Zwanzig Jahre Verbandsgemeinden

Alfred Pitzen, Hillesheim Bernd Kloep, Hillesheim

 

Durch das »Landesgesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften und zur Vorbereitung der Neugliederung von Gemeinden vom 16. Juli 1968« wurde die Umgestaltung der Ämter zu Verbandsgemeinden und die Vorbereitung ihrer Einführung im ganzen Land Rheinland-Pfalz geregelt. Das Gesetz trat am 1. Oktober 1968 in Kraft und war die Geburtsstunde der heutigen fünf Verbandsgemeinden im Landkreis Daun: Daun, Gerolstein, Hillesheim, Kelberg und Obere Kyll. Sicherlich Grund und Anlaß, Rückschau zu halten, über die Aufgaben der Verbandsgemeinden zu berichten und eine Antwort auf die Frage zu finden, ob sich diese in der kommunalen Gebietsreform nur in Rheinland-Pfalz gewählte Lösung bewährt hat.

Die Verbandsgemeinde ist eine kommunalpolitische Fortentwicklung des Amtes, das in den Regierungsbezirken Trier und Koblenz (ehemals Teil der preußischen Rheinprovinz), nicht aber in den übrigen drei rheinland-pfälzischen Regierungsbezirken bestand. Das rheinische Amt, oder, wie die Bezeichnung früher lautete, die Landbürgermeisterei, wurde ursprünglich nach den Vorschriften der rheinischen Gemeindeordnung vom 23. Juli 1845 und 15. Mai 1856 verwaltet. Vorläufer war die »Mairie«, die ihre Rechtsgrundlage in der französischen Gemeindegesetzgebung hatte. Nach § 7 der rheinischen Gemeindeordnung von 1845/1856 bildeten mehrere Gemeinden für die Zwecke der allgemeinen staatlichen Verwaltung eine »Bürgermeisterei«. Diese Bürgermeisterei war gemäß § 8 gleichzeitig »in Ansehung solcher Angelegenheiten, welche für alle zu der Bürgermeisterei gehörigen Gemeinden ein gemeinschaftliches Interesse haben, ein Kommunalverband mit den Rechten einer Gemeinde«. Die Bürgermeisterei oder ab 1927 das Amt hat sich für die Verwaltung der kleinen Landgemeinden, die sich keine eigene Verwaltung leisten konnten, mehr als ein Jahrhundert lang bewährt. Das Amt war aber eigentlich nicht mehr und nicht weniger als die »Schreibstube« der Gemeinden und des Staates. Eigene Aufgaben hatte das Amt nicht.

Die Jahre 1965 -1975 waren Zeiten der Reformen. Schulreform, Verwaltungsreform, Funktionalreform, kommunale Gebietsreform - es blieben nicht nur Schlagworte, das alles wurde in die Tat umgesetzt.

Ursache der Überlegungen für eine umfassende Verwaltungsreform waren die gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten 150 Jahren. Die kommunale Selbstverwaltung und hier besonders die ländliche Verwaltung, war aufgrund der fehlenden Leistungs- und Verwaltungskraft kaum in der Lage, die enorm angewachsenen und vielfältigen Aufgaben des Sozialstaates auch nur annähernd zu erfüllen. Durch Schaffung größerer Verwaltungseinheiten auf Bezirks-, Kreis- und Gemeindeebene erwartete man eine Stärkung der Verwaltungskraft. In den einzelnen Bundesländern wurden hierzu unterschiedliche Wege beschritten. Während man sich in Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland zur Bildung von Einheitsgemeinden entschloß - was die Auflösung von mehr als 80 % der Gemeinden zur Folge hatte - entschied man sich in Rheinland-Pfalz zu einer neuen Institution, der »Verbandsgemeinde«. Viele Landes- und Kommunalpolitiker sahen in dieser neuen Institution nur eine Übergangslösung hin zur »Einheitsgemeinde«. Die Verbandsgemeindeordnung ließ deshalb neben der Bildung von Verbandsgemeinden auch den freiwilligen Zusammenschluß mehrerer Gemeinden zu einer Einheitsgemeinde zu. In der Folgezeit ist es aber bisher in Rheinland-Pfalz nur zur Bildung einer einzigen Einheitsgemeinde (Morbach) gekommen. Nur durch die Neuschöpfung der Institution »Verbandsgemeinde« war es möglich, die Vielzahl der Ortsgemeinden in unserem Lande zu erhalten. Im Zuge der Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz hat sich die Zahl der Ortsgemeinden durch überwiegend freiwillige Gemeindezusammenschlüsse und Eingemeindungen lediglich von 2 893 auf 2 359 Gemeinden verringert (= 18,4 % - Nordrhein-Westfalen z. B. 82,7 %).Die Erhaltung der Ortsgemeinden war auch eine wesentliche Voraussetzung dafür, daß das ehrenamtliche Element erhalten blieb (Ortsbürgermeister, Ortsgemeinderäte). Die Verbandsgemeindeordnung vom 16. Juli 1968 ging von einer Mindestgröße für Verbandsgemeinden von 7 500 Einwohnern aus. Diese Mindestgröße hielt man aus raumordneischen, wirtschaftlichen, leistungs- und verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten für notwendig, da durch die Verbandsgemeinde der kleinste Bereich der Raumordnung, der sogenannte Nahversorgungsbereich, abgedeckt werden sollte. Im Gebiet der damaligen Regierungsbezirke Koblenz und Trier wurden zunächst nur die bestehenden Ämter/Amtsverwaltungen in Verbandsgemeinde/Verbandsgemeindeverwaltung umbenannt. Eine Neugliederung der als Verbandsgemeinden fortbestehenden Ämter war aber im Hinblick auf die vorgesehene Mindesteinwohnerzahl erforderlich, da von den bei Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden Verbandsgemeinden 30 weniger als 5 000, 43 zwischen 5 000 und 7 500, 52 zwischen 7 500 und 15 000 und 7 mehr als 15 000 Einwohner hatten.

Im Zuge der Territorialreform wurde der Kreis Daun vergrößert um Gebiete aus dem früheren Kreis Prüm (Amt Stadtkyll, Amt Birresborn, Gemeinden Duppach und Oos), aus dem Kreis Mayen (Amt Kelberg) und dem Kreis Ahrweiler (Gemeinde Nohn). So bestand der Kreis Daun vor der kommunalen Neugliederung aus folgenden Verbandsgemeinden:

Daun, Gillenfeld, Niederstadtfeld, Gerolstein, Birresborn, Kelberg, Hillesheim, Lissendorf in Birgel, Stadtkyll, durch das 8. Landesgesetz über die Verwaltungsvereinfachung vom 28. 7. 1970 wurden daraus die nebenstehend aufgeführten Verbandsgemeinden (1.1. 1988).

Mit dem 8. Verwaltungsvereinfachungsgesetz war die kommunale Neugliederung in den Regierungsbezirken Koblenz und Trier abgeschlossen. Die Bildung der Verbandsgemeinden in den übrigen Regierungsbezirken des Landes erfolgte zum 22. 4.1972. Das Ergebnis der gesamten kommunalen Neugliederung in Rheinland-Pfalz war, daß 166 Verbandsgemeinden mit 2 329 Ortsgemeinden, sowie 34 verbandsfreie, kreisangehörige Gemeinden und 12 kreisfreie Städte entstanden. Damals wie heute wurde die Frage gestellt, ob und wie sich diese rheinland-pfälzische Lösung der kommunalen Neugliederung bewähren wird. Einig war man sich darüber, daß der Erfolg im wesentlichen vom Verhältnis zwischen Verbandsgemeinden und Ortsgemeinden bestimmt werde.

Die Verbandsgemeinden sind ebenso wie die Ortsgemeinden Gebietskörperschaften. Der Verbandsgemeinderat als Beschlußgremium wird unmittelbar durch die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger gewählt. An der Spitze der Verbandsgemeinde steht der vom Verbandsgemeinderat auf die Dauer von 10 Jahren gewählte Bürgermeister. Er führt den Vorsitz im Verbandsgemeinderat und ist zugleich Hauptverwaltungsbeamter. Da die Verbandsgemeinde nicht die den Gemeinden verfassungsrechtlich zugesicherte Universalität des Wirkungskreises haben konnte, mußte ihre Zuständigkeit im Gesetz verankert werden. Das Wesen der Verbandsgemeinden ist dadurch bestimmt, daß sie in Funktionsteilung mit den Ortsgemeinden öffentliche Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft zu erfüllen haben. Bei der Festlegung der Aufgaben der Verbandsgemeinden ging der Gesetzgeber davon aus, daß die Verbandsgemeinde alle Leistungsaufgaben übernehmen sollte, die von leistungsfähigeren und größeren Verwaltungseinheiten wahrgenommen werden sollten. Drei große Aufgabenfelder wurden den Verbandsgemeinden zugewiesen:

eigene Aufgaben,

Führung der Verwaltungsgeschäfte der

Ortsgemeinden,

staatliche Auftragsangelegenheiten.

Eigene Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung sind:

1) Aufgaben nach den Schulgesetzen. Die Verbandsgemeinden im Landkreis Daun sind Träger der Grund- und Hauptschulen,

2) Brandschutz und technische Hilfe,

3) Bau und Unterhaltung von zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen (z. B. zentrale Sportanlagen, Hallen- und Freibäder),

4) Bau und Unterhaltung überörtlicher Sozialeinrichtungen und Einrichtungen der Altenpflege. Vielfach haben die Verbandsgemeinden die Trägerschaft für Kindergärten übernommen. Die Nachrangigkeit gegenüber freien, gemeinnützigen Trägern ist aber ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben. Das bedeutet, daß die Verbandsgemeinden im Sozialbereich nur dann tätig werden können, wenn die Aufgabe von keinem freien Träger erfüllt wird.

5) Wasserversorgung,

6) Abwasserbeseitigung,

7) Ausbau und Unterhaltung von Gewässern 3. Ordnung,

8) Flächennutzungsplanung gemeinsam mit den Ortsgemeinden.

Die Verbandsgemeinde kann weitere Selbstverwaltungsaufgaben der Ortsgemeinden übernehmen, soweit die gemeinsame Erfüllung im dringenden öffentlichen Interesse liegt. Die Übernahme solcher Aufgaben durch die Verbandsgemeinde setzt voraus, daß der Verbandsgemeinderat und mehr als die Hälfte der Ortsgemeinden zustimmen. In den zustimmenden Ortsgemeinden müssen ferner mehr als die Hälfte der Einwohner der Verbandsgemeinde leben. Ferner können einzelne Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde mit deren Zustimmung weitere Selbstverwaltungsaufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen.

Daun         mit     38     Ortsgemeinden     und     22 980     Einwohnern

Gerolstein mit     13     Ortsgemeinden     und     13354     Einwohnern

Hillesheim mit     11     Ortsgemeinden     und     7910       Einwohnern

Kelberg     mit     33     Ortsgemeinden     und     7 224      Einwohnern

Obere Kyll mit     14     Ortsgemeinden     und     8210       Einwohnern

Führung der Verwaltungsgeschäfte der Ortsgemeinden:

Die Verbandsgemeindeverwaltunq führt die Verwaltungsgeschäfte der Ortsgemeinden in deren Namen und deren Auftrag. Sie ist dabei an die Beschlüsse der Ortsgemeinderäte und an die Entscheidungen der Ortsbürgermeister gebunden. Zu den Verwaltungsgeschäften zählen insbesondere:

1) die Verwaltung der gemeindlichen Abgaben,

2) die Kassen- und Rechnungsgeschäfte einschließlich der Kassenanordnungen,

3) die Vollstreckungsgeschäfte,

4) die Vertretung in gerichtlichen Verfahren. Die Gemeindeordnung erwähnt aber auch ausdrücklich Verwaltungsgeschäfte, die nur durch die Ortsgemeinden selbst zu erledigen sind, wie die Wahrnehmung der Aufgaben des Ortsbürgermeisters als Vertreter der Ortsgemeinde nach außen und als Vorsitzender des Ortsgemeinderates, die Ausfertigung von Satzungen und die Unterzeichnung von Verpflichtungserklärungen.

Staatliche Auftragsangelegenheiten:

Der Verbandsgemeinde obliegen im eigenen Namen die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben, die den Ortsgemeinden oder ihr selbst übertragen sind und der Vollzug des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten. Staatliche Auftragsangelegenheiten erfüllen die Verbandsgemeinden im Standesamt, im Meldeamt, als Ortspolizeibehörde oder als Bauverwaltung.

Aufgabenteilung zwischen Ortsgemeinden und Verbandsgemeinden:

Die Aufgabenteilung zwischen Ortsgemeinden und Verbandsgemeinden erfordert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Die Verbandsgemeinde berät und unterstützt die Ortsgemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Umgekehrt haben die Ortsgemeinden die Verbandsgemeindeverwaltung über alle Beschlüsse des Ortsgemeinderates und alle wichtigen Entscheidungen des Ortsbürgermeisters zu unterrichten. Wichtig ist die Beratung und Betreuung der Ortsgemeinden durch den Bürgermeister der Verbandsgemeinde und die Verwaltung. Der Bürgermeister oder ein von ihm beauftragter Mitarbeiter hat das Recht, an den Sitzungen des Ortsgemeinderates teilzunehmen; er ist in den Sitzungen rede- und antragsberechtigt.

Aber auch die Ortsbürgermeister können mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verbandsgemeinderates teilnehmen. Dies gilt auch für Sitzungen der Ausschüsse des Verbandsgemeinderates, wenn Belange der Ortsgemeinde berührt werden. Eine große Anzahl der Ortsbürgermeister gehört den Verbandsgemeinderäten als gewähltes und damit stimmberechtigtes Mitglied an.

Regelmäßige Besprechungen des Bürgermeisters mit den Ortsbürgermeistern über wichtige Angelegenheiten der Verbandsgemeinde und Ortsgemeinden vertiefen das Vertrauensverhältnis. Dies kann in Form von offiziellen Dienstbesprechungen mit allen Ortsbürgermeistern, vielfach aber auch in Einzelgesprächen geschehen. Insbesondere zu Finanz- und Haushaltsplanung, Flächennutzungsplanung, Dorferneuerungsplanung und anderen Planungsvorhaben sind regelmäßige Konsulationen notwendig. Vor wichtigen Entscheidungen des Verbandsgemeinderates über Selbstverwaltungsaufgaben, die einzelne Ortsgemeinden betreffen, werden diese angehört.

Die Verbandsgemeinde lebt - auch finanziell - von den Ortsgemeinden. Als eigene Einnahmen verfügt sie lediglich über ein geringfügiges Vergnügungssteueraufkommen, sowie über die Gebühren für Verwaltungshandlungen. Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sind sogenannte "Gebührenhaushalte« und werden durch Gebühren und Beiträge finanziert. Für die Erfüllung der staatlichen Auftragsangelegenheiten und als finanzielle Grundausstattung erhält die Verbandsgemeinde vom Land Schlüsselzuweisungen. Diese Einnahmen reichen aber zur Finanzierung des Verbandsgemeindehaushaltes nicht aus. Die Verbandsgemeinden erheben deshalb von ihren Ortsgemeinden eine Verbandsgemeindeumlage, die sich an der Steuerkraft orientiert. Soweit Aufgaben nur für einzelne Ortsgemeinden wahrgenommen werden, ist die Erhebung einer Sonderumlage von den begünstigten Ortsgemeinden möglich.

Mit der Institution »Verbandsgemeinde« und dem gleichzeitigen Festhalten an der Ortsgemeinde besteht heute in Rheinland-Pfalz eine Verwaltungseinheit, die den Erwartungen an die Leistungskraft der Kommunen im ländlichen Raum in vollem Umfange entspricht. Die Bildung großräumiger Verwaltungseinheiten in Form der Verbandsgemeinden eröffnete die Möglichkeit, gleichgelagerte, überörtliche Aufgaben im Zuständigkeitsbereich von ortsnahen Instanzen zu erfüllen. Die zum Beginn und im Verlaufe der Diskussion um die Verwaltungsreform oftmals zu hörende bange Frage, ob und was die Ortsgemeinden denn noch selbst zu entscheiden hätten, ist inzwischen beantwortet.

Die Ortsgemeinden erfüllen auf der unteren Ebene der kommunalen Selbstverwaltung die wichtige und immer noch überragende Aufgabe der Daseinsvorsorge. Allein im Landkreis Daun sind im Kreistag, in den Verbandsgemeinderäten und in den Ortsgemeinderäten 1 100 Frauen und Männer ehrenamtlich tätig. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit können Ortsgemeinden und Verbandsgemeinde ihrem gesetzlichen Auftrag »das Wohl ihrer Einwohner zu fördern« nachkommen.

 Die Verbandsgemeindeverwaltung hat den Wandel vom obrigkeitsstaatlichen Verwalten zum modernen Dienstleistungsunternehmen vollzogen. Sie ist eine »Anlaufstelle« für den ratsuchenden Bürger in allen Fragen des täglichen Lebens. In der Verbandsgemeinde wird Bürgernähe praktiziert. Wenn es in Rheinland-Pfalz nicht auf freiwilliger Basis zu Einheitsgemeinden gekommen ist, so dürfte dies der beste Beweis dafür sein, daß sich die 1968 neu geschaffene »Verbandsgemeinde« bewährt hat.

Das Sprichwort: »Wenn Du Rat brauchst - geh' ins Rathaus« hat für die Verbandsgemeindeverwaltungen in Rheinland-Pfalz auch heute noch seine volle Existenzberechtigung.