Naturgewalten

Unwetter im Jahre 1959 in Pelm

Brigitte Müller, Schönecken

 

Es gibt Zeiten, da müssen die älteren Mitmenschen uns, die junge Generation, förmlich wachrütteln. Nicht ganz zu Unrecht nennt man uns oft oberflächlich, uninteressiert, ziellos. Wir wissen kaum etwas von gestern und machen uns wenig Gedanken um morgen, uneingeschränkt schöpfen wir aus dem Vollen, und leben in unserer »heilen Welt«, die unsere Väter mühsam für uns aufgebaut haben. Nachrichten von Hungersnöten, Unglücken und Katastrophen beeindrucken uns kaum noch.

Wir müssen umdenken - es wird höchste Zeit! In der Eifel ist der Kreis Daun in den letzten zwanzig Jahren von nennenswerten Naturkatastrophen verschont geblieben. Das war nicht immer so. Epedemien, Siechtum, Naturgewalten und Umweltschäden brachten viel Unglück. An ein Ereignis, das ich als achtjähriges Mädchen in Pelm miterlebte, möchte ich erinnern. Es war ein strahlend schöner Nachmittag wie viele zuvor. Mama saß an ihrer Nähmaschine, Papa arbeitete im Bahnhofsbüro und ich spielte mit Nachbarskindern Verstecken. Im Kylltal am Fuße der Kasselburg war bis zu diesem Zeitpunkt die Welt noch in Ordnung. Doch plötzlich zogen von Gerolstein her dunkle Gewitterwolken auf. Sie schoben sich mit ungeheurer Geschwindigkeit voran und hatten eine unheilvolle, grün-schwarze Färbung. Es kam Wind auf. Die tiefhängenden Wolken konnten nicht über die Burg hinweg und türmten sich zu gewaltigen Wolkenbergen. Meine Mutter riß das Fenster auf und rief: »Bring die Wäsche mit rein, es gibt ein Gewitter«. Ich rannte und versuchte, die paar Wäschestücke von der Leine zu holen. Es war fast unmöglich. Der Wind wurde zunehmend stärker - es war so dunkel, als sei es bereits Nacht. Donnerrollen übertönte das Rauschen des Windes. Verzweifelt kämpfte ich mit meiner kleinen Wäscheschüssel gegen die orkanartigen Böen an.

Mühevoll waren die Aufräumungsarbeiten in der Ortslage Pelm nach dem Unwetter vor beinahe 30 Jahren.

Foto: Leinung

Verwüstungen an den Gebäuden um den »Rockeskyller Sprudel«.

Foto: Leinung

Es war unmöglich zu rufen, ich bekam keine Luft mehr. Ein schwerer Kampf, die wenigen Meter vom Wäscheplatz bis zur Haustür. . . ich sehe mich noch heute tränenüberströmt Stufen unserer Treppe raufsteigen, als es draußen mit einem Höllenlärm losging. Blitzen, Krachen, Regen und nochmals Regen, soviel die Schleusen hergaben.

Binnen kurzer Zeit war der ganze Brühl überschwemmt, jenes fruchtbare Fleckchen Erde, wo mit soviel Liebe die herrlichsten Gärten angelegt waren.

Wir standen lange mit unserer Familie am Fenster des alten Pelmer Bahnhofs - bei Kerzenlicht - und beobachteten das Wüten von Wasser und Sturm. Die Sirenen gingen mehrmals, wir hörten die Feuerwehr, die ausrücken mußte. Schon sahen wir die ersten Möbelteile, Tische, Stühle, Holzkisten und vieles mehr in der Kyll treiben. Das Hochwasser riß zu unser aller Entsetzen auch ein schreiendes Schwein und viele Hühner mit sich fort. Jede Menge Holz, Reifen und Unrat hüpften auf den schäumenden Wogen. Wir konnten das ganze Ausmaß der Katastrophe nur ahnen.

Am nächsten Morgen, als ich mit meiner Mutter zur Kirche ins Dorf wollte, mußten wir bereits an der Bahnhofsbrücke umkehren. Schlamm und Geröll versperrten uns den Weg. Die Aufräumungsarbeiten waren bereits in vollem Gange. Im Laufe des Tages erst erfuhren wir, daß dieses Gewitter auch in den Nachbarorten erhebliche Spuren hinterlassen hatte. Nach Auskunft des Wetteramtes fielen in der Nacht vom 30. 4. zum 1. 5. 1959 in Hillesheim 44,6 l/ m2 Regen, in Densborn waren es sogar 104,0 l/ m2. Herr Leinung, ein Amateurfotograph, machte damals eine Reihe von Bildern, die Auskunft geben, wie es in Pelm und Umgebung aussah.

Eine einzige Nacht kann, wie wir sehen, sehr viel Unheil anrichten und die Arbeit von Jahren zerstören. In diesem Bewußtsein sollten wir leben und schätzen lernen, was wir sind und haben!