Eifeler Bauernschläue

Helmut Pauly, Kradenbach

 

Ein altes Sprichwort sagt: Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln.

In der Struthgemeinde Kradenbach werden nun nicht gerade die dicksten Kartoffeln geerntet. Man könnte meinen, dies liege an vorwiegend lehmigen Böden.

Daß die Kradenbacher Bauern schon früher nicht auf den Kopf gefallen waren, soll die Geschichte beweisen - sie wurde uns Kindern von den Alten stolz erzählt. In der Gemeinde Kradenbach herrscht die Besonderheit, daß ein Großteil des Gemeindelandes und Gemeindeforstes in der Gemarkung Sarmersbach liegt. Auch der Jagdbezirk Sarmersbach schließt dieses Gemeindeland mit ein.

Wie kommt es nun zu diesen Eigentumsverhältnissen? Es wird erzählt, daß vor langer Zeit (vielleicht im 18. Jahrhundert) zwischen den Gemeinden ein Streit ausbrach. Beide betrachteten das Land, das von Kradenbach aus gesehen jenseits der Lieser liegt, als ihr Gemeindeland. Wie das bei derartigen Streitereien so üblich ist, war offensichtlich eine gütliche Einigung nicht zu erreichen. Es kam so weit, daß ein Verfahren beim zuständigen Gericht anhängig wurde.

Da der Richter diese wichtige Sache nicht vom »grünen Richtertisch« aus entscheiden wollte, setzte er kurzerhand einen Ortstermin fest und zwar an der Brücke über die Lieser, die heute noch »Deuwelsbrück« (Teufelsbrücke) heißt. Offensichtlich waren die Argumente der Kradenbacher Bürger doch nicht so hieb- und stichfest und überzeugend, wie dies im vorangegangenen Streit mit den Bürgern aus Sarmersbach lautstark dargelegt wurde. Man kam also zusammen und beratschlagte, wie am besten beim bevorstehenden Ortstermin argumentiert werden sollte, um der drohenden Prozeßniederlage zu entgehen. Nach angestrengtem Hin- und Herüberlegen kam einem Bürger eine glänzende Idee, die allgemeinen Anklang fand.

Endlich war der mit Spannung ersehnte Tag der Ortsbesichtigung durch das hohe Gericht da, die beiden Delegationen machten sich auf den Weg zur »Deuwelsbrück«. Dort angekommen, lieferten sich die Parteien heftige Wortgefechte, wobei mit Kraftausdrücken nicht gerade zimperlich umgegangen wurde. Nach einiger Zeit des Wartens trafen Richter und Schreiber mit der Pferdekutsche ein. Der Richter eröffnete den Ortsbesichtigungstermin und gab beiden Streitparteien Gelegenheit, alle Gründe vorzutragen, die dafür sprachen, daß das strittige Land doch zu ihrer und nicht zur Nachbargemeinde gehöre. Es wurde gar manches vorgebracht, nichts war so stichhaltig, daß es als Beweis für die Eigentümerschaft am Land ausgereicht hätte.

Als die Kradenbacher Bürger merkten, die ganze Sache geht schief, trat der Vorsteher aus Kradenbach vor, ging über die Brücke auf die der Gemeinde Sarmersbach zu gelegene Seite und sprach zum Richter: »Herr Richter, ich kann beschwören, daß ich auf Kradenbacher Grund und Boden stehe«. Der sah den guten Mann verwundert an und fragte, wie er denn so selbstsicher eine derartige Behauptung aufstellen könne und daß er gar noch dazu bereit wäre, hierauf einen Eid zu leisten.

Da zog der Mann seine Schuhe, die bis dahin wohl noch niemand ob ihrer enormen Größe aufgefallen waren, aus. Die Sarmersbacher Delegation, der Amtsrichter und sein Schreiber staunten nicht schlecht, als sie in den Schuhen eine dicke Schicht festgetretenen Bodens sahen. Der Schlauberger hatte eine List angewandt und voher seine Schuhe mit einer Schicht Boden angefüllt, die natürlich von einem Grundstück stammte, das unmittelbar in der Nähe der Gemeinde Kradenbach lag und bei dem nicht der geringste Zweifel bestand,daß es sich um »Kradenbacher Grund und Boden« handelte. Nun konnte sich auch der Richter diesem schlagenden Argument nicht mehr widersetzen und sprach schmunzelnd der Gemeinde Kradenbach das Land zu.

Übrigens konnte nicht geklärt werden, wieso die besagte Brücke »Deuwelsbrück« heißt. Vielleicht wurde sie von den Sarmersbachern so genannt, weil sie der Überzeugung waren, daß eine derartige (Hinter)-List nur vom Teufel stammen konnte. Es kann allerdings auch sein, daß sie von den Kradenbachern so genannt wurde, weil sie recht stolz auf ihre verteufelt gute Idee waren.

Heute ist der damalige Streit beider Gemeinden längst begraben; nur hin und wieder kommt es zu kleinen Sticheleien bei der Frage, in welcher Gemeinde wohl die Gewitzteren wohnen.