Steinbrech - ein Frühlingsbote

Christa Feltgen, Steffeln

 

Ich hatte diese Blume, die hier am Steffelberg wuchs, nie gesehen, kannte auch ihren Namen aus keinem meiner alten Pflanzenbücher. Das wollte schon etwas heißen, denn mein Zigaretten-Bilderbuch »Pflanzen unserer Heimat« aus der Zeit um 1935 hatte ich als Kind geradezu auswendig gelernt, weil mir die Fotos von all unseren Wald- und Wiesenblumen so gefielen. Kein Gedanke damals daran, sie je in unserer grauen Industriestadt kennenzulernen. Viele von ihnen habe ich dann doch später in Württemberg gesehen, wohin es mich durch die Kinderlandverschickung verschlagen hatte. Diese bunten Schönheiten haben mir damals das Heimweh etwas erträglicher gemacht.

Aber jetzt war ich überfragt. Was konnte das für eine Pflanze sein, mit ihrer hübschen Blattrosette am Boden und den rahmweißen Blüten, die ein wenig an Fresien erinnern? War es Hornkraut? Nein, das hatte ganz andere Blüten und außerdem wuchs es gleich daneben, man konnte den Unterschied gut sehen. Sternmiere konnte es auch nicht sein, die hatte viel zartere Blüten und Stengel und andere Blätter.

Zu Hause habe ich mir extra ein Bestimmungsbuch gekauft, ich mußte doch herausbringen, was das für eine Pflanze war. Für die Eifel lohnt sich so eine Ausgabe ja sowieso, es gibt kaum eine Landschaft, die für so viele botanische Überraschungen gut ist.

Knöllchen-Steinbrech! Gattung staudiger Pflanzen mit ausdauerndem Wurzelstock. Weiß blühende Wiesenpflanze mit Brutknöll-chen.

Der Name Steinbrech - lat. saxifraga - bezieht sich auf den steinigen Standort vieler Arten dieser Gattung.

Na also, das Rätsel war gelöst.

Jetzt habe ich meine Blumen schon ein paar Jahre lang beobachtet. Es sind tapfere Pflanzen, auch nach einem strengen Winter, der sogar dem Eifelginster geschadet hat, hoben sie im Frühjahr wieder ihre weißen Blütenköpfchen. Man kann an ihnen sogar erkennen, wo unter den Wiesen gleich der Fels liegt, dann sind ihre Blüten klein und zart und die Stengel niedrig und hart. Wo es etwas guten Boden zwischen Grasnarbe und Untergestein gibt, da nicken von ihnen große Blüten im steten Wind der Eifel.

Für mich wird dieser Steinbrech immer so etwas wie ein guter Freund bleiben, der mich in der Eifel zuerst begrüßt hat. Gewiß gibt es üppigere Pflanzen und schönere Blüten mit bunten Farben, aber im Frühjahr freue ich mich jedesmal über diese kleinen, genügsamen Pflänzchen am Straßen- und Feldrand, und darüber, daß sie wieder einmal den Frost des Winters und die Unkrautvertilgungsmittel überstanden haben.