Dorferneuerung - Dorfentwicklung

Gemeinsam nachdenken, miteinander handeln

K. H. B off gen, Gerolstein

 

Wie lebten und arbeiteten vor 50 und mehr Jahren unsere Vorfahren, wie sahen die Dörfer aus?

Manchmal kann man noch Großeltern fragen, oft müssen Bildbände weiter helfen und Informationen geben.

Schwerer ist es, eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft, der Entwicklung unserer Dörfer zu finden.

Wir müssen uns diese Frage stellen. Besonders die agrarstrukturellen, aber auch die wirtschaftlichen und siedlungsstrukturellen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bergen die Gefahr, daß der ländliche Raum gegenüber Ballungsräumen immer weniger Menschen gleichwertige Lebensbedingungen bieten kann, neue Verluste der kulturellen, baulichen und landschaftlichen Eigenart müssen verhindert werden.

Fast unbemerkt für viele von uns ist mit oder im Dorf manches geschehen.

Die Landwirtschaft, einst nahezu einzige und lebensbestimmende Einnahmequelle, ist stark zurückgegangen. Wurden im Landkreis Daun im Jahre 1949 7204 Betriebe gezählt, waren es 1987 nur noch 2 265. Die Tendenz ist auch weiter rückläufig.

Dörfer wuchsen in die freie Landschaft hinein. Gleichzeitig verloren alte Ortskerne ihr Gesicht; sie leerten sich.

In vielen Dörfern gibts keine Schule, keinen Pastor, keinen Kaufladen und oft kein Gasthaus mehr.

Mit der Erwerbs- und Siedlungsstruktur veränderte sich auch die Alters- und Sozialstruktur. Ältere und sozial schwache Einwohner blieben in den alten Häusern im Dorfkern.

Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der Nähe fehlen, es gibt viele Pendler.

Städtische, oft unpassende Gestaltungselemente und Baustoffe hielten Einzug. Neue, oft zu breite, zu sehr auf den Verkehrsfluß und zu wenig auf die Belange der Dorfbewohner abgestimmte Straßen zerschneiden manches Dorf, und wertvolle, oft denkmalwerte Bausubstanz geht verloren. Statt der schönen heimischen Bäume und Sträucher findet man immer mehr pflegeleichte, exotische Begrünung.

Das Auto ist unverzichtbar geworden. Wir fahren zum Kindergarten, zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Kirche, zum Arzt, zu Behörden.

Hier setzt nun intensiv seit 1984 die Dorferneuerung, besser »Dorfentwicklung« an. Sie wird von vielen immer noch als Instrument gesehen, das der Gestaltverbesserung, der Gebäudesanierung und zur Beschaffung von finanziellen Förderungen dient. So wichtig ein neuer Dorfplatz, das Pflanzen von Bäumen oder die äußere Sanierung eines alten Gebäudes auch sind; die Dorfentwicklung will mehr. Sie bietet den Gemeinden und vor allem den Bürgern die Möglichkeit, umfassend und in Zusammenhängen sehend die Probleme zu erkennen, sich damit zu beschäftigen und die Wohn-, Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dorfentwicklung ist vor allem Strukturpolitik. Sie knüpft am besonderen Charakter des Dorfes an, trägt den veränderten Bedürfnissen und Verhältnissen Rechnung und zur längerfristigen und vorausschauenden Planung und Zukunftssicherung bei. Die Beteiligung der Bürger am Planungs- und Entwicklungsprozeß und in der Ausführungsphase ist besonders herauszustellen.

Kernpunkt der Dorfentwicklung ist das Dorferneuerungskonzept. Es wird nach eingehenden Voruntersuchungen, Ortsbegehungen, Diskussionen mit Bürgern und Gemeinderat und in Abstimmung mit den zuständigen Fachbehörden ausgearbeitet, ist langfristig angelegt, nicht rechtsverbindlich, dient eher der Selbstbindung und ist auf sinnvolle Veränderungen und Ergänzungen abgestellt.

Rat und Bürgerschaft müssen die Dorferneue-rung/Dorfentwicklung zu ihrer eigenen Sache machen und gemeinsam lösen. Nur über die möglichst intensive Beschäftigung mit Problemen und Möglichkeiten des Dorfes bringt man etwas in Gang.

Wie können die Einkommensverhältnisse durch Eigeninitiative der Gemeinde oder der Bürger verbessert werden?

Möglichkeiten: Verbesserung des Fremdenverkehrsangebotes durch Privatpensionen, Ferienwohnungen, kleines Hotel und Freizeiteinrichtungen, Ansiedlung eines Handwerks- oder Kunsthandwerkerbetriebes oder eines kleinen Gewerbetriebes, Einrichtung oder Wiedereinrichtung eines Kaufladens in Kombination mit Gasthaus, Post, Gemeindehaus oder Privatpensionen.

Kann das Gasthaus erhalten oder wieder eröffnet werden?

Zum Beispiel in Verbindung mit dem Betreiben des Gemeindesaales oder durch Angliederung von Ferienwohnungen.

Wie können alte, oft leerstehende und denkmalwerte Gebäude im Ortskern genutzt und damit erhalten werden?

Anregungen: Umbau zu Wohnungen, Ferienwohnungen, für Gemeindezwecke (Feuerwehr, Abstellraum, Gemeindehaus), für die Poststelle, für einen Laden oder Handwerksbetrieb, für Garagen.

Mancher Gemeinde ist zu empfehlen, die großen Baugebiete zu reduzieren und für den Gemeindeanteil ein oder zwei Grundstücke im Ortskern zu erwerben, diese Bauwilligen zur Verfügung stellen. Das trägt auch zur Belebung und zum Erhalt des Ortskerns bei. Die meisten Gemeinden besitzen keine eigenen Baugrundstücke - im Baugrundstücksmarkt ist keine Bewegung, Privatgrundstücke sind von der Gemeinde so gut wie nicht zu kaufen.

Attraktivitätsverbesserung des Dorfkernes durch Gestaltungs- und Begrünungsmaßnahmen, verkehrsberuhigten und dorfgerechten Straßenausbau, Verlagerung von öffentlichen Einrichtungen in den Dorfkern.

Vor allem private Maßnahmenträger können zur Erhaltung und Verbesserung der Ortsgestalt bei Neu-, Umbau- oder Anbauten durch die Berücksichtigung ortstypischer Siedlungsstrukturen und Gestaltungsmerkmalen beitragen. Das heißt: sich behutsam einfügen, statt durch modische Gestaltungsmerkmale auffallen und sich herausheben wollen. Jede Baumaßnahme im Ortskern sollte sich dem gewachsenen Ganzen unterordnen. Einheimische wollen auch nach Jahren noch das unverwechselbare Dorfgesicht erkennen, ihre Heimat; Gäste das Dorf in seiner gewachsenen Form erleben. Die denkmalgeschützten Gebäude zu erhalten, ist eine wichtige Aufgabe. Nutzungsmöglichkeit und finanzieller Aufwand veranlassen so manche Eigentümer, im Neubaugebiet ein Wohnhaus zu errichten und das wertvolle alte Gebäude dem Verfall und Abriß zu überlassen. Dabei ist das alte Haus Zeugnis früheren Lebens und Arbeitens, der alten Baukunst.

Deshalb ist gute Beratung durch erfahrene Architekten, dem Dorferneuerungsplaner oder das Referat Dorferneuerung der Kreisverwaltung Daun von größter Wichtigkeit. Leider wird sie in Unkenntnis zu wenig in Anspruch genommen.

Die landschaftsgerechte Begrünung auch auf Privatgrundstücken verbessert und verschönert nicht nur die Dorfgestalt, sie trägt auch den Umweltbelangen Rechnung.

Nicht zuletzt ist die Dorferneuerung/Dorfentwicklung auch ein Wirtschaftsfaktor. Die Förderungen in Millionenhöhe haben nicht nur den Gemeinden und privaten Bauherren oft erst die Durchführung der Maßnahme ermöglicht, sie kommen auch den Baufirmen und Bauhandwerkern zugute.

Etwa die Hälfte der Gemeinden und Gemeindeteile im Landkreis Daun beschäftigt sich mit der Dorferneuerung. Bis zum 1. 6. 1988 waren dies 67, davon besitzen 37 ein tragfähiges und testiertes Konzept.

Dorfentwicklung ist eine Generationsaufgabe. Helfen wir mit, daß das Dorf Heimat seiner Bürger und unseren Gästen in guter Erinnerung bleibt.