Von alten Kinderreimen

Theo Pauly, Gerolstein

 

Einige Kinderreime im Dialekt sind mir in Erinnerung geblieben. Wenn sie hier wiedergegeben werden, so nicht zuletzt mit dem Hintergedanken, daß sich der eine oder andere Leser selbst wieder erinnert und bereit ist, alte bekannte, noch gewußte Kinderreime festzuhalten und sie vielleicht dem Heimatjahrbuch zur Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen. Es wäre schade, sollten sie in Vergessenheit geraten, geben sie doch beredtes Zeugnis über denUmgang mit Kindern in früherer Zeit und sind gleichzeitig ein Dokument Eitler Kultur. Ich erinner mich, auf dem Schoß des Vaters, des Großvaters, eines Onkels oder auch anderer Bekannter geschaukelt worden zu sein, wobei nebem dem heute noch bekannten, allerdings in hochdeutscher Sprache gesungenen Kinderreim »Hoppe, hoppe, Reiter, wenn er fällt, dann schreit er .. .« in etwa der gleichen Melodie (Rufterz) folgender Kinderreime gesungen wurde:

»Heija, bomm bause,

muur jieh ma noa Klause,

 muur jieh ma noa Wäckelsteen,

daa bränge ma demm Könd en Wäck mött heem«.

Für alle, die sich nicht so gut im Dialekt auskennen, hier die Übersetzung:

»Heija, bomm bause,

morgen gehn wir nach Klausen (bekannter Wallfahrtsort)

morgen gehn wir nach Weckelstein (Phantasiename)

dann bringen wir dem Kind einen Weck (Brötchen) mit heim.

Über die ausgestreckte offene Hand des Kindes streichelte der Erwachsene mit seiner ebenfalls offenen Hand und sprach dabei:

Hei hoaste en Dalerche,

daa jeehst de op et Möartje,

daa kööfst de da en Köhche,

dat Köhche hoat en Källefche,

dat Källefche hoat e Schwänzje,

gille, gille Dänzche.«

Übersetzung:

»Hier hast du ein Talerchen,

da geht du auf das Märktchen,

dort kaufst du dir ein Kühchen,

as Kühchen hat ein Kälbchen,

das Kälbchen hat ein Schwänzchen, gille, gille, Tänzchen.«

Beim letzten Vers kitzelte der Erwachsene mit den Fingerspitzen die offene Handfläche des Kindes.

Oft mußte das größere Kind das kleine Geschwister hüten, vielfach die Wiege des Säuglings bedienen, damit der kleine Schreihals Ruhe gab. Viel lieber wäre das Kind natürlich draußen beim Spielen mit anderen gewesen,

und so mag folgender Reim entstanden sein:

»Wenn anna Könna spüle joahn,

daa mooß ech bei da Weech stoahn!

Daa jeeht die Weech dijickel, dijack.

Schloaff, dau kleene Drecksack!«

Übersetzung:

»Wenn andere Kinder spielen gehn,

dann muß ich bei der Wiege stehn!

Dann geht die Wiege dijickel, dijack.

Schlaf, du kleiner Drecksack!«

Hier wird deutlich, wie ungehalten so ein Kind war, das seine kostbare Zeit dem kleinen Bruder oder der kleinen Schwester widmen mußte, aber auch, wie das Kind schon frühzeitig in Pflicht und Verantwortung genommen wurde. Das Spiel mit Klickern (Murmeln) füllte auch in meiner Kindheit noch ganze Tage aus. Meist wurde eine kleine Vertiefung, eine Kuhle (et Kleckere-Käulche) mit dem Schuhabsatz in die Erde gedreht und in einer Entfernung von etwa zwei bis drei Metern ein »Mal« gezogen. Von hier aus wurden dann in einer vorher ausgezählten Reihenfolge eine bestimmte Anzahl von Klickern in die Kuhle geworfen; zumindest wurde das versucht. Nicht alle trafen ins Ziel, und nun wurde von der jeweiligen Stelle aus, an der ein Klicker lag, versucht, diesen in die Kuhle zu schnipsen oder zu schieben; die Technik blieb jedem überlassen, nur die Reihenfolge der Teilnehmer blieb bestehen. Wer den letzten Klicker ins Ziel befördert hatte, durfte alle darin befindlichen an sich nehmen und behalten und gleichzeitig als erster das neue Spiel beginnen. War ein Klicker zu weit von der Kuhle weggerollt, durfte man vom »Mal« aus versuchen, diesen Klicker wieder in die Kuhle zu werfen.

Bei einer Art Knobeln mit Klickern ging es folgendermaßen zu: Ein Kind nahm eine verschieden große Anzahl Klicker in beide Hände, die es aneinander gedrückt geschlossen hielt. Die übrigen Kinder falteten ebenfalls die Hände, der Klickerhalter strich mit seinen gefalteten Händen durch die Hände der anderen und fragte:

»Haffel de mein,

wivill seina dein?«

Riet ein Kind die genaue Anzahl der in den Händen befindlichen Klicker, hatte es gewonnen und durfte die erratenen Klicker behalten. Nun war es an ihm, das Spiel fortzusetzen.

Einen einzigen Auszählreim im Dialekt kenne ich noch, und er sei hier wiedergegeben. Allerdings ist es mir unmöglich, ihn zu übersetzen, und so kann ich auch seinen Sinn nicht ausmachen; vermutlich war er in meiner Kindheit schon so verballhornt, daß er nur noch eine Aneinanderreihung von Ausdrücken darstellte, ähnlich einer Zauberformel. Derjenige, auf den der Finger des Auszählenden beim letzten Wort »uß« zeigte, schied aus der Zählreihe aus, und wer als letzter übrig blieb, durfte das Spiel beginnen. Der Auszählreim lautete:

»Äppel, de Bäppel, de Birrepoahl,

drei Tunk, Hannes, Jelaas, Tunk, uß!«