Anekdoten aus dem Kreis Daun

Franz Josef Ferber, Daun

 

Im Jahrbuch 1981 hatten wir begonnen, an dieser Stelle »Anekdoten aus dem Kreishaus« zu veröffentlichen. Diese Serie soll nun fortgesetzt und erweitert werden durch »Anekdoten aus dem Kreis Daun«. Da sind erfreulicherweise viele erhalten geblieben, und es wäre schade, wenn sie nicht aufgeschrieben würden. Sie dienen nicht nur der Unterhaltung, sie haben auch heimat- und volkskundliche Aussagekraft.

Nicht alle Tage gewachsen

Zeitlebens hatte sie nicht begriffen, daß der Wert eines Menschen von vielem abhängt, am allerwenigsten jedoch an seiner Körpergröße zu messen ist. Sie, das war die Mariann Arenz aus Mannebach. Gewiß, ihr Ehemann, im Dorf der »Arenz Mattes« genannt, war etwas klein geraten. Er war, wie der Volksmund sagt, nicht alle Tage gewachsen. Fuhr er mit seinem Kuhgespann die Dorfstraße entlang, so sah man ihn - von der »Von-der-Hand-Seite« aus gesehen - nicht, weil die Kühe ihn bis an den Kopf verdeckten. Nur an der emporragenden Peitsche, der »Klitsch«, die Mattes stets aufrecht hielt, war zu erkennen, daß die Tiere nicht allein unterwegs waren, sondern einen Gespannführer hatten.

Unter diesem Zustand litt Mattes nicht, war er doch ein rechtschaffener Mensch, der mit dem gleichen Fleiß wie andere Dorfleute sein Brot verdiente. Seine Lebensgefährtin, ehrbar wie ihr Mann, fühlte jedoch anders. Sie hatte ihren Mann gern. Es machte ihr nichts aus, daß sie ihn an Körpergröße weit übertraf. Das wäre auch alles nicht schlimm gewesen, hätten die Dorffrauen sich nicht bei jeder Gelegenheit über die Kleinwüchsigkeit des Mattes lustig gemacht und das ausgerechnet im Beisein der Mariann. Dies brachte die sonst so friedfertige Frau gehörig in Rage. Jedesmal, wenn die Sprache auf ihren kleinen Mattes kam, ereiferte sie sich über alle Maßen: »Mejne Mattes öß janz jenau suh schruhß bieh all Manna ömm Doref, nua sejn Been seyn jätt korza!«

Ein kleines Mißverständnis

Es mag ungefähr achtzig Jahre her sein, da wohnte in einem Dorf unweit der Kreisstadt ein redlicher Bauer. Tag für Tag rackerte er sich auf seinen Feldern ab, um der Familie das tägliche Brot geben zu können. In seinen späteren Lebensjahren machte ihm ein Blasenleiden arg zu schaffen. Zuweilen hatte er Mühe, das Wasser zu halten. Trotzdem ließ der arbeitsame Bauersmann sich nicht von seiner Tagesarbeit abhalten. Im Sommer stand er in aller Herrgottsfrühe auf und ging, bekleidet mit dem früher üblichen Leinenkittel, in die Wiese zum Grasmähen. Zu vorgerückter Stunde hatten sich einige Dorfjungen zu ihm gesellt. Sie standen da und schauten dem fleißigen »Ühm« zu, wie er geschickt die Sense führte, sie zwischendurch fachmännisch schliff und dabei ab und zu seinen Kautabakspeichel in hohem Bogen ausspuckte. Ausgerechnet da passierte es, daß dem Mäher, unbeeinflußbar von dessen Willen, Wasser weglief. Die Jungen sahen dies, wußten aber ihre Beobachtung nicht recht zu deuten. Und einer von ihnen meinte hierzu treuherzig: »Ühm, kuckt eeß, Eua Schlottafaaß rinnt!« (Anmerkung: Schlottafaaß = Schleifsteinbehälter mit Wasser gefüllt, befestigt am Ledergürtel im Rücken).

Insekten als Heilsbotschafter

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte man beobachten, daß kleinere Religionsgemeinschaften in unserer Heimat Fuß zu fassen versuchten. Die Vertreter dieser Sekten waren recht diensteifrig, sie pilgerten von Haus zu Haus und warben für ihre Sache. Das störte den Herrn Pastor von Demerath. Er sah es als seine von Gott auferlegte Pflicht an, seine Pfarrkinder über die »Machenschaften der fal-sehen Propheten« aufzuklären. Das tat er des Sonntags eindringlich von der Kanzel. In priesterlicher Sorge ermahnte er die katholischen Christgläubigen, den falschen Lehren der »Seelenkäufer« kein Gehör zu schenken.

Ein paar Wochen danach war es dann so weit. An der Haustür von »Schäwesch Trejn« (Anm. d. Verf.: Der Name wurde geändert) erschienen fremde Leute und erzählten ihm so allerlei, von Gott, vom Weltuntergang, vom Tod und vom Teufel. Das Trejn begriff zuerst so gut wie nichts. Auf den aufdringlichen Redeschwall der Heilslehrer war es nicht gefaßt, wortlos stand es da. Und es verging eine Weile, bis es dämmerte. Ihm kam auf einmal, einer Erleuchtung gleich, die Sonntagspredigt des Herrn Pastors in den Sinn. Dann war das Trejn an der Reihe, was das Reden betraf. Seine Augen weiteten sich plötzlich und es nahm nun alle Fäden selbst in die Hand. Mit todernster Miene, couragierter Haltung und fester Stimme unterbrach es jäh den ungeheuren Redefluß seiner Besucher: »Aha! Wejle weeß esch alles! lha sejd also die Insekten!...«.