Eisenhütten im Kreis Dann
Dietrich Wald, Gießerei-Institut Aachen und Jünkerath
Auf dem heutigen Gebiet des Kreises Daun lagen vier Eisenhütten; Ahütte, Oos/Müllenbach, Schauerbach und Jünkerath. Dazu kommt der frühgeschichtliche Hüttenplatz Hillesheim aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.
Frühgeschichtliche Zeit
Bei Hillesheim ist ein alter Verhüttungsofen aus dem 7. Jhdt., der Zeit der Hunsrück-Eifel-Kultur, ergraben worden. Zur Zeit läuft eine weitere Untersuchung. Verhüttet wurden in Hillesheim Roteisensteinvorhaben der Umgebung. Die Gräber weisen eine Ausstattung auf, die auf relativen Reichtum der Bevölkerung durch Eisenverarbeitung schließen läßt.
Diese wirtschaftliche Tatsache, Reichtum durch Eisenverarbeitung, einem Gewerbe, nicht durch Landwirtschaft, gilt bis heute für unsere Region. Interessant am Hillesheimer Fund ist die Tatsache, daß in der Eifel so früh, praktisch von Beginn der mitteleuropäischen Eisenzeit an, Eisen verarbeitet wurde.
Für die folgende La-Tene-Zeit (keltische/gallische Zeit) fehlen für den Kreis Daun Belege, die auf Eisenverarbeitung schließen lassen. Es gibt einen Fund bei Bergstein (Kreis Düren), der allerdings in jüngster Zeit in seiner Zeitstellung (La-Tene - C, 200 v. Chr.) angezweifelt und in die römische Zeit gerechnet wird. Für diesen Zeitraum gibt es nur Vermutungen, die nicht zuletzt darauf beruhen, daß die Römer seit ca. 55 v. Chr. in der Eifel ein vorgefundenes Eisenverhüttungsgewerbe ausgebaut haben.
Römische Zeit
Hinweise auf römische Eisenverhüttung im Kreis Daun geben die Schlackenfunde in Jünkerath, römisch Icorigium. Die Eisenerzeugung dürfte allerdings auf den römischen Gutshöfen (»Villae rusticae«) in Glaadt und Feusdorf durchgeführt worden sein. Diese betrieben die
Eisenerzeugung als Nebenerwerb, wenn die Landwirtschaft es zuließ (also außerhalb der Zeiten von Ernte und Aussaat). Der Handel mit Eisen hatte in Icorigium neben dem Bedarf der mansio1) an der Heerstraße AVT (Trier) - CCAA (Köln)2) beste Voraussetzungen.
Mittelalter
Nach dem Frankeneinfall kam es zu einem Bevölkerungsrückgang und zum Erliegen der Eisenproduktion im Kreis Daun.
Für das frühe und Hochmittelalter gibt es keine Spuren, die auf Eisenverhüttung hindeuten, zumindest sind bis heute keine gefunden worden. Erst 1360 ist Eisenverhüttung in Jünkerath nachgewiesen. Der Standort im Tal erklärt sich aus der benötigten Wasserkraft zum Antrieb der Schmiedehämmer, Blasebälge und Schorrenmühlen. Die Wasserkraft war erst seit 127 13. Jahrhundert in Nutzung und ab etwa 1250 wurden verstärkt Hütten in die Täler gebaut, zunächst die Hammerwerke, dann die Stücköfen. Die wasserkraftgetriebenen Blasebälge hatten ein größeres Volumen, so daß die größeren, höheren Öfen mit genügend Verbrennungsluft versorgt werden konnten. Damit war der Weg zum Eisenguß beschriften. Eisenguß war seit etwa 1400 möglich, mit den Hochöfen, die zuerst in der Wallonie, wenige Zeit später aber schon in der Eifel standen.
Der Jünkerather Verhüttungsofen dürfte zumindest ein Floßofen (Vorstufe zum Hochofen) gewesen sein. 1452, bei der Übernahme der Herrschaft Jünkerath durch Manderscheid, wurde ein Eisenhammer Jünkerath erwähnt. Die Bezeichnung deutet klar auf die Wasserkraftnutzung für den Hammer hin, sicherlich aber auch auf einen Hochofen mit wasserkraftgetriebenen Blasebälgen. Eisenguß ist ebenfalls nicht auszuschließen, da kurz nach der Einführung des Eisengusses die alten Namen erhalten blieben.
Neuzeit
Am 21. 9. 1563 erhält Reinhard Radio, mit der Familie Hoesch (die damals erste Schritte ins Eisengewerbe unternahmen) verschwägert, den Hammer und die Eisenhütte am Müllenborn auf der Oos in Erbpacht durch den Grafen Hans von Manderscheid-Gerolstein.
Am 3.1.1689 verkauft der Graf von Manderscheid-Gerolstein das Hüttenwerk an Johann Karl Coels. Die Familie Coels ist bis ins 18. Jhdt. Besitzer der Hütte. Die Ahütte bei Üxheim gehörte den Grafen v. Aremberg und dürfte ebenfalls sehr alt sein. Das genaue Gründungsdatum war nicht zu ermitteln.
Über die Ursprünge des Werkes Schauerbach an der Oos ist wenig bekannt, in der Zeit der französischen Herrschaft ist es »plötzlich da«. Mit Ausnahme von Jünkerath waren alle Werke in erster Linie in der Herstellung von Stahl im Frischfeuerverfahren (Schleidener Thalsarbeit) tätig. Das Werk Schauerbach hatte nur ein Frischfeuer, muß also Roheisen von dritter Seite bezogen haben (Müllenborn, Jünkerath?). In Jünkerath3) wurde ab 1687 sowohl Eisen gefrischt als auch vergossen; es dürfte das größte der vier Werke gewesen sein.
In der Ära Napoleon erlebten alle Werke einen Aufschwung, danach, etwa um 1815, brach die Konjunktur zusammen. Gleichzeitig drängte englisches Eisen auf den Markt, nach modernsten Gesichtspunkten produziert, denn in England war die industrielle Revolution schon 100 Jahre alt, während der Transfer durch die Wirren der Französischen Revolution und das Handelsembargo Napoleons blockiert war. Weil ein Unglück selten allein kommt, wurde die Eifel auch noch von Mißernten heimgesucht.
1840 schloß die Ahütte und wurde in eine Mahlmühle umgewandelt. Das Werk Müllenborn produzierte im selben Jahr 7 700 Zentner Gußeisen und 2 300 Zentner Stabeisen (Stahl) aus einem Hochofen und einem Frischfeuer. Mit 5 Arbeitern lieferte Schauerhammer aus einem Frischofen 2 200 Zentner Stahleisen. Da kein Hochofen vorhanden war, mußte das Roheisen angekauft werden (in Müllenborn? in Jünkerath?).
Über das Jünkerather Werk ist bekannt, daß es (noch) 2 Hochöfen und 3 Frischfeuer hatte und 30 Arbeiter beschäftigte. Besitzer war die Familie Poensgen-Peuchen, der auch seit 1800 die Ahütte gehört hatte. Hier vollzog sich also ein Konzentrationsprozeß, der angesichts des Preissturzes durch die nun stark gewordene belgische Konkurrenz (erstes industrialisiertes Land auf dem Kontinent) nötig war. 1844 wurde ein Roheisenzoll eingeführt, der aber nur den neuen Industriegebieten an Saar, Ruhr und Wurm4) half, denn durch neue Produktionsfortschritte in England (ausgelöst durch das belgische Nachziehen) sanken die Produktionskosten erneut. Eine Erhöhung des Zolls wurde nicht durchgeführt, da sie nur einen unmöglichen Zustand erhalten hätte. Die Zeit der Roheisen- und Stabeisen(Stahl)erzeugung war in der Eifel vorbei. Gußstücke ließen sich verkaufen. So verbesserte Jünkerath die Gußproduktion und legte den Hammer/Frischfeuer 1867 still. Bereits 1861 war ein Kupolofen in Betrieb genommen worden, der, mit Koks beheizt, endgültig das Industriezeitalter beginnen ließ. Der Holzkohlehochofen lieferte nur noch Roheisen für Spezialzwecke (Hartguß) und wurde 1898 als letzter der Eifel stillgelegt. Vorher, um 1882,waren die Werke Müllenborn und Steinfeld (im Besitz von Poensgens) stillgelegt worden, Schauerbach in der Krise vor 1850.
1890 gab es nur noch ein Eisenwerk im Kreis Daun, die Gießerei Jünkerath mit Hütte, mit angeschlossenem Maschinenbau für Hüttenanlagen. Man nutzte also jahrhundertelange Erfahrung in der Verhüttung. Dieses Unternehmen überstand Kriege und die Weltwirtschaftskrise, als deren Folge sie aber 1937 an die DEMAG verkauft wurde. 1969 verblieb in Jünkerath nur Konstruktion und Vertrieb von Hüttenmaschinen, die Fertigungsabteilung produzierte bis 1983 Kunstspritzmaschinen. Bis 1983 war das Jünkerather Werk weithin die Maschinenfabrik, die Gießerei blieb zu Unrecht etwas im Schatten. Nach der Stillegung der Kunststoffspritzmaschinenproduktion in Jünkerath war es die Gießerei, die nun ca. 50 % der Arbeitsplätze sicherte. Endlich steht sie nach 300 Jahren im Vordergrund, und merkwürdigerweise bedurfte es einer Krise, um das angebliche »Anhängsel« (der Hütte, der Stabeisenproduktion, des Maschinenbaus) als eigenständige Größe zu erkennen, die mit moderner Einrichtung5) produziert. Nicht zu vergessen die Konstruktionsabteilung, die rechtlich unabhängig von der Gießerei (Mannesmann Demag Kunststofftechnik) zur MD Metallgewinnung gehört. Sie konstruiert modernste Anlagen mit modernster CAD-Technik - ohne Fertigungsrisiko, naturgemäß mit wenig Beschäftigten (im Vergleich zu Produktionsbetrieben). Angesichts der Struktur der europäischen Eisen-und Stahlindustrie ist die Bedeutung der Eifeler »Know-how« Schmiede von erheblicher Bedeutung.
Die Gießerei produziert nach dem Motto »Qualität geht weite Wege«. Trotzdem wäre eine bessere Verkehrsanbindung (A1) günstig, wie 1871 die Eisenbahn erst die Erweiterung des Werkes ermöglichte und sicherte.
Nachbetrachtung -
Warum nur noch Jünkerath?
Sicherlich ist ein Grund die Eisenbahn. Das wäre aber oberflächlich betrachtet. Andere Gründe sind ebenso gewichtig, so hatte nur Jünkerath einen Erzstollen mit Dampfpumpe.
- nur in Jünkerath gab es eine breite Produktionspalette, die bei flexibler Betriebsführung Schwerpunkte setzen ließ,
- nur in Jünkerath wurde rechtzeitig ein Kupolofen errichtet, der die neue Zeit einläutete,
- nur Jünkerath hatte als Markenzeichen anfangs für Roheisen, später für Gußstücke einen guten Ruf, aufgrund der guten Qualität. Es erscheint folgerichtig, daß die Familie Po-ensgen, zuletzt Besitzer aller vier Hütten im Kreis Daun, ihre Aktivitäten auf Jünkerath konzentrierte, denn Kapazitäten mußten abgebaut werden. Dazu kam, daß Jünkerath an der zu erwartenden Bahnstrecke Köln-Trier oder, wie Ende der 1850er Jahre diskutiert, Düren - Trier aufgrund der Nord-Süd-Ausrichtung des Kylltals lag, das praktisch nur für die südliche Streckenführung in Frage kam. Aber neben der Verkehrsanbindung war Qualitäts- und Innovationsstreben von entscheidender Bedeutung und das gilt heute noch.
Anmerkungen
1) mansio (lat.) = Herberge, Station mit Gaststätte, Übernachtung und Pferdewechsel.
2) CCAA = Colonia Claudia Ära Aggripinensium, der röm. Name d. heutigen Köln; AVT = AUgusta Treverorum, der röm. Name des heutigen Trier.
3) In Jünkerath wurde 1687 durch Graf S. E. von Manderscheid an alter Stelle eine Hütte genehmigt und wiederaufgebaut durch J. de L'Eau. Das Ende d. Vorläuferwerks ist unklar.
4) Das Wurmrevier liegt nördlich von Aachen.
5) Zumindest in der Überlegung ist die Einführung der Rechnersimulation des Erstarrungsverlaufs v. Gußstücken mit Programm GASTS d. Gieß.-lnst. Aachen (S. 17 in 300 Jahre Jünkerath . . .)
Literaturnachweis:
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