mit einem 2. Preis in der Sparte Schüler-Video-Produktionen ausgezeichnet. Die zweite Ausgabe der VSZ konnte die Film- und Video-AG in der Schulfernsehreihe »Filmversuche aus der Schule« in Südwest 3 am 14. 10. 1985 vorstellen und in ihrer Entstehung erklären.

Rollentausch Schüler Lehrer im Film »die Nacht in der Schule«

Seit Beginn der aktiven Filmarbeit 1981 wurden kleinere Spielfilmprojekte in Angriff genommen. Eine 6. Klasse dachte sich zum Beispiel eine Geschichte aus, zu der ein Drehbuch erstellt wurde: Eine Schülerin versteckt sich für eine Nacht in der Schule und erlebt dabei spannende Ereignisse. Das Drehbuch wurde mit einem Fernsehteam des Saarländischen Rundfunks unter dem Titel »Die Nacht in der Schule« verfilmt und in der Folge 9 der »Filmversuche aus der Schule« 1982 gesendet. In dieser Sendung war auch der Erstlingsfilm des Filmteams Christoph Hegerl, Michael Haase, Marc Weis »Der tödliche Schuß« zu sehen. Der Film zeigt in Form einer Retrospektive Schlüsselszenen aus dem Leben eines Anti-Helden: Fehde, Duell, Verfolgung, Prophezeiung, Liebe und Tod. Der Film nimmt sehr viele Elemente bekannter Kino-Filme in parodierender Form auf.

Während die Filmemacher der ersten Generation am Geschwister-Scholl-Gymnasium noch mit den Tücken der Technik zu kämpfen hatten, können mit der neuen Videoanlage seit 1985 semiprofessionelle Produktionen hergestellt werden. Dies zeigt sich deutlich bei dem Spielfilm »Lenz«, den ein Grundkurs Deutsch nach Büchners Novellenfragment »Lenz«, das sich auf den Tagebuchbericht des Pfarrers Oberlin aus dem 18. Jahrhundert stützt, in eigener Regie erstellt hat. Die Handlung des »Lenz«-Films spielt in der Gegenwart, Schauplatz ist die Eifel. Lenz (Stefan Willems) zieht sich mehr und mehr von seinen Mitschülern zurück, beginnt über Theologie und Psychologie nachzudenken und seine Gedanken aufzuschreiben. Lenz gilt bei seinen Mitschülern als Spinner. Es gelingt ihm nicht, eine feste Beziehung zu einem Mädchen (Anya Walther) herzustellen. Schließlich schreibt er einen Abschiedsbrief, packt seine Sachen und haut ab. Nach langem Umherirren trifft er auf den Pfarrer Oberlin (Günter Mann), der für Lenz Verständnis aufbringt. Oberlin kann Lenz jedoch auch nicht helfen, so daß Lenz schließlich in großer Erregung die Hütte des Pfarrers verläßt . . .

Bei diesem Spielfilm, der in beinahe zweijähriger Arbeit entstand, wirkte der gesamte Kurs mit. Jeder hatte eine Aufgabe, sei es bei der Erstellung des Drehbuches, der Schauspielerei, den Requisiten, der Kameraführung, Beleuchtung oder Technik. Lohn der vielen Arbeit war der 1. Preis bei den 4. Video-Film-Tagen von Rheinland-Pfalz 1986, Berichte im Hörfunk und Schulfernsehen und schließlich die Sendung des Originalfilms zu Büchners 150. Todestag am 19. Februar 1987 im Bürger-Service des Kabelfernsehens Ludwigshafen.

Inzwischen gibt es für jugendliche Filmemacher immer mehr Möglichkeiten, ihre Produktionen vorzuspielen. So wurden die Filme vom Geschwister-Scholl-Gymnasium auf den Videofilmtagen in Wiesbaden, Erlangen und Ludwigshafen gezeigt und diskutiert.

Möglicherweise sind die dargestellten Filmprojekte für Schul- und Jugendgruppen ein Ansporn, das Medium Film und Fernsehen nicht nur passiv zu konsumieren, sondern aktiv und kreativ selbst zu gestalten!