Das Weihnachtswunder

Hildegard Sebastian, Daun

 

Das ganze Dorf lag tief im Schnee versunken

um jedes Haus ragt hoch die weiße Fülle,

am Himmel nur der Sterne gold'ner Funken

und auf den Straßen herrschte längstens Stille.

Nur ein paar Menschen, die mit schnellen Schritten

hineilen durch den weichen Schnee,

sie wollen heim in ihre Hütten,

das Christkind kommt, ist in der Näh'.

Denn Heiliger Abend ist es heuer -

und eine Ruhe rings umher,

man rüstet schon zur Weihnachtsfeier,

darum die Straßen weiß und leer.

Nur drinnen in den warmen Stuben

da klingt es leis' oh Tannenbaum

für alle Mädchen - alle Buben -

erfüllt sich bald ein Weihnachtstraum.

Da sitzt man um die blanken Tische

ein Weihnachtsbaum ist aufgestellt

und auch die allerkleinste Nische

ist schon vom Kerzenlicht erhellt.

Durch all' die kleinen Fensterscheiben

fällt auch nach draußen noch ein Licht,

das mit dem weißen Flockentreiben

so silbern glänzend sich vermischt!

Ganz leise sinkt die Nacht hernieder,

die Kinder sitzen ernst und bang,

sie beten, singen Weihnachtslieder,

es tönt ein ferner Glockenklang!

 

Auch in des Schmiedemeister's Hause

da ist man für das Fest bereit -

der Meister machte längst schon Pause -

doch irgendwie ist's anders heut'.

Es war doch so in allen Jahren

und ist gar ein sehr schöner Brauch

Großvater und Großmutter waren

zugegen in der Stube auch.

Nur daß die Mutter heute fehlte -

wo mochte sie denn diesmal sein?

Großmutter Weihnachtsmärchen mir erzählte,

denn ich war damals noch sehr klein!

Am Baume brannten schon die Kerzen,

aus Holz darunter auch ein Krippchen.

Ich wünschte mir in meinem Kinderherzen

doch gar so sehr ein schönes Püppchen.

Ein Püppchen nur, ich hätt's von Herzen lieb.

Der Vater lief bald hin bald her.

Wo nur die Mutter heute blieb?

Mir fiel das Warten doch so schwer.

Als matter wurd' der Kerzenschimmer

und manches Licht schon ausgebrannt

da trat der Vater leis' ins Zimmer

und nahm mich fest an seine Hand.

Nun komm' mein Kind, wir wollen sehen

ob dir ein Püppchen ward' beschert,

wir wollen zu der Mutter gehen -

ich hab' dort oben was gehört!

 

Da lag die Mutter in den Kissen -

sie hielt ein Püppchen fest im Arm;

ich hab' vor Freude jauchzen müssen,

mir wurd' um's kleine Herz so warm.

 

Das war ein wunderschönes Püppchen,

was mir das Christkind da gebracht!

An Tannenbaum und Weck und Krippchen,

da hab ich nicht mehr dran gedacht.

 

Ich denk' noch heut' in späten Jahren

an jenes Wunder der Heiligen Nacht;

das Christkind hat - ihr habt's erfahren -

ein Schwesterchen für mich gebracht.

 

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