Der Kartoffelklau

Erinnerungen aus Kindertagen

Peter Koch, Katzwinkel

 

Oberhalb Katzwinkel liegt in Richtung Gefeil gleich hinter dem Wald eine Ödfläche der Gemeinde Katzwinkel. Oben dehnt sich eine etwas größere Anhöhe etwa hundert Meter hinunter zu den Erlenheistern am Bächlein. Hier stehen Gruppen von Erlenhecken, aber auch einige knorrige Eichen, Weiden und Ebereschen behaupten hartnäckig in diesem wüsten Durcheinander ihr Dasein. Zwischen allen Bäumen und Hecken bildet sich auf den Kahlstellen eine kümmerliche Grasnarbe. Im Sommer ist's dort einmalig schön. Die unzähligen Nistplätze der Vögel sind erhalten, in den sumpfigen Stellen in der Nähe des Bächleins quaken die Frösche. Hundert von Schmetterlingen gaukeln durch die Gegend, oben in den Tannen ruft der Eichelhäher. Der Bussard kreist übers Wäldchen und das Zwitschern der Vögel in den Erlenbüschen macht die Natur lebendig. Dieses Stückchen Ödlandfläche, das sind die Katzwinkler Aspeln.

Nach dem Schulunterricht gingen wir Katzwinkler Buben mit den Kühen dorthin und während sie weideten, waren alle Kinder voll ausgelastet mit Spielen. Meistens bauten wir aus Lehm und Feldsteinen kleine Häuschen oder Burgen, es entstanden unten in den Erlen Hütten und Hochsitze; ja, vielseitig war unsere Phantasie. Ganz oben am Rand der Aspeln hatte Trappenhannes aus Gefell einen kleinen Kartoffelacker. Eines Tages, im Frühherbst, kaum in den Aspeln angekommen, wurden wir uns einig, heute Kartoffeln zu braten. Streichhölzer hatten wir immer mit dabei, denn wenn es naßkalt war, wurde ein Feuerchen angefacht. Zudem mußten wir immer Streichholz mit uns tragen, denn wir waren ab und zu tüchtige Raucher! Einer hatte immer Tabak dabei, den er zu Hause dem Vater oder Bruder aus dem Tabaksbeutel stiebitzt hatte; im Notfall rauchten wir »Waachelerschell«. Die Wacholderrinde wurde von den ganz dürren Wacholderstauden abgenommen und zwischen den Händen klein gerieben, bis sie ganz faserig war, das war dann der berühmte »Waachelertubak«. Wer sich um den Abend, wenn die Schnaken kamen, eine Pfeife mit Waachelertubak anzündete, blieb verschont. Ja, es war ein fürchterliches Zeug; es stank entsetzlich, brannte auf der Zunge, und der Magen rebellierte. Es war eine wahre Roßkur.

Zum Kartoffelbraten war schnell ein Feuer angezündet. Es wurde ausgelost, wer beim Hannes »Schrumpern« holen mußte. Die Kartoffeln kamen in die Kohlenglut und blieben darin, bis sie rundum schwarz waren. Mit einem Stock wurden sie herausgefischt und auf die Wiese geworfen, zum Abkühlen. Mit dem Taschenmesser wurde das Schwarze der Schale ein wenig gesäubert, dann konnte man sie essen; sie schmeckten vorzüglich. Die schwarze, knusprige Rinde wurde mitgegessen, Hände und Gesicht waren danach schwarz wie vorher die gebrannten Kartoffeln.

Eines Tages, das Los hatte für mich entschieden, Schrumpern oben beim Hannes »koofen« zu müssen. Also legte ich mich, im Feld angekommen, auf den Bauch in die Furche, klaute die Kartoffeln unter den Stauden und legte sie in meine Zipfelmütze. Fast hatte ich es geschafft, da stand der Hannes hinter mir. Grimmig schimpfte er durch seinen breiten, struppigen Backenbart, zog mich am Hosenboden hoch, legte mich übers Knie und gab mir Sau-

res auf mein Hinterteil. Immer, wenn er geschlagen hatte, zwickte er mich mit seinen klobigen Fingern in den Hintern. Ich brüllte wie am Spieß. Als er mich losließ, sagte er, mich sehr böse anschauend: »Kerlchen, laß dich nicht nochmal hier erwischen!« Dann ging er. Der Hannes war noch keine hundert Meter weg, da lag ich schon wieder in der Furche und »kaufte« Kartoffeln. Hannes hat uns von da an nicht mehr erwischt, denn jetzt gingen wir zu zweit, einer klaute, und der andere stand Schmiere. Nun ja, wenn sie auch damals weh getan haben, die Hiebe vom Hannes, so erinnere ich mich heute, nach fast sechzig Jahren, noch gerne an diese schöne Jugendzeit zurück.