Eine umfangreiche »Geburtsurkunde«

Anton Sartoris, Immerath

 

Im Heimatjahrbuch 1987 berichtet August Meyer, Daun, über die Familie Schreiner und andere Familien aus Üdersdorf. Was dabei besonders interessiert, sind die Anmerkungen über die Eintragungen in Tauf- oder Sterbe-Register der Pfarreien Daun und Üdersdorf, sowie in die Standesamts-Register. So berichtet Meyer, daß die Heirat des Johann Adam Willems mit Anna Margaretha Clausen nicht im Register eingetragen war, ebenso nicht die Heirat des Theodor Schreiner mit seiner zweiten Frau, Anna Maria Willems.

Im Zuge der Französischen Revolution von 1789 besetzten die Franzosen das Rheinland, also auch unsere Heimat. Unter dieser Herrschaft wurden im Jahre 1798 die Standesämter eingeführt. Mit den Eintragungen in die Standesamtsregister hat man es damals nicht so genau genommen.

Denn als die Maria Gertrud Reicherts aus Üdersdorf, meine Ur-Urgroßmutter mütterlicherseits, im Jahre 1818 heiraten wollte, stellte man fest, daß sie nicht eingetragen war, folglich konnte keine Geburtsurkunde ausgestellt werden.

Sie mußte deshalb beim Friedensgericht in Daun selbst erscheinen und durch »sieben Zeug« ihre Geburt nachweisen lassen, wie nachstehende Urkunde beweist:

Abschrift aus den Heiratsbelegen des Standesamts Gillenfeld, Jahrgang 1818 (Landessippenamt, Nebenstelle Koblenz, Abt.: F/Nr. 1)

Auszug aus den Protokollen des Königlichen Kreisgerichts von Prüm

Wir, Friedrich Wilhelm der Dritte von Gottes Gnaden König von Preußen, Großherzog vom Niederrhein thun kund und fügen hiemit zu wissen, dass das Kreisgerichtt von Prüm in seiner öffentlichen Sitzung vom vierzehnten October tausend acht hundertachtzehn, wo gegenwärtig waren die Herrn Becker Präsident, Bender Richter, Lietz Ergänzungs-Richter, Se-ling, Richter für den Staats-Prokurator und Gi-raud Gerichtsschreiber, folgendes Urtheil erlassen hat:

Eingesehen die von Gertrud Reicherts Ackerin in Uttersdorf wohnhaft übergebene Bittschrift, wodurch dieselbe darauf angetragen, dass es dem Kreis Gericht gefallen möge, nachstehenden Offenkündigungs Akt zu bestätigen, welcher also lautet:

Auszug aus den Protokollen des Friedesgerichts von Daun, Kreis-Gerichts Bezirks von Prüm, Regierungs Bezirk von Trier.

 Heute den zwanzig vierten September achtzehn hundert und achtzehn, vor uns Egidius Becker, Friedenrichter des Cantons Daun in Beiseyn des Gerichtsschreibers Johann Adoph Gandner, erschienen die Gertrud Reicherts, Ackerin in Üdersdorf wohnhaft, zeigt uns an: dass sie die eheliche Tochter des Mathias Reicherts und der Anna Maria gebohrene Schenk, Ackersleute in Uedersdorff seye, dass sie im Jahre siebenzehn hundert neun und neunzig seye gebohren worden und zwar den vierzehnten November, und dermalen im Begriff stehen, sich zu verehelichen. Dieweil sie aber in denen auf ihrer Bürgermeisterei deponierten Geburths-Registern nicht eingetragen stehe, und daher bei Abschliessung ihres Hei-raths Aktes den erforderlichen Geburtschein nicht aufweisen könne, so habe sie die hier anwesende sieben Zeugen uns vorgestellt, um aus deren Aussage ihre Geburth zu bestimmen; welche Zeugen nach abgelegtem vorgeschriebenen Eide die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, und befragt über ihre Namen, Vornamen, Stand, Gewerb und Wohn-ort, ihre Erklärungen seperatim gaben wie folgt:

1. Zeug: Ich nenne mich Mathias Reicherts, bin acht und vierzig Jahre alt, Ackerer,- wohne in Udersdorff. Die gegenwärtig Gerturd Reicherts ist meine mit meiner Ehegattin Anna Maria Schenk gezeugte Tochter. Sie wohnt bei mir, und ward den vierzehnten November sieben-zehn hundert neun und neunzig in Udersdorff gebohren, und anderntags in der Pfarrkirche zu Daun getauft, wo sie auch wirklich in dem vom Herrn Pastor Wrangel gehaltenen Taufregister eingeschrieben ist. Wir machten dem damaligen Agenten in unserm Orte die Anzeige von ihrer Geburth; wo aber die von diesem gehaltene Register hingekommen sind, weis ich nicht; wenigstens finden sich auf unserer Bürgermeisterei keine Geburthen von dem Jahre sieben-zehnhundert neun und neunzig aufgezeichnet, noch ist ein Register von demselben Jahre daselbst vorfindlich.

2. Zeug: Ich nenne mich Johann Martin Schenk, bin vier und sechzig Jahre alt, Ackerer, wohne in Trittscheid. Ich bin Taufpathe der gegenwärtigen Gertrud Reicherts. Sie ist die Tochter der Eheleute Mathias Reicherts und meiner Tochter Anna Maria Schenk, Ackersleute von Udersdorff. Sie wurde daselbst den vierzehnten November siebenzehn hundert neun und neunzig gebohren und anderen Tags zu Daun getauft. Zu derselben Zeit wurden die Geburthen den Agenten angezeigt, ob diese nun hier sind, weis ich nicht. Soviel ist gewiss, dass von jenen Jahren keine Geburths Register auf unserer Bürgermeisterei vorfindlich sind.

3. Zeug: Ich nenne mich Gertrud Reicherts bin vier und fünzig Jahr alt, Ackerin, wohne in Udersdorff. Ich habe die gegenwärtige Gerturd Reicherts über Tauf gehoben. Sie ist die eheliche Tochter meines Bruders Mathias Reicherts und der Anna Maria gebohrene Schenk. Sie wurde den vierzehnten November siebenzehn hundert neun und neunzig in Udersdorff gebohren und des ändern Tags zu Daun getauft. Warum sie nicht in den Registern unserer Bürgermeisterei eingetragen ist, weis ich nicht,-Damals wurden diese von den Agenten geführt und sind wahrscheinlich verlohren gegangen.

4. Zeug: Ich nenne mich Anna Meurer, bin siebenzig vier Jahre alt, Ackerin, wohne in Udersdorff. Bei der Geburth der Gertrud Reicherts vertrat ich die Stelle der Hebamme. Sie ist die Tochter des Mathias Reicherts und der Anna Maria gebohrene Schenk, Eheleute in unserm Orte. Sie wurde den vierzehnten November siebenzehn hundert neun und neunzig gebohren, und ändern Tags zu Daun getauft; Sie wohnet bey ihren Eltern. Ihre Geburth fällt in die Epoche der republikanischen Agenten, von welcher Zeit keine Geburths Register vorfindlich sind.

5. Zeug: Ich nenne mich Johann Theis, bin dreissig Jahre alt, Schreiner, wohne in Daun. Zur Zeit der Geburth der gegenwärtigen Gertrud Reicherts arbeitete ich bey ihren Eltern in Udersdorff; daher weiss ich, dass sie die eheliche Tochter des Mathias Reicherts und der Anna Maria gebohrene Schenk ist, und gegen Mitte des Novembers im Jahre siebenzehn hundert neun und neunzig zu Udersdorff zur Welt kam. Auch weis ich, dass von dieser Zeit fast nirgends Geburths Register vorfindlich sind.

6. Zeug: Ich nenne mich Anna Catharina Reichertz, bin dreissig sieben Jahre alt, Ackerin, wohne in Udersdorff. Ich bin rechte Basse der Gertrud Reichertz und war bey ihrer Geburth und Taufe gegenwärtig. Sie ist die eheliche Tochter des Mathias Reichertz und der Anna Maria Schenk, Ackersleute aus unserm Orte und wurde den vierzehnten November siebenzehn hundert neun und neunzig zu Udersodrff gebohren und ändern Tags in Daun getauft. Warum sie nicht im Geburths Register eingetragen ist, weis ich nicht, vermuthlich sind die damalige von den Orths Agenten gehaltene Geburths Register verlohren gegangen.

7. Zeug: Ich nenne mich Anna Maria Kreuter, bin fünzig vier Jahre alt, Ackerin, wohne in Utersdorff. Ich war bei der Geburth und Taufe der gegenwärtigen Gertrud Reichertz zugeg-hen. Sie ist die Tochter des Mathias Reichertz und der Anna Maria gebohrene Schenck, Ak-kersleute in unserm Orte wohnhaft. Sie wohnte bis hiehin bey ihren Eltern, und wurde den vierzehnten November siebenzehn hundert neun und neunzig zu Udersdorff gebohren undfolgenden Tags zu Daun getauft. Wahrscheinlich haben die damaligen Orts Agenten keine regelmässige Geburths-Register geführt, denn von denselben Jahren sind keine vorfindlich.«

Übier alles obige haben wir gegenwärtigen Akt aufgesetzt, welchen nach geschehener Vorlesung Comparenten mit uns und dem Gerichtsschreiber unterschrieben haben, mit Ausnahme des dritten, vierten, sechsten und siebenten Zeugs, welche sich Schreibens unerfahren erklärt haben. So geschehen zu Daun am Tag Monat und Jahr wie Eingangs gemeldet, Gezeichnet sind auf der Urschrift Johannes Theis, Gertruda Reichertz, Mathias Reichertz, Johann Martin Schenk, E. Becker und Gandner. Einregistriert zu Daun den fünften October achtzehn hundert achtzehn, Folio hundert acht und siebenzig, Numero acht. Empfangen sechs Groschen vier Pfennige, Königliche Kreiskasse gezeichnet. Für gleichlautende Ausfertigung, der Gerichtsschreiber gezeichnet Gandner.

Eingesehen die Ordonanz des Herrn Präsidenten wodurch die Sache dem Gutachten der Staatsbehörde übergeben, und der Herr Richter Bender als Berichtsteller ernannt worden. Eingesehen den Antrag des Königlichen Staats-Prokurators, dahin zielend, diesen Akt zu bestättien.

Nachdem der commitierte Herr Richter Bender in seiner Berichterstattung vernommen worden. In Ergänzung: dass die durch die Artikel ein und siebenzig und zwei und siebenzig des Civil Codex vorgeschriebene Feierlichkeiten erfüllt worden sind, erklärt das Kreisgericht, dass der vorstehende Offenkündigungs Akt seinem ganzen Inhalt nach zu bestättigen seye, und hiermit bestättiget wird, woraus hervorgeht, dass die genannte Gertrud Reichertz aus der rechtmässigen Ehe des Mathias Reichertz und der Anna Maria Schenk, Eheleute in Utersdorff wohnhaft, am vierzehnten November tausend sieben hundert neun und neunzig gebohren seye.

Also ausgesprochen zu Prüm am Tag Monat und Jahr wie Eingangs erwähnt, sind auf der Urschrift unterschrieben Becker und Giraud. Befehlen und verordnen zugleich allen Ge-richtsvollzieheren, die dazu aufgefordert werden, gegenwärtiges Urtheil zur Vollstreckung zu bringen, unsern General Prokurator und Prokuratoren bei den Gerichten erster Instanz dasselbe zu handhaben, und allen Comman-danten der Königlichen Gendarmerie gestärkte Hand zu leisten, wenn sie rechtmässig dazu aufgefordert werden.

Zur Bekräftigung dessen ist gegenwärtiges Urtheil von dem Präsidenten und Gerichtsschreiber unterschrieben worden. Für gleichlautende Abschrift: der Gerichtsschreiber ./. Giraud.«

Soweit nun die umfangreiche, mühsam entstandene Geburths-Urkunde.

Die Gertrud Reicherts heiratete den Wilhelm Schneider aus Udler, Ackerer, geboren am 1. 11. 1794. Die standesamtliche Trauung fand am 18. Oktober 1818 in Gillenfeld, und die kirchliche am 23. Okt. 1818 in Brockscheid statt.