Macht Ech een onn!

F. Jaquemod, Daun

 

»Macht Ech een onn, oder je nach Ortslage: änn aan!« Das war früher ein Zuruf, eine zusätzliche Begrüßung draußen auf dem Lande, in Feld und Flur. Wer weiß, welcher Sinn, welche Bedeutung dahinter steckte? Es war ein Ruf unter Eifelbauern, Waldarbeitern und Fuhrleuten, wenn sich ihre Wege kreuzten, zusätzlich zum Tagesgruß, der dann oft der Auftakt zum »Verzellchen« war. Die Pfeife wurde gestopft und ausprobiert, wer den besten Tabak hatte.

Unwillkürlich befällt mich Wehmut, denke ich zurück an die Zeit, wo je nach Saison und hauptsächlich in den nicht zusammengelegten, also nicht »flurbereinigten« Gebieten den Äk-kern ein pulsierendes Leben innewohnte. Wenn bei der Bestellung der Felder oder später bei der Ernte die Fluren richtig bevölkert waren, kam das gesellige Leben nicht zu kurz. Die Handarbeit benötigte viel Zeit, vor allen Dingen die Kartoffelernte im Herbst. Jugendliche und Kinder waren dann da, weil es ja »Kartoffelnferien« gab. Verständlich, daß es bei solcher Gesellschaft nicht langweilig wurde. Es sei denn in der Mittagszeit, wenn der Essensträger, meist die Mutter, sich verspätet hatte. Dieser Träger mußte eine richtige Last schleppen. Im großen Kessel Eintopfesuppe, ein ganzer Stoß Waffeln und ein Topf gebratener Äpfel.

Der Hunger war doch groß und der Mund schon wäßrig in Erwartung dieser Mahlzeit. Auf jedem Feld brannte ein kleines Lagerfeuer, da wurden bei Bedarf Kartoffeln in der Pelle gebraten. Zur Zeit der Heuernte war der Betrieb in den Wiesen nicht minder rege. Viele Männer, die damals in der Fabrik im Ruhrpott als bekannt tüchtige Eifeler Arbeiter tätig waren, nahmen zu dieser Zeit Urlaub, um daheim bei der Ernte zu helfen. Auf allen Wegen zum Feld, zur Wiese oder in den Wald, zu Fuß oder mit dem Kuh- oder Ochsengespann, (Pferde hatten nur die »Holzschurjer«) bei einer Begegnung war von den Männern immer der Zuruf üblich: »Macht Ech een onn!« Damit war die Pfeife gemeint. Es gab kaum ein Mann oder Jungmann, der nicht wie ein Kleinod seine Pfeife mit sich führte. Ein Nichtraucher galt nicht als vollwertiges Mannsbild.

Die Pfeife wollte auch gepflegt sein. Ob »Hänschen«, ob »Bruyere« Pfeife, gestreckt oder krumm, ob Jägerpfeife oder Pastorenpfeife, mit bunten Schnüren und Kügelchen verziert. Als ganz apart galt die Meerschaumpfeife.

Auch heute kann man sich das Bild des Eifelbauern nur vorstellen mit der Pfeife im Mund. Ein markantes, gebräuntes Gesicht, eiserne Ruhe ausstrahlend. Ein Idyll, Abbild ländlicher, einfacher Lebensart.

»Macht Ech een onn« galt damals nicht für Jugendliche unter 18 Jahren, war verboten, oft sogar bis zum 21. Lebensjahr verpönt. Für die Frauen war das Rauchen tabu.

Freizeit in der guten alten Zeit stand nicht in dem Maße zur Verfügung wie heute. Die war wegen der vielen Handarbeiten draußen wie auch im Heim kurz bemessen. Sie wurde aber genutzt für das Leben in Haus und Familie, Nachbarschaft und Dorfgeschehen. Die Menschen waren weniger abgelenkt, aber sehr darauf bedacht, mit Humor und Schalk ändern Streiche zu spielen.

So war mein Onkel, de »Ihm Mattes« mit dem Pflügen im Feld beschäftigt. Ein Schalk hatte vorher mit allen Nachbarn, die ebenfalls in dieser Gemarkung pflügten vereinbart, der Reihe nach, sobald »Ihm Mattes« die erste Furche hinter sich habe, ihn zu besuchen und mit ihm eine »onn ze machen«. Sie wußten, wie leutselig »Ihm Mattes« war, beim »Verzellen« die ganze Umwelt vergessen und auch gern seine Pfeife rauchen konnte. Wie gesagt, an dem Morgen, wo »Ihm Mattes« seine erste Furche geschafft hatte, kam schon der erste: »Joden Morjen! Macht Ech een onn!« Nach längerem Verzellche ging dann der Erstgenannte zurück zu seinem Gespann. Gleich kam der zweite, grüßte: »Macht Ech een onn«. Wie abgemacht kam später der dritte, vierte und weiter, bis um 12 Uhr vom fernen Kirchturm die Glocke den Engel des Herrn läutete. »Ihm Mattes« spannte wie alle Nachbarn rundum ab. Auf dem Heimweg war er zufrieden über den verbrachten Vormittag und schwelgte in der Hoffnung, genau so wie die ändern Weihnachten und Neujahr feiern zu können.