Römische Gemäuer in Birgel

Günther Heerwagen, Birgel

 

In Birgel (Verbandsgemeinde Obere Kyll) wurden römische Funde 1832 beim Bau der preussischen Straßen gemacht; 1852 in Barsch/ Schannat »Eiflia illustrata« und Johann Ost »Altertümer im Kreise Daun« (1854) erwähnt. Nachdem sich in den letzten Jahren auf Birgeier Gemarkung zwei größere römische Gräberfelder aus dem ersten bis zweiten Jahrhundert ausmachen ließen, von denen das eine durch Sandabbau und das andere im Zuge der Flurbereinigung weitgehend zerstört wurde, erfuhr ich 1985 von der achtzigjährigen Frau Sophie Klinkhammer, einer gebürtigen Birgelerin, von Funden beim Bau der Wasserleitung in den Jahren 1913/1914.

Die bemerkenswert genaue Schilderung der damals Neunjährigen ermöglichte, beim Neuausbau der Bundesstraße 421 zur Stelle zu sein, als der Bagger in schon 40 cm Tiefe Ziegelbrandschutt und Mauern berührte. Im benachrichtigten Landesmuseum Trier fand man auch noch in einem Skizzenbuch Aufzeichnungen, die 1914 beim Wasserleitungsbau gemacht wurden.

Im März 1985 legte man die noch angetroffenen Mauerkronen frei, um sie zu vermessen und dadurch ein Bild von Art und Ausmaß der ehemaligen Bebauung zu gewinnen.

Es zeigte sich, daß bedeutende Beschädigungen und Vernichtung von Gemäuern beim Kanalbau 1958 erfolgt waren. Eine bei den Bauarbeiten gefundene Sandsteinsäule steht noch heute im Vorgarten des ehemaligen Bürgermeisteramtes und wurde zufällig bei einem Besuch eines Landesmuseumbediensteten Ende 1959 entdeckt.

Die toskanische Sandsteinsäule hat eine Höhe von 59 cm, einen Säulendurchmesser von 42,5 cm und einen Basisdurchmesser von 58 cm. Es waren weitere Bruchstücke ähnlicher Säulen gefunden worden, 1985 kam auch ein allseitig behauener Sandsteinblock von 1 x 1 x 0,5 Meter zutage.

Ohne Behinderung der Bauarbeiten war es am westlichen Ende der über 120 Meter erstrekkenden Mauerfunde möglich, eine gezielte Freilegung vorzunehmen. Diese Notgrabung des Rhein. Landesmuseums Trier in der Größe von zirka vier mal zwanzig Meter brachte leider keine klärenden Ergebnisse über Art und Verwendungszweck der Gebäude. Man konnte lediglich feststellen, daß mehrere Bauwerke in verschiedenen Bauphasen meist abgebrannt sind, teils verändert, über dem alten Bauschutt neu aufgebaut wurden.

Anhand von Geländeprofilen, die zur Genehmigung von Neubauvorhaben in den Jahren 1891 und 1893 erstellt worden waren, ergibt sich eine Terrassierung des Geländes von der ursprünglichen Terrainoberkante auf zwei bis drei Meter infolge fortlaufender Überbauung. In dieser Erhebung am Fuße einer Abgrabung am Hirschberg waren die Funde, die aber nicht genau überliefert sind. Man hat beim Fundamentaushub der heutigen Häuser Nr. 5 und 7 neben Steinen viele Pferdeknochen und Ketten gefunden.

Auch im Bereich der diesjährigen Grabung kamen Tierknochen zutage.

Aufgrund von Scherbenfunden kann man von einer fortwährenden Besiedlung von über zweihundert Jahren ausgehen; (erstes bis drittes Jahrhundert nach Christus). Wahrscheinlich sind die zuletzt stehenden Gebäude bei einem Germaneneinfall um 275/76 genauso wie das nur vier Kilometer entfernte Jünkerath zerstört worden.

In Jünkerath (Icorigium) ist durch Grabungsfunde gesichert, daß der Ort erst wieder um 310/ 20 erneut aufgebaut und mit einer 3,70 Meter starken Mauer und dreizehn Rundtürmen von 10 Meter Durchmesser gesichert wurde, bis der Abzug der Römer im Jahre 406/07 erfolgte. Für die Birgler Siedlung ist ein Wiederaufbaunach der Zerstörung 275/76 nicht gesichert. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die zerfallenen Mauerreste über Jahrhunderte in Vergessenheit geraten waren und erst vor 130 Jahren als Baustoffquelle entdeckt wurden.

So berichtet Joh. Ost in seinen »Alterthümer im Kreise Daun« 1854 in der folgenden Abschrift seines Manuskriptes:

»Auf einer anderen Seite in Birgel am obersten Ende (das ist) rechts an der Straße von Birgel nach Jünkerath (wo nun 1853 das Barriere ist), entdeckte man vor einigen Jahren sehr vieles, was unzweideutig aus der römischen Zeit herrührt. Der ganze Distrikt von ca. 5 Morgen zeugt von vielen Gebäuden aus jener Periode und er ist nun meistens zu Ackerland umgewandelt.«

Auch 1832 beim Wegebau wurden in der Nähe römische Mauern, bemalte Wände, Estriche und Ziegel entdeckt.

Beim Neubau eines Hauses, heute Hausnummer 11, beim Graben des Fundamentes stieß man auf interessante Altertümer; ein Hypo-caustum, (rämische Fußbodenwarmluftheizung) auf Estrichböden, eine Wasserleitung, einen Backofen, ein Badezimmer, eine Ziegelei und auf andere Möbel, (mobilia sind bewegbare Gegenstände), welche eine ausgedehnte und wohlhabende Wohnstätte in alter Zeit beurkundeten.

Nach der Versicherung des Erbauers fand man 1851 an einer nicht sehr großen Stelle so viel noch brauchbares Baumaterial, daß zwei Drittel der vermauerten Steine von den römischen Resten sind. Und noch ein großer Steinhaufen liegt unbenutzt neben dem Haus, unter dem ich hochrote Ziegelstücke bemerkte, bemalt mit Ringen, Striemen, Hundspfoten und dergleichen.

Von den Estrichböden aus festem Kalk mit untergemengten roten Ziegelbrocken sah ich zwei übereinander, so daß Steinmassen immer unter jedem lagen.

Die Wasserleitung von erdenen Röhren hat man auf 500 Schritt hin verfolgt. (Ein Schritt ist 75 bis 80 cm).

Den gefundenen Backofen habe man, wie mir der Eigentümer versicherte, ganz im neuen Haus aufgerichtet.

Grabungen bei Straßenbauarbeiten in Birgel, rechts ist die Wasserleitung von 1913/14 zu erkennen, im linken Vordergrund die zugemauerte Türöffnung, im Hintergrund eine ältere Sandsteinmauer auf eine Aufschüttung gesetzt.

Unter dem Wärmezimmer standen dicke Säulen aus einem Kalkstein von einhalb Fuß Durchmesser, ein Fuß hoch, von denen ich noch eine sah. (Ein preussischer Fuß gleich 31,4 cm).

Im anstoßenden Gemach fand man auch eine kleine Ziegelei. Es lagen darin vorrätig roter Sand, roter Lehm und weiße Kalksteine neben einem Ambos. Man behauptet, daß die roten Ziegel hier gefertigt wurden.

Ferner fand man einen Handmühlenstein, welcher zwei Fuß und drei Zoll Breite mißt. Derselbe besteht aus einem weißen, kalkartigen Steine; er lag neben dem neuen Hause. Auch viele Münzen und sonstige Möbel wurden hier gefunden.

Auf dem Grundstück Math. Hack wurden sicherlich in der Folgezeit noch verschiedene Funde gemacht, die teils vom Erzählen bekannt sind, teils unbekannt bleiben werden. Es folgten Umbau- und Erweiterungsbauten in den Jahren 1897 und 1921 sowie vor einigen Jahren, doch wurden keine Fundmeldungen erstattet.

In den Gärten der Häuser Nummer 9 und 11, die etwa 4 Meter über dem Fundamentniveau liegen, wird sich bis zu dem deutlich im Gelände erkennbaren Knick bei Erweiterungen oder Grabungen noch manch erkenntnisreicher Fund erwarten lassen. Er könnte weiteren Aufschluß über die Menschen geben, von denen je Generation etwa 40 hier gelebt und gearbeitet haben und das vor über 1 800 Jahren.

Der amtierende Bürgermeister ließ 1914 bewundernswerten Weitblick erkennen, als er dem Landrat in Daun folgenden Brief schrieb:

An den Herrn Landrat in Daun.

Beim Bau der Wasserleitung Birgel auf der Straße Losheim - Dreis stieß man unvermutet auf Mauerwerk, welches anscheinend römischen Ursprungs ist. Nach der Ansicht der zugezogenen Beamten des Provinzialmuseums Trier handelt es sich um ein Landhaus. Dies ist wegen seiner schönen Lage am Fuße des Hirschberges mit der Front nach Süden, das breite Becken des Kylltales vor sich, sehr wahrscheinlich. Das Haus erstreckt sich in einer Länge von 120 Meter vom Bürgermeisteramt aus nach Westen zu, im Zuge der Provinzialstraße. Beim Bau des zum Gendarmeriegebäudes gehörigen Stalles und bei den Fundamentierungsarbeiten vom Hause des Rentners Braun, stieß man ebenfalls auf Mauerreste. Es wird vermutet, daß tief zwischen den Gebäuden an der Straße und dem Hirschberge noch sehr umfangreiche Mauern vorzufinden sind. Am Westende der Anlage ist noch eine Badeeinrichtung gut erhalten. Sie besteht aus einer gemauerten Wanne, zu der eine Steintreppe herunterführt. Der darunter befindliche Heizraum enthält eine Anzahl tönener Säulchen, die als Stützen dienten. In demselben befindet sich noch schwarze Asche. Die an den Wänden vorbeiführenden Heizkanäle sind deutlich sichtbar.

Brandgrabfunde aus Birgel — 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr

Die Badeanlage befindet sich mitten unter der Provinzialstraße. Ich habe den Eingang vorläufig mit Brettern überdecken und zuschütten lassen. Mit der Provinzialstraßenverwaltung bin ich in Verbindung getreten, die Erlaubnis zur Gestaltung eines Einsteigeschachtes zu erteilen, um diese Anlage zur Besichtigung offen zu halten.

Das Badezimmer geriet in Vergessenheit und als die Bundesstraßenverwaltung einen Ortsumgehungsstraßenbau vorschlug, war man in Birgel aus kommerziellen Gründen dagegen.

So blieben Badezimmer und Gemäuer unter der Bundesstraße verborgen, bis deren notwendiger Ausbau den Denkmalinteressierten einen kurzen Einblick ermöglichte. Die Baufirma hatte den Bagger während der dreiwöchigen Grabung abgezogen, und so war es nicht möglich, während der Bauruhe zu der nur fünf Meter entfernten, in Straßenmitte gelegenen Stelle vorzudringen, so daß die Anlage nunmehr geschützt durch eine neue Straßendecke in der Tiefe von über einem Meter auf die Nachschau späterer Generationen wartet.

Quellen:

Persönliche Mitteilungen von: Frau Sophie Klinkhammer, Birgel

Dr. K. J. Gilles, Rhein. Landesmuseum Trier

Ortsakten des Rhein. Landesmuseums Trier

Schannat, Johann Friedrich: Eiflia illustrata, Nachdruck der Ausgabe 1852, Osnabrück 1966

Ost, Johann: Altertümer im Kreis Daun, ungedrucktes Manuskript (1854) im Rhein. Landesmuseum Trier.