Als es keinen elektrischen Strom mehr gab

Erinnerungen an das Kriegs jähr 1944/45

Theo Pauly, Gerolstein

 

Die Kriegswirren hatten die Energieversorgung im Lande lahmgelegt. Nun mußte man sich wieder behelfen wie die Vorfahren, ohne Elektrizität. Als ich mir durch den Kopf gehen ließ, was denn heute passierte, fiele für längere Zeit der Strom aus, wurde mir mulmig. Ich stellte fest, daß wir uns noch nicht einmal eine Tasse Kaffee, keine Mahlzeit zubereiten könnten, ganz abgesehen davon, daß es für die kalte Jahreszeit keine Heizmöglichkeit gäbe - wie abhängig sind wir vom Energieangebot!

Nun gut, vor vierzig Jahren gab es im bäuerlichen Haushalt kaum ein elektrisches Gerät. Der Herd wurde mit Holz geheizt, Kaffee in der Kanne aufgebrüht, keine Heizung, kein Fön, allenfalls ein elektrisches Bügeleisen, aber auch noch das Gußeiserne, es wurde auf der Herdplatte aufgeheizt. Das einzige elektrische Gerät in unserem Haus war ein Elektromotor, der Dreschmaschine und Schrotmühle antreiben sollte, dazu ein kleines Motörchen für die damals schon vorhandene Waschmaschine.

Daß diese beiden Motoren ausfielen, war nicht weiter tragisch. Gedroschen wurde mit dem Flegel und gewaschen mit der Hand, wie eh und je. Daß man nun abends im Dunkeln sitzen sollte, war schon unbequemer. Auch das Viehfüttern im Winter, wenn die Tage so kurz und die Abende so lang sind, ist ohne Licht mit Schwierigkeiten verbunden. Glücklich, wer beim Klasen noch einen Liter »Steenollich« (Petroleum) für die Stallaterne ergattern konnte. Die »Lücht« wurde dann in Stall und Scheune von uns Kindern dem Vater nachgetragen und man mußte höllisch aufpassen, daß sie vor allem in der Scheune nicht aus Unachtsamkeit aus der Hand fiel; wie leicht hätte ein Brand entstehen können! Wie gut war es früher, daß nicht einfach alles, was man nicht mehr brauchte, weggeworfen wurde. So fand sich auf dem Speicher noch eine intakte Petroleumlampe, gar noch mit gebrauchsfähigem Docht, und sie tat nun Dienst des Abends in der Küche beim Kochen und Abendessen. Nur zum Lesen und Kartenspielen an den langen Herbst- und Winterabenden taugte sie nicht viel, denn mit dem Petroleum mußte man sparsam umgehen und der Docht blieb deshalb ziemlich tief geschraubt.

Häufig brachten einquartierte Soldaten sogenannte »Hindenburglichter« mit, flache, etwa acht Zentimeter im Durchmesser und ein Zentimeter hohe, runde Talglichter, die zwar nicht sehr leuchteten, aber in gespenstischem Lichtschein eine gewisse Sicht ermöglichten. Bis dann im Winter 1944 die Waffenkammer einer Kompanie der Wehrmacht sich in unserer Scheune einrichtete. Hier gab es Karbid und Karbidlampen. Der Waffenunteroffizier schenkte uns eine solche Lampe mit einer Kiste voller Karbid und fürderhin hatten wir helles Licht, bei dem man sogar lesen und Kartenspielen konnte. Nur mußte trotz Verdunkelung häufig das Fenster geöffnet werden, damit genügend Sauerstoff Einlaß in die Küche fand; je heller das Licht leuchtete, umso schneller war die Luft im Raum verbraucht.

Bis eines Tages das Karbid ausging - ich hatte erheblichen »Eigenbedarf«. Mit Karbid konnte man in der Lieser Forellen fangen, das hatte ich^als Halbwüchsiger schnell heraus und meine Mutter wunderte sich über die »reichen Fischfänge«. Daß Fischefangen mit Handgranaten noch besser funktionierte, habe ich zu Hause nie erzählt. . .